Kuba im Dezember 1958 – am Vorabend der Revolution. Der professionelle Pokerspieler Jack Weil reist zur revolutionserschütterten Karibikinsel, weil er dort ein großes Pokerturnier organisieren will. Während seiner Anfahrt lernt er auf dem Schiff die Revolutionärin Roberta kennen und erklärt sich für Geld bereit, für diese militärisches Gerät nach Kuba zu schmuggeln.
Weil könnte sich durchaus mehr vorstellen mit Roberta. Sie nicht. Sie ist mit Arturo Duran, einem der Anführer der Revolutionäre verheiratet. Jack bittet Joe Volpi, einen befreundeten Kasinomanager und Handlanger des Mafiabosses Meyer Lansky, eine Pokerrunde zu organisieren. Vor dem Spiel erfährt Jack, dass Roberta und Arturo festgenommen wurden. Zeitungen berichten über den Tod des Mannes. Jack lässt Beziehungen spielen, Roberta kommt tatsächlich frei.
Roberta, die gefoltert wurde, taucht unter. Am 29. Dezember 1958 überrennen die Revolutionäre Santa Clara. Jack fährt in das umkämpfte Gebiet, findet Roberta und versteckt sie in seiner Wohnung in Havanna. Dort beginnen beide eine Affäre. Als er erfährt, dass Arturo noch lebt, sieht er sich in einem moralischen Dilemma …
Regisseur Sydney Pollack scheint eine heimliche Liebe zu Humphrey-Bogart-Filmen zu haben, die er bisweilen in seinen Filmen auslebt. Im Elektrischen Reiter (1979) inszenierte er mit Robert Redford und Jane Fonda ein Liebespaar, das an Bogart und Kathrine Hepburn in African Queen (1951) erinnert. In seinem neuen Film „Havanna“ nimmt Pollack Anleihen gleich am ganzen Aufbau von Casablanca (1942): Der Held, der sich eigentlich aus allem heraus hält („Das verstößt gegen meine Prinzipien. Wenn ich welche hätte.“). Die Liebe zu einem mit einem Revolutionär verheirateten Mann. Polizeistaat. Exotische Kulisse. Es gibt Szenen, in denen ich erwarte, dass Jack Weill jetzt sagt „Ich bin nicht gut darin, nobel zu sein. Aber es gehört nicht viel dazu, zu erkennen, dass die Probleme dreier Menschen nichts sind im Vergleich zu dieser verrückten Welt. Eines Tages wirst Du das verstehen“ („I’m no good at being noble, but it doesn’t take much to see that the problems of three little people don’t amount to a hill of beans in this crazy world. Someday you’ll understand that.“)
Dieser Film von Sydney Pollack (s.u.) funktioniert vor allem über seine Schauswerte. Ausstattung, Kameraführung, Kostüme – top. Drehbuch? Trotz der Länge nicht zu Ende gedacht. Nachdem er seit seinem Mega-Erfolg „Jenseits von Afrika“ keinen Film mehr gedreht hat, und der liegt fünf Jahre zurück, ist es nicht ausgeschlossen, dass die Studios ihm nichts anderes zubilligen wollten, als eine weitere Mega-Romanze, am besten wieder mit Robert Redford. Und so mag Pollack „Havanna“ in den Sinn gekommen sein, weil er da am ehesten seine Art (bitterer) Liebesgeschichte erzählen kann. In keinem seiner Filme findet das Paar am Ende zusammen, irgendwas kommt immer dazwischen. Diese Form der Romanze lässt sich vor dem Hintergrund revolutionärer Wirren natürlich besonders gut erklären. Pollack, erfolgreicher Vertreter der konservativen Hollywood-Ästhetik, der sich auch gegen das New Hollywood behaupten konnte, bleibt in diesem Film unter seinen Möglichkeiten. Der Film behauptet viel, überzeugt aber nicht in glaubwürdiger Emotion.
Robert Redford (s.u.) ist ein gut aussehender Sympathikus, auch in diesem Film, einer, der das Publikum schon mitnehmen kann. Allein: Weder glaube ich seinem Kartenspieler zu Beginn irgendeine zynische Ader, die er dauernd vorgibt zu haben, noch glaube ich ihm dann die großen Gefühle, die ihn alles über den Haufen werfen lassen, was er angeblich ausschließlich will. Obwohl der Film fast zweieinhalb Stunden für seine – immerhin schön anzuschauende – Geschichte braucht, bleibt die Motivation des Spielers immer im Dunkeln.
Lena Olin … sieht gut aus. Leidenschaft versprüht aber auch sie nicht. Die Herausforderung ihrer Rolle ist, dass sie, nur zwei Tage, nachdem ihr geliebter Mann im Foltergefängnis zu Tode kam, schon dem zwar charmanten und sehr attraktiven, letztlich aber doch windigen Spieler verfallen soll. Das ist so an den Haaren herbeigezogen, daran würden auch versiertere Schauspielerinnen scheitern. Dass Sydney Pollack eine Schwedin in der Rolle der Roberta besetzt hat, mag ein weiterer Casablanca-Hinweis (Stichwort: Ingrid Bergmann) sein.
Sehenswert ist der Film dennoch: Das große Melodram vor (realem) politischem Hintergrund führt uns in die damalige Zeit, die letzten Tages des Batista-Regimes (und zwischendurch flammt der Gedanke auf, dass Michael Corleone (1974) auf derselben Party gewesen sein muss, auf die uns der vorliegende Film am 31. Dezember 1958 gegen 22:30 Uhr bei Übernahme durch die Revolutionäre führt. Pollack gewährt uns einen plastischen einblick in die Wirren dieser letzten Batista-Tage, in die sozialen Verwerfungen und die Mafiaverstrickungen, denen Alan Arkin (Edward mit den Scherenhänden – 1990; Catch-22 – 1970; „Warte, bis es dunkel ist” – USA 1967) als Meyer Lanskys Handlanger Joe Volpi ein wunderbar melancholisches Gesicht gibt.
Die Kinofilme mit Robert Redford
- Hinter feindlichen Linien (1962)
- Lage hoffnungslos - aber nicht ernst (1965)
- Verdammte süße Welt (1965)
- Ein Mann wird gejagt (1966)
- Dieses Mädchen ist für alle (1966)
- Barfuß im Park (1967)
- Butch Cassidy und Sundance Kid (1969)
- Schussfahrt (1969)
- Blutige Spur (1969)
- Stromer der Landstraße (1970)
- Vier schräge Vögel (1972)
- Jeremiah Johnson (1972)
- Bill McKay – Der Kandidat (1972)
- Cherie Bitter / So wie wir waren (1973)
- Der Clou (1973)
- Der große Gatsby (1974)
- Tollkühne Flieger (1975)
- Die drei Tage des Condor (1975)
- Die Unbestechlichen (1976)
- Die Brücke von Arnheim (1977)
- Der elektrische Reiter (1979)
- Brubaker (1980)
- Der Unbeugsame (1984)
- Jenseits von Afrika (Out of Africa, 1985)
- Staatsanwälte küsst man nicht (1986)
- Havanna (1990)
- Sneakers – Die Lautlosen (1992)
- Ein unmoralisches Angebot (1993)
- Aus nächster Nähe (1996)
- Der Pferdeflüsterer (1998)
- Die letzte Festung (2001)
- Spy Game – Der finale Countdown (2001)
- Anatomie einer Entführung (2004)
- Ein ungezähmtes Leben (2005)
- Von Löwen und Lämmern (2007)
- The Company You Keep – Die Akte Grant (2012)
- All Is Lost (2013)
- Captain America: The Winter Soldier (2014)
- Picknick mit Bären (2015)
- Der Moment der Wahrheit (2015)
- Elliot, der Drache (2016)
- The Discovery (2017)
- Unsere Seelen bei Nacht (2017)
- Ein Gauner & Gentleman (2018)
- Avengers: Endgame (2019)
Die Regiearbeiten von Robert Redford fürs Kino
- Eine ganz normale Familie (1980)
- Milagro – Der Krieg im Bohnenfeld – (1988)
- Aus der Mitte entspringt ein Fluss (1992)
- Quiz Show (1994)
- Der Pferdeflüsterer (1998)
- Die Legende von Bagger Vance (2000)
- Von Löwen und Lämmern (2007)
- Die Lincoln Verschwörung (2010)
- The Company You Keep – Die Akte Grant (2012)
Die Kinofilme von Regisseur Sydney Pollack
Sydney Irwin Pollack (* 1. Juli 1934 in Lafayette, Indiana; † 26. Mai 2008 in Los Angeles) war ein US-amerikanischer Filmregisseur, -produzent und Schauspieler sowie mehrfacher Oscar- und Golden-Globe-Preisträger.
Sein Leinwanddebüt als Filmschauspieler gab er 1962 mit dem Kriegsfilm "Hinter feindlichen Linien", bei dem auch Robert Redford debütierte. Seitdem waren beide befreundet und Redford war in zahlreichen Filmen Pollacks Hauptdarsteller, nachdem Pollack hinter die Kamera gewechselt hatte. Pollack gehört neben John Frankenheimer, der ihm den Wechsel ins Regiefach nahelegte, Franklin J. Schaffner, George Roy Hill und Martin Ritt, zu den Filmemachern, die Anfang der 1960er Jahre vom Fernsehen ins Kino drängten und dort für frischen Wind sorgten. 1985 erreichte er mit dem mit insgesamt sieben Oscars ausgezeichneten Liebesdrama Jenseits von Afrika den Höhepunkt seines Schaffens. 1973 war Sydney Pollack Mitglied der Jury beim Filmfestival in Cannes und 1986 Präsident der Jury.
Pollack galt als einer der intelligentesten Regisseure und war vor allem bei Schauspielern sehr beliebt. Er beherrschte viele Genres und gilt als einer der erfolgreichsten Vertreter der konservativen Hollywood-Ästhetik,
- Stimme am Telefon (The Slender Thread, 1965)
- Dieses Mädchen ist für alle (This Property Is Condemned, 1966)
- Mit eisernen Fäusten (The Scalphunters, 1968)
- Der Schwimmer (The Swimmer, 1968)
- Das Schloss in den Ardennen (Castle Keep, 1969)
- Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss (They Shoot Horses, Don't They?, 1969)
- Jeremiah Johnson (1972)
- So wie wir waren – Cherie Bitter (The Way we were, 1973)
- Yakuza (The Yakuza, 1974)
- Die 3 Tage des Condor (The three Days of the Condor, 1975)
- Bobby Deerfield (1977)
- Der elektrische Reiter (The Electric Horseman, 1979)
- Die Sensationsreporterin (Absence of MAlice, 1981)
- Tootsie (1982)
- Jenseits von Afrika (Out of Africa, 1985)
- Havanna (1990)
- Die Firma (The Firm, 1993)
- Sabrina (1995)
- Begegnung des Schicksals (Random Hearts, 1999)
- Die Dolmetscherin (The Interpreter, 2005)
- 2005: Sketches of Frank Gehry (Dokumentarfilm, 2005)
- Amazing Grace (Dokumentarfilm, 2015)