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Plakatmotiv: Schutzengel (2012)

Ein Genrefilm mit Action und Herz
Til Schweiger traut sich wenigstens

Titel Schutzengel
Drehbuch Til Schweiger & Stephen Butchard & Paul Maurice
Regie Til Schweiger, Deutschland 2012
Darsteller

Luna Schweiger, Til Schweiger, Moritz Bleibtreu, Karoline Schuch, Heiner Lauterbach, Hannah Herzsprung, Nina Eichinger, Oliver Korittke, Tim Wilde, Axel Stein Jana Reinermann, Herbert Knaup Katharina Schüttler, Anna-Katharina Samsel, Fahri Ogün Yardim, Ralph Herforth, Mickey Hardt, Kostja Ullmann, Aleksandar Jovanovic, Mathias Döpfner u.a.

Genre Thriller, Action
Filmlänge 133 Minuten
Deutschlandstart
27. September 2012
Website warnerbros.de/schutzengel/
Inhalt

Das Waisenmädchen Nina wird Zeugin, wie der millionenschwere, einflussreiche Waffenhändler Thomas Backer einen Mord begeht. Damit gerät sie auf die Abschussliste Backers, der Freunde in den oberen Etagen der Innenbehörden der Republik hat.

Nina wird ins Zeugenschutzprogramm geholt und vom ehemaligen KSK-Soldaten Max Fischer beschützt. Max macht den Schutz des getretenen Mädchens buchstäblich zu seiner Lebensaufgabe. Unterstützt werden sie vom früheren KSK-Kameraden Rudi …

Was zu sagen wäre

In Hollywood kursiert eine Erfolgsformel. "Kannst du einen Film nicht in drei Sätzen skizzieren, wird er keinen Erfolg haben!" Daran hat sich Til Schweiger einfach mal gehalten. Der Erfolg blieb aus – das Online-Portal BoxOffice Mojo rechnet vor, dass der Film in etwa seine 7,5-Millionen Produktionskosten wieder eingespielt hat. Mit Filmen wie Keinohrhasen (2007) oder "Kokowääh" (2011), die Schweiger ebenfalls verantwortet, kann "Schutzengel" nicht mithalten.

Bessere Genre-Ware, die den Blick drauf lohnt

Das liegt aber nur wenig an seinem Regisseur und Hauptdarsteller. Es ist ein bisschen unfair: Da werden uns Jahr für Jahr große Action-Filme aus den USA mit großer Marketingpower auf unsere Muss-ich-sehen-Festplatte getackert und nicht selten steht beim Abspann die Ernüchterung, es mit Müll wie Stirb Langsam 5 (2013) zu tun zu haben. Und dann kommt ein deutscher Regisseur mit einer tatsächlich besseren Genre-Ware und scheitert schon daran, dass die Zahl der Ich-kann-diesen-Schweiger-nicht-ertragen-Leute offenbar in die Millionen geht.

"Genrefilm": Das zu akzeptieren ist die Voraussetzung, um Spaß an dem Film zu haben. Schweiger erzählt eine Story, die in jene drei Sätze passt, streng genommen sogar in einen Satz. Er dreht in Berlin, der einzigen deutschen Stadt, die so was wie Weltstadtflair mit der weltweit vermarktbaren anonymen Heimeligkeit verströmt. Allerdings erzählt er mit 133 Minuten deutlich zu lang und seine Versuche, mit Zeitlupen-Action an die Ästhetik eines Sam Peckinpah zu gelangen, fruchten nicht.

So what: Haben wir Tony Scotts Actionmovies vorgeworfen, dass sie so schnell geschnitten sind, dass man nichts mehr erkennt? Okay: Ja. Aber Spaß hatten wir dann trotzdem. Action ist Genre ist Action.

Rennen, Schießen, Prügeln und Heiner Lauterbach sagt Klischee-Sätze

Schweigers Polizeiwagen kommen nicht mit dem vertrauten LaLü-LaLaa um die Ecke, sondern mit dem L.A.-PoliceCar-Sound - der blau-silberne Polizei-Benz mit LAPD-Sirene. Der Oberschurke, dem Heiner Lauterbach eine hohlwangig Verschlagenheit schenkt, sagt allen Ernstes Sachen wie „I bought this Country!”, meint Deutschland und rechtfertigt damit den Mord. Alles Signale, es hier mit einem Paralell-Universum zu tun zu haben; das gehört zum Genrefilm und Schweiger weiß, dass er in Deutschland mit so was nur durchkommt, wenn er entsprechend deutlich übertreibt.

Der Rest ist im Grunde genommen Rennen, Schießen, Prügeln und Verräter-überlisten. Genrekino eben. "Schutzengel" ist Celluloid gewordenes Klischee mit lauter Klischee-Sätzen und einer professionellen Action-Inszenierung, die wirkt, wie ein monochromes Musikvideo, in dem nur manchmal Musik läuft. Ich hätte einen ordentlichen Actionfilm verpasst, der Herz hat. Dieses Herz heißt Luna Schweiger.

Große Kugelaugen ohne Schauspielerfahrung

Til Schweigers Tochter gibt (ohne weitere Schauspielkunst) die unschuldig-Schuldige mit den großen Kugelaugen, die des Schutzes dieses wortkargen, hager trainierten Ex-KSK-Mannes mit Vergangenheit bedarf, ihn schließlich läutert. Das andere Herz ist Moritz Bleibtreu, der Max' KSK-Kumpel Rudi spielt, der beide Beine verloren hat - auch dieser Rudi ist eine Ansammlung von Klischees, aber Moritz Bleibtreu ist eben Moritz Bleibtreu und nicht zufällig seit 15 Jahren gut im Geschäft. Bleibtreu gibt dem Klischee-Rudi eine sehr menschliche Dimension.

Überhaupt die Besetzung: Selbst kleine Zwei-Satz-Nebenrollen scheinen mit Deutschlands A-Klasse-Gesichtern besetzt zu sein. Hannah Herzsprung hat ebenso einen Kurzauftritt, wie Oliver Korittke und Ralph Herforth. Heiner Lauterbach spielt eine Rolle, die er als seriöser Schauspieler, als der er sich gerne sieht, hätte ablehnen müssen. Selbst Mathias Döpfner taucht zwei Sekunden auf; der Vorstandsvorsitzende des Springer-Verlages zieht sich eine Chirurgen-Maske vom Gesicht und guckt so, wie er wohl guckt, wenn seine Bildzeitung wieder mal eine Schlagzeile zu saftig formuliert hat. Die vielen bekannten Gesichter wirken, als hätte sich Deutschlands Kinofamilie um einen ihrer rührigsten, abwechslungsreichsten und mostly angefeindeten Protagonisten scharen wollen. Irgendwie ein schöner Gedanke. Vielleicht hofften aber auch alle nur auf das Millionenpublikum, das Schweiger sonst ins Kino zieht; und ich habe Hannah Herzsprung noch nie so cool gesehen, wie in dieser Rolle.

Unterhaltsames Actionkino

Der einzige Ausfall ist Karoline Schuch, die die zuständige Staatsanwältin und Max' Ex spielt. Schuch im Genrekino als toughe Staatsanwältin zu besetzen, ist unbegreiflich. Die Maske hat ihr die falsche Frisur verpasst, die Natur eine zu kleine Statur und ein zu niedliches Gesicht - eine mädchenhafte Staatsanwältin? Eine ähnliche Fehlbesetzung hatte sich Christopher Nolan in seinem ersten BATMAN-Film (2005) mit Katie Holmes als Staatsanwältin geleistet (die er im zweiten Teil durch Maggie Gyllenhaal ersetzte).

Unterm Strich also kein Must See, aber unterhaltsames Actionkino mit sympathischen Charakteren und mit sehr professionellem Handwerk gedreht und montiert. Ich finde, das ist bei einem Kinofilm, dessen wirtschaftliche Möglichkeiten auf dem Weltmarkt aufgrund seiner Sprache begrenzt sind, eine ganze Menge. Es geht noch besser – etwa, wenn die Autoren ihre Schurken-Erpresser-Dialoge nicht aus dem US-TV abschreiben würden –, aber es war den Versuch wert.

Wertung: 4 von 7 €uro
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