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Plakatmotiv: Verhandlungssache (1998)

Ein Copthriller, der von Dynamik und
von Jackson & Spacey getrieben wird

Titel Verhandlungssache
(The Negotiator)
Drehbuch James DeMonaco & Kevin Fox
Regie F. Gary Gray, USA 1998
Darsteller

Samuel L. Jackson, Kevin Spacey, David Morse, Ron Rifkin, John Spencer, J.T. Walsh, Siobhan Fallon, Paul Giamatti, Regina Taylor, Bruce Beatty, Michael Cudlitz, Carlos Gómez, Tim Kelleher, Dean Norris, Nestor Serrano u.a.

Genre Thriller, Crime
Filmlänge 140 Minuten
Deutschlandstart
30. September 1999
Inhalt

Lieutenant Danny Roman ist in Chicago der beste Vermittler zwischen Geiselnehmer und Polizei. Gerade hat er wieder einen Fall erfolgreich abgeschlossen, da wird sein Partner Nathan erschossen, kurz nachdem dieser Danny in einen Fall von Korruption und Betrug eingeweiht hat.

Es gibt Individuen in den eigenen Reihen, die sich aus dem Invaliditäts-Fond bedienen. Danny wird beschuldigt, Nathan’s Mörder zu sein und anscheinend will ihm niemand zuhören, offensichtlich will man ihm den Mord in die Schuhe schieben. Nathan sieht in der Eile und Panik keine andere Möglichkeit, er nimmt sich vier Geiseln, unter anderem den Leiter der Dienstaufsicht Terence Niebaum und dessen Sekretärin.

Als Führer der Verhandlung fordert er den auswärtigen Spezialisten Chris Sabian an, denn er weiß, dass nur ein aussenstehender Licht in die Sache bringen kann und er nur einem Fremden trauen kann. Die zwei beginnen zu verhandeln …

Was zu sagen wäre

Ein Copthriller. Das heißt, einer dieser Filme, in dem es nur Polizisten gibt. Menschen, die einen anderen Beruf ausüben, tauchen lediglich als bang daheim auf ihren Mann wartende Ehefrauen oder Statisten in den Straßen der Stadt auf. Und es stehen dann immer gute Cops gegen böse Cops. Mal haben Polizisten mit Drogen gedealt und andere das vertuscht. Mal haben sie gemordet und sind von Kollegen im Namen der "Bruderschaft" gedeckt worden. Mal greifen sie nur nach dem Pensionsfonds der Polizei. Auf der anderen Seite steht der eine Cop, der sich der Korruption nicht ergibt, der den Hass aller Kameraden auf sich zieht und das Schlangennest am Ende meistens aushebt. Sidney Lumet hat sich oft in dieses Thema verbissen (Tödliche Fragen – 1990; "Prince of the City" – 1981; Serpico – 1973). Es sind Filme über harte Männer, die ihre Illusionen verloren haben und irgendwo auf dem, immer das Richtige zu tun, falsch abgebogen und auf die schiefe Bahn geraten sind; die korrupten Cops sind da – natürlich – böse Cops, aber man kann sie im Kinosessel irgendwie verstehen.

Mit "The Negotiator" taucht Regisseur F. Gary Gray in die Materie dieser Männer in Uniform ein, die ein enges Beziehungsgeflecht bilden, bei Hochzeiten, Taufen und runden Geburtstagen ihre einzigen Gäste untereinander sind und fest zusammenhalten. Gray, von Haus aus Regisseur von Musikvideos (Whitney Houston, TLC, Dr. Dre, OutKast, Queen Latifah, Barry White, Coolio, Usher u.a.), interessiert sich anders alsLumet weniger für die gesellschaftlichen Hintergründe oder die Schuldfrage. Ihn interessiert die Dynamik, die gewisse Handlungsläufe auslösen. Ein Mann nimmt Geiseln, die Behörden antworten mit dem großen Besteck: Sondereinsatzkommando, Scharfschützen, Männer mit Funkgeräten und Hundertschaften von Uniformierten, die mit gezogener Waffen herumstehen und auf weitere Befehle warten. Daraus formt er die Grundierung seines soliden Thrillers.

Darauf auf bauen James DeMonaco und Kevin Fox ein cleveres Drehbuch, in dem es bisweilen auf jedes einzelne Wort ankommt – was in Filmes dieses Genres selten geworden ist. Es gibt ein paar faule Früchte im Policedepartement von Chicago. Die haben Gelder aus der Pensionskasse abgezweigt, drohen aufzufliegen, bringen also den einzigen zeugen um und schieben den Mord ihrem Kollegen Danny Roman in die Schuhe. Der Lieutenant ist ein erfolgreicher Vermittler in Geiselfällen und ansonsten ein freundlicher Mann, der eigentlich nur nach Hause zu seiner Frau möchte, die er eben erst geheiratet hat. Um das Unheil von sich abzuwenden, muss er nun selbst Geiseln nehmen, also tun, was er am besten zu bekämpfen gelernt hat. Und er bekommt es mit einem Mann zu tun, der das geiselverhandlungsgeschäft mindestens so gut beherrscht, wie er. Letzteres aber auf eigenen Wunsch, denn dieser Mann kommt von außerhalb der Police-Departement-Blase, nachdem Danny innerhalb der Blase niemandem mehr trauen kann. Wir im Kinosessel übrigens auch nicht, was zu einem großen Teil einem cleveren Schachzug auf der Besetzungsliste zu verdanken ist. Auf dem Polizeirevier mit den faulen Früchten laufen nahezu ausschließlich Schauspieler rum, deren Gesichter wir schon in unzähligen Nebenrollen gesehen haben, manchmal als unauffällige Figuren, manchmal als schießwütige Killer, manchmal als durchtriebene Arschlöcher auf Chefsesseln. Ron Rifkin zum Beispiel. John Spencer zum Beispiel. David Morse, Dean Norris, Nestor Serrano oder natürlich J.T. Walsh, der hier den arroganten Chef der Internen Ermittlung spielt. Walsh spielt eigentlich immer widerliche Arschlöcher (Breakdown – 1997; Einsame Entscheidung – 1996; Outbreak – Lautlose Killer – 1995; Der Klient – 1994; Needful Things – In einer kleinen Stadt – 1993; "Red Rock West" – 1993; Loaded Weapon 1 – 1993; Eine Frage der Ehre – 1992; Backdraft – 1991; Das Russland-Haus – 1990; Narrow Margin – 12 Stunden Angst – 1990; Tequila Sunrise – 1988; Good Morning, Vietnam – 1987; Haus der Spiele – 1987; "Hannah und ihre Schwestern" – 1986). J.T. Walsh wurde der Film gewidmet, nachdem er kurz vor dessen Premiere gestorben ist. Es laufen also so viele zwielichtige Gesichter herum, dass wir nie sicher sein können, wer eventuell auf unserer Seite, also der des malträtierten Dannys steht. Diese Unsicherheit hält der Film bis wenige Bilder vor dem Titelabspann aufrecht.

Es geht in dem Film um Vertrauen, um Überzeugungskunst, darum, das Gegenüber mit Bluffs von dessen Tun abzulenken. Dafür hat sich F. Gary Gray zwei noch nicht etablierte, aber aufregende Schauspieler vor die Kamera geholt, die im Kino mit ihrer schieren Präsenz schon Duftmarken gesetzt haben. Danny, der unschuldige Cop, wird gespielt von Samuel L. Jackson (Sphere – Die Macht aus dem All – 1998; Jackie Brown – 1997; 187 – Eine tödliche Zahl – 1997; Tödliche Weihnachten – 1996; Die Jury – 1996; Stirb langsam – Jetzt erst recht – 1995; Pulp Fiction – 1994; True Romance – 1993; Jurassic Park – 1993; Die Stunde der Patrioten – 1992; GoodFellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia – 1990; Der Exorzist III – 1990; Der Prinz aus Zamunda – 1988). Jackson stattet Danny mit zornig funkelnden Augen und dem Zorn des Gerechten aus. Die Ambivalenz zwischen dem Mann, der sich mit Tricks und Finten und fairen Mitteln aus der Gefahr windet und dem, der am liebsten ein paar Morde begehen möchte, hält diese Figur in spannender Schwebe. Sein Gegenüber, Chris Sabian, wird in Kevin Spaceys Spiel (Mitternacht im Garten von Gut und Böse – 1997; L.A. Confidential – 1997; Die Jury – 1996; Sieben – 1995; Outbreak – Lautlose Killer – 1995; Die üblichen Verdächtigen – 1995; Glengarry Glen Ross – 1992) ein Mann mit schneidender Härte und zunehmend erschütterter Souveränität. Jackson und Space tun, was die Produzenten beinem Film dieser Gewichtsklasse erwarten: Sie tragen den Film.

Der Grund, warum es Filme wie diese nicht in die Always Remember-Analen des Kinos schaffen, ist, weil "The Negotiator" eben ein Film ist, wie dieser. Ein Krimi halt, mit Bullen, mit Schießereien. Es fehlen Scarlett-O-Hara-Romanzen und Western-Historie. Es fehlt die moralische Tiefe eines umfassenden Gesellschaftsdramas. Hier bestimmt allein die Dynamik das Geschehen, in dem eine Aktion die nächste auslöst, bis am Ende Tote im Vorgarten liegen.

Wertung: 10 von 11 D-Mark
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