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Plakatmotiv: Todesmelodie (1971)
Ein grimmer Western mit
zwei ziellosen Halunken
Titel Todesmelodie
(Giù la testa)
Drehbuch Luciano Vincenzoni + Sergio Donati + Sergio Leone
Regie Sergio Leone, Italien, Spanien 1971
Darsteller Rod Steiger, James Coburn, Romolo Valli, Maria Monti, Rik Battaglia, Franco Graziosi, Antoine Saint-John, Vivienne Chandler, David Warbeck, Giulio Battiferri, Poldo Bendandi, Omar Bonaro, Roy Bosier, John Frederick, Amato Garbini u.a.
Genre Western
Filmlänge 157 Minuten
Deutschlandstart
2. März 1972
Inhalt

In den blutigen Wirren der mexikanischen Revolution trifft der barfüßige Bandit Juan Miranda 1913 auf den irischen Terroristen John Mallory. Miranda überredet den Sprengstoffexperten Mallory, den Tresor einer Bank zu sprengen.

In Mesa Verde angekommen stellen sie fest, dass die Stadt voller Soldaten ist – die Revolution und die Konterrevolution sind vor ihnen angekommen. Auch John ist da, und er ist anscheinend bereit, am Überfall auf die Bank teilzunehmen.

Plakatmotiv: Todesmelodie (1971)Die Bank entpuppt sich aber zu Juans Enttäuschung als ein politisches Gefängnis. Statt Gold zu finden, befreien sie viele Gefangene, und Juan wird unfreiwillig zum Revolutionshelden. Er wird als Miranda bejubelt. Dabei hat Juan eine sehr pessimistische Sicht auf Revolutionen und betont deren Misserfolge. Auch der nächste Versuch, sich von den Revolutionären abzusetzen, geht schief: John und Juan halten alleine eine ganze Abteilung der Regierungssoldaten auf, indem John eine Brücke sprengt. Nur der Colonel Gutierez überlebt mit seinem Panzerwagen. Juans Söhne, die Villega wie alle anderen Kämpfer in einen als sicher geglaubten Unterschlupf vorausgeschickt hat, werden unterdessen von Regierungstruppen ermordet. Die meisten von ihnen werden bald von Juan und John aufgefunden. Juan hat keine Familie mehr. Die Leiche von Dr. Villega fehlt in der Höhle.

Juan, der blind auf Rache sinnt, wird verhaftet und steht kurz vor seiner Erschießung. Sein Freund rettet ihn mit Dynamit und einem Motorrad. Die beiden fliehen aus der von Massenexekutionen erschütterten Stadt in einen Viehwagen, der bald in Richtung Amerika fahren soll. Kurz vor der Abfahrt besteigt überraschend der verhasste Gouverneur Don Jaime den Zug …

Was zu sagen wäre

Ein Film, der als inoffizielle Fortsetzung der Westernoper Spiel mir das Lied vom Tod (1968) gilt, hat es naturgemäß schwer: Sergio Leone dreht nach seinem früh zum Klassiker gewordenen Western einen weiteren Western und der ist, anders als die Plakatmotive vermuten lassen, keine im Publikum geschuldet scheint Komödie mit zwei ausgefuchsten Schlitzohren.

<Nachtrag 2018>„Giù la testa“ ist der zweite Teil von Leones Amerika-Trilogie, die mit Spiel mir das Lied vom Tod beginnt und mit Es war einmal in Amerika endet. Der Film spielt in den Wirren der mexikanischen Revolution ab 1910. Einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen den drei Filmen und den jeweils realen Ereignissen gibt es nicht, doch sind Parallelen erkennbar. In allen drei Filmen geht es um Freundschaft, Verrat, Rache und – in den letzten beiden Filmen – auch um Vergebung.</Nachtrag 2018>

Plakatmotiv (UK): A Fistful of Dynamite – Todesmelodie (1971)Dem Vergleich mit seinem großen Vorgänger hält der Film – fast naturgemäß – nicht stand. Dazu fehlt schon die große Geschichte, der Überbau. Die versucht Leone, wie in Für ein paar Dollar mehr (1965) und in Spiel mir das Lied vom Tod mittels einer mehrfach unterbrochenen Rückblende einzubauen, mit der er die Pole von Rache und Vergebung gegeneinander stellt, innerhalb derer sich seine Hauptfigur, der Ire John, dem James Coburn erschütterungsfreies Pathos gibt, den es nach Mexiko verschlagen hat, bewegt und zwischen denen er eine Entwicklung durchmacht. Aber in ihrer Auflösung bleibt die Rückblende blass, weil sie nicht fokussiert ist auf ihren Kern, sondern plötzlich noch in eine Jules-und-Jim-artige Episode ausufert – zwei Freunde, die sich eine Frau teilen – die mehr nach Wirren junger Liebe aussieht und der Flowerpower im Kinosaal geschuldet wirkt, und das große Finale in ein operettenhaftes Sterben ausarten lässt.

Dem grimmen Iren zur Seite spielt der bullige Rod Steiger den Mexikaner Juan, eine Vaterglucke, die Spaß am Leben und am Verbrechen hat, der ihm bald vergeht; er wird eher unfrewillig, zufällig zum großen Helden der Revolution, er, der Revolutionen so hasst, weil da „Männer die lesen können“ daher kämen und armen bauern wie ihm einreden würden, jetzt müsse sich was ändern und während diese Männer sich dann hinter Schreibtischen verkröchen, würden Leute wie er ins Feuer geschickt.

Dabei muss sich tatsächlich etwas ändern in diesem geplagten Land. Leone eröffnet seinen Film mit einer brutalen Szene in einem Luxuszug, den Juan entert. Da wissen wir noch nicht, wer oder was er ist; Leone hat ihn eingeführt, während er einen die Leinwand füllenden Strahl gegen Ameisen an einem Baum pinkelt und anschließend seine nackten Füße von Spritzern befreit. Schließlich sitzt er in dem Luxuswaggon und muss sich von den reisenden Mitgliedern der höheren Gesellschft verhöhnen lassen, von Pristern, Geschäftsmännern und einem Amerikaner, der unablässig erklärt, Leute wie dieser Bauer da, seien eine ähnliche Plage, wie „die Nigger bei uns in Amerika“, während eine höhere Tochter sich angewidert vorstellt, wie diese Bauern es alle „miteinander und übereinander treiben“ und keinen Unterschied machten zwischen Freund, Schwester oder Mutter.

Nach dieser Szene hat Sergio Leone die Sympathien seiner Zuschauer klar auf die Revolution, gegen die Schnösel gerichtet. Wir verzeihen Rod Steiger sogar seine Vergwaltigung der höheren Tochter. Das Leben ist widerlich in dieser Gegend in dieser Zeit. Später wird eine Brücke gesprengt, die ein gazes Regiment unter sich begräbt – die Überlebenden werden von Heckenschützen erschossen. Die Truppen des Gouverneurs rächen sich mit zahllosen Erswchießungen, Leone inszeniert eine Massenexekution, bei der einem im Kinosaal die Luft stecken bleibt.

Plakatmotiv (it.): Giù la testa – Todesmelodie (1971)Ganz dem vorangestellten Mao-Tse-Tung-Zitat – „Die Revolution ist kein Festessen, kein literarisches Fest, keine Stickerei. Sie kann nicht mit Eleganz oder Artigkeit durchgeführt werden. Die Revolution ist ein Akt der Gewalt.“ - zeigt der Film Brutalität und rohe Gewalt. Aber manchmal überlässt er die Bilder auch dem Gehirn seiner Zuschauer. Wenn Juan im Unterschlupf die toten Revolutionäre und seine toten Söhne findet, kann der Zuschauer diesen umstand nur in Steigers beklommenen Gesicht mit traurigen braunen Augen ablesen, und wenn er dann blind vor Wut rausgeht vor die Höhle, um Rache zu nehmen, hören wir lediglich gewaltiges Gewehr- und Maschinengewehrfeuer, während wir mit John die Höhle erkunden und nun, statt des Gefechts draußen, mit John die hingeschlachteten Revolutionäre und Kinder sehen.

Wieder arbeitet Leone mit langen, stummen Kamereinstellungen, mit oben und unten angeschnittenen Gesichtern unterm breitkrempigen Hut und schnell schießenden Schützen, bei denen jeder Schuss sitzt. Wieder setzt er die Musik Ennio Morricones sehr platziert ein, um Szenen zu betonen, Emotion zu unterstreichen. Es fehlt all dem aber die Eleganz, die seine Bilder im heimeligen Sweetwater noch hatten.

Die „Todesmelodie“ ist schmutziger, rauer, weniger sorfältig komponiert – langen ruhigen Einstellungen stellt Leone üppige, actiongeladene Materialschlachten gegenüber, ohne dem ganzen aber eine Linie zu geben – und mit 3,5 Millionen US-Dollar Produktionskosten nochmal 500.000 Dollar teurer als Spiel mir das Lied vom Tod. Das Geld sieht man, beziehungsweise, wofür es ausgegeben wurde. Nämlich für einen taffen Testosteronfilm, der ähnlich ziellos bleibt, wie seine beiden Hauptfiguren, die ständig in entgegengesetzte Richtungen wollen, aber nie voneinander loskommen.

Wertung: 5 von 8 D-Mark
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