Buchcover: Mann und Frau
Großes Thema, spannende 
Einblicke, enttäuschende Story
Titel Mann und Frau
(Ba'al we-ischa)
Autor Zeruya Shalev, Israel 2000
aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler
Verlag Berlin Verlag
Ausgabe Gebunden, 399 Seiten
Genre Drama
Inhalt

Udis und Na'amas Ehe ist in eine Sackgasse geraten. Udi reagiert darauf mit den unterschiedlichsten körperlichen Symptomen: Einmal ist er für zwei Tage gelähmt, ein anderes Mal für kurze Zeit blind. Kurzum: Mann und Frau sind schließlich vor allem damit beschäftigt, sich gegenseitig zu zermürben.

Na'ama bringt ihren Mann zu einer jungen Heilerin, die erkennt, dass sich die ganze Familie einem kathartischen Prozess unterziehen muss. Das Ergebnis: Udi zieht zu der Ärztin, Na'ama beginnt eine intensive Affäre mit einem Architekten …

aus dem Klappentext

Was zu sagen wäre
Mann und Frau

Ein Ehedrama, das in erstaunlicher Wortgewalt auf den Leser eintrommelt, das mitzieht. Anstrengend zu lesen, aber präzise in der Schilderung. Anstrengend: Shalev liebt den langen Satz. Anders aber als Thomas Mann, der uns mit Appositionen, Nebensätzen, Einschüben etc. den Deutschunterricht versaute, scheint Shalev einfach über die Worte zu vergessen, ab und zu einen Punkt zu setzen. Sie setzt bei direkter Rede auch keine Anführungszeichen.

Erst die letzten Seiten entlassen den Leser mit einem faden Beigeschmack des Beliebigen. Über knapp 400 Seiten wohne ich der Entwicklung einer in Präsens und Ich-Form erzählenden Frau bei, die verlassen wird. Mit abwechselnd hinreißender und dann wieder lähmenden Sprache erfahre ich viel über den Gefühlshaushalt eines Menschen in der Ausnahmesituation „Trennung”, stelle unter Beimischung eigener Erfahrung erstaunt fest, dass Männer und Frauen doch manchmal ähnlich empfinden und lese von Ängsten, Enttäuschungen, Selbstzweifeln und Zorn, ausgelöst durch eine geliebte Person und wenn ich das Buch dann zuklappe, habe ich interessante Erfahrungen gemacht (s.o.) und eine enttäuschende Geschichte gelesen.

Kleine Leseprobe:
Immer habe ich gedacht, wenn sie ihn wegen eines anderen Mannes verlassen hätte, hätte er das leichter ertragen als so, da sie wegen aller Männer auf der ganzen Welt gegangen war und ihm keinen Angriffspunkt für seinen Zorn gelassen hatte, besiegt in einem Kampf, an dem er nicht teilgenommen hatte, er hatte nichts mit Kämpfen im Sinn, er sehnte sich immer nur nach Ordnung und Gelassenheit, nach einem ruhigen Leben ohne Abenteuer, sogar ohne Überraschungen durch das Wetter, aber sie überraschte ihn trotzdem, ausgerechnet sie, die so froh gewesen war, als er sie vom schweren Leben mit ihren hartherzigen Eltern befreit hatte, von den beiden kleinen Brüdern, die sie aufziehen musste, und ihr ein eigenes Haus gegeben hatte, wer hätte voraussehen können, dass ihr das alles nicht reichen würde.
Sofort nach ihrem Weggehen tauchten hier auf der schmalen Straße Frauen auf, nicht mehr ganz junge, breithüftige Frauen, die versuchten, ihn davon zu überzeugen, dass dieses Leben ihnen reichen würde, aber er wollte nur seine aufsässige junge Frau, neben ihr war jede andere lästig und so langweilig wie er, und er wollte ja nicht sich selbst, sondern sie, jeden Moment wäre er bereit gewesen, sie wieder aufzunehmen, aber sie kam nicht, obwohl ihr danach nichts gelang, nichts klappte, weder Tanzen noch Singen noch Schauspielerei, sie war nicht jung genug oder nicht talentiert genug, nur bei uns zu Hause war sie der Star gewesen, doch seltsamerweise zerbrach sie nicht, sie war stolz auf ihre Fähigkeiten, beobachtete zufrieden die Trümmer ihres Lebens, als wäre es ihr größtes Verdienst, ihr Versagen zu leugnen.
aus: Zeruya Shalev - "mann und frau"

In zwei Sätzen ein Ehe-Leben umrissen. Der ganze Text ist eine atemloser Galopp durch die Gedankenwelt einer einsamen Ehefrau. Dieses Deskriptive, das scheinbar ohne jeden schriftstellerischen Trick auskommt, ist für den Leser nach einem Arbeitstag schwer zu verinnerlichen. Diese hohe Hürde einmal überwunden, folgt man neugierig einem Drama, dass ich aus dem wahren Leben zu kennen glaube.

Ich habe „Mann und Frau” vom 16. Dezember 2005 bis 2. Februar 2006 gelesen.