Taschenbuchcover: Tod und Teufel
Mörderisch guter Tauchgang
in kölsche Mittelalter
Titel Tod und Teufel
Autor Frank Schätzing, Deutschland 1995
Verlag Emons Verlag Köln
Ausgabe Taschenbuch, 368 Seiten
Genre Köln Krimi (Classic)
Website frank-schaetzing.com
Inhalt

Köln im September 1260: Erzbischof und Bürger versuchen, einander mit allen Mitteln in die Knie zu zwingen. Jeder steht gegen jeden.

Jacop den Fuchs, Herumtreiber und Nichtstuer kümmert das wenig. Ihn interessieren mehr die erzbischöflichen Äpfel. Was ihm allerdings schlecht bekommt: In den Ästen sitzend wird er Zeuge, wie ein höllenschwarzer Schatten den Kölner Dombaumeister vom Gerüst stößt.

Jacop hat den Mord als einziger gesehen. Aber der Schatten hat auch ihn gesehen.

Als wenig später jeder, dem Jacop seine Geschichte erzählt hat, tot ist, wird ihm endgültig klar, dass er zur falschen Zeit am falschen Ort war. Immer deutlicher zeigt sich, dass der Domsturz nur Auftakt einer Intrige ist, die die honorigen und alten Familien der Stadt anzetteln, um der Kirche die Macht wieder zu rauben, die sie ihrerseits durch Intrige an sich gerissen hat.

Das sind keine Gegner für den Fuchs. Sie würden ihn zermalmen. Zum Glück findet er Verbündete. Die schöne Richmodis zum Beispiel und deren Vater. Vor allem aber ihren Onkel, einen Physikus, dem auch der dauernde Genuss eines guten Fässchens Wein den scharfen Verstand nicht vernebelt …

Was zu sagen wäre
Tod und Teufel

Eine Beschreibung des Kölners aus dem vorliegenden Buch:

Jetzt wurde es dem Papst zu bunt. Ein Lamm in seiner Herde, das die Macht der heiligen römischen Kirche und einige ihrer verdientesten Ministerialen mit Füßen trat? Kurz darauf sah sich Konrad exkommuniziert. Der heilige Vater verkündete das Interdikt über sämtliche Orte, an denen sich Konrad und seine Bande aufhielten, und das Ganze hätte wohl ein böses Ende gefunden, wenn nicht etwas vollkommen Absurdes geschehen wäre.

Konrad wurde zum Erzbischof gewählt.

Hätte Konrad Zeit gehabt, hätte er sich wahrscheinlich totgelacht. Leutselig entließ er den alten Propst aus seiner Gefangenschaft, entschuldigte sich bei ihm und strich ihm die Kleider glatt. Was kümmerten ihn die Niederungen seiner Streitigkeiten? Dompropst? Sollte der Alte doch Dompropst bleiben.

Jetzt hatten die Kölner also einen Raufbold zum Erzbischof. Aber Konrad war alles andere als dumm. Er wusste, dass die Kölner mehr als einmal klargestellt hatten, was sie von ihren erzbischöflichen Landesherren hielten, nämlich gar nichts. Irgendwie hatten die Erzbischöfe mit den Kölnern nichts als Ärger. Vor knapp zweihundert Jahren hatten aufgebrachte Bürger Erzbischof Anno aus der Stadt geworfen, weil er für seinen Gast, den Bischof von Münster, ein Kaufmannsschiff beschlagnahmt hatte – Herrgott! Was war so ein Schiff und die paar Waren, die man kurzerhand in den Rhein geworfen hatte, damit der Münsteraner nicht zwischen Flachs und Käse sitzen musste? Aber Anno hatte fliehen müssen, durch einen Gang wie ein Ratte, wahrscheinlich hätten die Kölner ihn sonst totgeschlagen.

Und dann Philipp von Heinsberg, dem sie die Mauer vor die Nase gesetzt hatten, kaum dass er seiner Stadt den Rücken kehrte. Schön zwar, dass die Mauer da war. Aber hätten sie nicht wenigstens fragen können, die Hurensöhne?

Schließlich Engelbert von Berg. Den hatte sein eigener Neffe hinterrücks ermordet. Der Neffe war zwar kein Kölner, aber was tat das zur Sache? Engelbert war der Kölner Landesherr gewesen, und als solcher hatte er dran glauben müssen. Blut klebte an den Händen der Kölner, heiliges Blut!

Und Heinrich von Müllenark? Schulden hatte der gemacht, naja. Was waren Schulden im Dienste des universellen Seelenheils? Was war Geld im Kampf gegen den Teufel? Was ums Verrecken trieb die Kölner Kaufleute – gleich den römischen – auf der Rückzahlung ihrer Darlehen zu beharren, als sei ein Erzbischof ein gemeiner Schuldner, um ihn dann zu allem Überfluss bei Papst Gregor anzuschwärzen, er führe einen unsittlichen Lebenswandel, treibe Unzucht mit den Frauen deutscher Ritter und werfe das Geld für Orgien und Geprasse zum Fenster raus?

Sie waren undankbar und unverschämt, die Kölner!

Aber sie waren auch die erste Handelsmacht im Reich. Genossen landesherrliche Rechte, waren praktisch jetzt schon freie Reichsstadt. Zoll– und Münzwesen lagen in ihrer Hand. Sich mit den Kölnern anzulegen, brachte nur Probleme. Besser also, ihre Rechte anzuerkennen.

( ... )

Vorerst jedoch konnte ihm niemand etwas vorwerfen, im Gegenteil. Eben erst hatte er, der sich in typischer Hochmut auch noch Erzkanzler für Italien titulierte, zwei Gruithäuser errichtet, das 'Medehuys' am Alter Markt und das 'Middes' an der Follerstraße. Damit war zwar auch eine Bierakzise fällig geworden, aber solange die Kölner Bier trinken durften, war ihnen jede Steuer ziemlich wurscht. Niemand hatte die schreckliche Zeit vergessen, anno 1225, als Erzbischof Engelbert kurzzeitig das Bierbrauen verboten hatte. Mit dem Bier nahm man den Kölnern ihren Lebenswillen, das sagten zumindest die Kölner, und die mussten es besser als jeder andere wissen.

Das Buch ist eine Empfehlung meiner Cousine Charlotte und mein erster Köln-Krimi – der längst ein eigenes Genre bildet, was ich bislang ignoriert haben muss (es gibt sogar schon „Bergische Krimis”). Innerhalb dieses Genres tauchen auch CLASSICs auf. Der Verlag schreibt dazu:

Köln wie es war. Die Krimis der Reihe Köln Krimi Classic laden ein zu einer Entdeckungsreise in Kölns Vergangenheit: von der Antike bis zu den 70er Jahren. Genaue Recherchen verknüpft mit Spannung und Witz lassen die alten Zeiten wieder lebendig werden. Nur die Toten bleiben tot.

Die vorliegende Story liest sich flott, wenn auch die dauernde Erwähnung von Straßennamen nervt, die lediglich dem name-dropping dienen - „ein paar Gramm Gewicht auf diese Form von Lokalkolorit” mag durchaus eine Vorgabe des Verlags gewesen sein.

Nach der üblichen Eingewöhnungsphase war ich drin im alten Köln, das den Dom noch als große Baustelle erlebt, auf der der Dombaumeister zu Tode stürzt. Viele Ausflüge in die Frühgeschichte der Stadt, die durch Erzählungen der ein oder anderen handelnden Person eingebaut sind, bremsen etwas den Fluss, sind andererseits aber höllisch interessant. Wer waren die Patrizier? Was waren die Stände? Wie funktionierte Köln eigentlich in dieser Zeit? Schon damals regierte natürlich das Geld die Stadt. Und die kirchlichen Würdenträger waren alles andere, nur keine wahren Christen.

Der Erzbischof, erzählt Richmodis' Onkel, musste mächtiger werden. So sehr, dass er sich im Zweifelsfall für einen seiner Herren (Papst oder Kaiser, die Red.) entscheiden und den anderen auf diese Weise in Bedrängnis bringen konnte. Mit Loyalität hat das nicht viel zu tun. Die Erzbischöfe scheren sich im Grunde einen gewaltigen Dreck um Kaiser und Papst. Sie betreiben auch keine Seelsorge, sondern Politik, das ist alles. Aber ihre Strategie ging auf. Im Lauf der Jahrhunderte wurden sie mächtig genug, dass sie ihre Parteinahme wie eine Gunst vergeben konnten. Aber daraus ergab sich ein neues Dilemma. Wem dient die Stadt?

Das ist typisch Köln: "Mir sin jode Christen. Ävver jläuve dunn mer ja nix!"

Was mich positiv überrascht hat, ist der Witz, mit dem die Geschichte erzählt wird. Keine Spur von einem eher erwarteten Ernst, der Geschichten über die alten Zeiten häufig begleitet. Ob allerdings die Menschen im 13. Jahrhundert schon den Begriff „zynisch” kannten, möchte ich bezweifeln.