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Plakatmotiv: Postman (1997)

Waterworld ohne Wasser
Kevin Costner fällt durch

Titel Postman
(The Postman)
Drehbuch Eric Roth & Brian Helgeland
nach einem Roman von David Brin
Regie Kevin Costner, USA 1997
Darsteller

Kevin Costner, Will Patton, Larenz Tate, Olivia Williams, James Russo, Daniel von Bargen, Tom Petty, Scott Bairstow, Giovanni Ribisi, Roberta Maxwell, Joe Santos, Ron McLarty, Peggy Lipton, Brian Anthony Wilson, Todd Allen u.a.

Genre Science Fiction, Abenteuer
Filmlänge 177 Minuten
Deutschlandstart
12. Februar 1998
Inhalt

Wir schreiben das Jahr 2013: Ein Atomkrieg hat die Erde verwüstet. Einstmals blühende amerikanische Landschaften sind nur mehr Wüste und Ruinen. Der namenlose Einzelgänger fällt in die Hände des mächtigen Bandenchefs Bethlehem. Er kann fliehen und – als Postbote verkleidet – in einer der zahllosen versprengten Gemeinden Unterschlupf finden.

Mit der Uniform, die der Namenlose irgendwo aufgegabelt hatte, trägt der Mann 15 Jahre alte Briefe mit sich herum. Diese Briefe bieten den Verlorenen Trost und Hoffnung.

Plakatmotiv: Postman (1997)Der Namenlose ist bald Vorbild für alle; die Leitfigur für den Aufstand gegen Bethlehem und die Erneuerung der USA …

Was zu sagen wäre

So verstrahlt kann das Land gar nicht sein, dass nicht irgendwie noch irgendwo ein Star spangled Banner flattert – und sei es imaginär. Der US-Amerikaner Kevin Costner beweist, dass beileibe nicht nur deutsche Regisseure (Emmerich / Petersen) US-patriotisches Kino machen können. Seine Mischung aus Der mit dem Wolf tanzt (1990) und Waterworld (1995) ist einer der größten wirtschaftlichen Flops des Jahrzehnts geworden.

Etwa 80 Millionen Dollar hat Costner ausgeben dürfen. Aber schon an den US-Kinokassen kam der Film über 17,6 Millionen Dollar nicht hinaus. Wirklich verwundern tut das nicht. Der Film ist sehr lang für das Wenige, das er erzählt. Der mit dem Wolf tanzt, auch sehr lang, erzählt eine Entwicklung, die ein Mann durchmacht. Neben dessen grandioser Fotografie ist das spannend umgesetzt. In „Postman“ dauert allein die Zwangsrekrutierung und zeitweilige Verfügbarmachung den namenlosen Reiters auf dem Esel – eine etwas alberne Jesus-Allegorie – bald 45 Minuten, in denen aber nur erzählt wird, wie der Namenlose sein Geld verdient – nicht wie andere berühmte Namenlose der Filmgeschichte mit Töten oder Rächen, sondern mit Shakespeare-Stücken, in denen der Esel allen Ernstes die zweite Hauptrolle spielt – , dass der zwangsrekrutierende Warlord, der sich Bethlehem nennt und früher Kopiergeräte verkauft hat, ein gnadenloser Sadist ist, der beim Reise-nach-Jerusalem-Spiel den Stehenbleiber an den Füßen aufhängt und mit dem Schwert zerteilt, und dass alle Welt Angst vor dem Mann und seinen Horden hat. Da können 45 Minuten schon sehr lang werden.

Kevin Costner ("Tin Cup" – 1996; Waterworld – 1995; Wyatt Earp – Das Leben einer Legende – 1994; Perfect World – 1993; Bodyguard – 1992; JFK – Tatort Dallas – 1991; Robin Hood – König der Diebe – 1991; Der mit dem Wolf tanzt – 1990; Feld der Träume – 1989; No Way Out – 1987; Die Unbestechlichen – 1987; Die Sieger – American Flyers – 1985; Silverado – 1985) als Postman ist viel zu … ja, was eigentlich: phlegmatisch? Unbeteiligt? Durch seinen Regiejob abgelenkt?

Ein kleiner Lichtblick ist Will Patton ("Die Abbotts – Wenn Hass die Liebe tötet" – 1997; "Fled – Flucht nach Plan" – 1996; Die Geschichte vom Spitfire Grill – 1996; Copykill – 1995; "Der Klient" – 1994; No Way Out – 1987) als Bethlehem, der wenigstens seine ich-bin-der-Böse-und-leicht-durchgeknallt-Nummer wiederholen kann, die er so gut drauf hat („Wir sind mal eine große Nation gewesen. Weißt Du, was uns groß gemacht hat? Ich kann. Dann kamen die Schwachen daher, ihr Ich Kann Nicht hat uns zerstört. Aber ich werde uns wieder stark machen. Ich bin nämlich der Vater unserer neuen Nation. Und weißt Du, warum ich das bin? Weil ich kann!“). Über Bethlehem verkauft Regisseur Costner ein Frauenbild aus den 70er Jahren. Abby wird von Bethlehem entführt und nur deshalb nicht final vergewaltigt, weil er keinen hoch kriegt – offenbar ist der große Warlord impotent. Daraufhin verprügelt er Abby und gibt ihr die Schuld an seinem Versagen. So sind sie, die bösen Männer: „Du willst einen Krieg?? DU BEKOMMST EINEN KRIEG!!! ICH WURDE! DAFÜR! GEBOREN!!!“).

Plakatmotiv (US): Postman (1997)Manche Totale der Endzeit-Welten ist ganz schön. Costner inszeniert den Nachrichtenüberbringer in wunderschönen Totalen: der Postman in weiter, zerklüfteter Landschaft (Kamera: Stephen F. Windon). Seine Bilder erklären sich selbst: Ein Mensch. In der Natur. Mit klarer Mission. Um dieses leere Land zu befrieden/besiedeln. Es sind tiefe Perspektiven in schwärmerisch leuchtenden Farben.

Und da werden die Vorbilder sichtbar, die Costner im Kopf hatte: John Ford, John Wayne, und der Wilde Westen im grandiosen Monument Valley, auch „Ford Valley“ genannt. Costner erzählt seine Social Fiction im Gewand der Western: Eine Welt will erobert, befriedet werden und es ist noch völlig offen, welcher Art Befriedung die Menschen in der postakopalyptischen Welt huldigen werden. Es ist Waterworld an Land – nur, dass die Menschen hier das Glück verheißende Saint Rose suchen.

Costner ist, wie sein (offensichtliches) Vorbild John Wayne, ein Anhänger des Law-And-Order: Eine freie Gesellschaft funktioniert nicht aus sich heraus, es braucht klare Regeln, eine harte Hand. Die Menschen im friedlichen Teil der kaputten Welt sehnen sich nach Erlösung, dass alles weiter laufe, wie ehedem, sie gieren nach dem Namen des neuen Präsidenten, den Costner ihnen vorlügt, um Hoffnung in sie zu sähen, dass es weitergehen könne wie vor dem verheerenden Krieg. Und Costner inszeniert sich wie sein Vorbild – „Er stellte eine Hoffnung zu“. Wo John Wayne durch Treffgenauigkeit seiner Winchester überzeugte, kann Costner durch sexuelle Fertigkeiten punkten; Abby jedenfalls, die eigentlich nur eine Samenspende braucht, ist ganz hingerissen und mag dann nicht mehr von ihm lassen.

In der Aufgabe eines Postboten, eines Menschen, der die Kommunikation der einfachen, straighten US-Bürger wieder etabliert, findet der Namenlose den wahren Sinn seines Lebens: Kommunikation ermöglicht Wissen. Wissen ermöglicht Zivilisation – „Du hast Hoffnungen verteilt, wie man Süßigkeiten verteilt.“ Zivilisation ermöglicht die Wiederherstellung des ehemaligen Status Quo, die Wiederhergestellten Vereinigten Staaten. Als dann Warlord Bethlehem skandiert „Die Vereinigten Staaten existieren nicht mehr!“ … da ist dem Zuschauer im Kinosessel klar: Dieser Führer ist unendlich böse!! Er will keine USA mehr. Kommunikation ist alles in dieser verseuchten, rechtsfreien Welt, in der die einfachen Menschen ihre Hoffnung auf den Erlöser setzen, der als Vertreter der (nicht mehr existierenden) Regierung auftritt. Postman gleich Messias, der Erlöser. Er muss Zweifler überzeugen und darf Gläubige nicht enttäuschen. Das ist deftig für einen durchschnittlichen Abenteurer.

Prompt akzeptiert er in seiner neu aufgebauten Postman-Staffel einen 67-Jährigen, der weder reiten noch laufen kann, der aber „Erfahrung hat“. Das ist der Drang, ein Land neu aufzubauen und irgendwie als Idee ganz schön: Erfahrung zählt mehr als spezifisches Können. Dass Arbeitgeber sowas mal sagen, davon tröumen arbeitslose Mittfünfziger überall in der Welt. Aber Erfahrung alleine verteilt keine Briefe. In der apokalyptischen Welt, in der „Postman“ spielt, ist aber physische Kraft wertvoller – so wertvoll wie in unserer durchstruktrierten Welt die Erfahrung.

Abzug in der B-Note: Der finale (Faust)Kampf zwischen Bethlehem und dem Namenlosen ist mehr moralisch als spannend, ist sehr spießig inszeniert: „Wäre es nicht großartig, wenn Kriege nur von denen ausgefochten würden, die sie angezettelt haben?“ Das Feuilleton mochte den Film nicht. Weil er rein erzähltechnisch nicht viel zu bieten hat. Aber er hat Potenzial für den Menschen im Kinosessel, der nach Zerstreuung strebt. Er bekommt mächtige Potentaten, gewitzte Revolutionäre und eine moralisch unangreifbare Botschaft.

Was also könnte man diesem Film vorwerfen – außer dass ihn der reaktionär auftretende Waterworld-Regisseur Kevin Costner gedreht hat? Dieses Feuilleton konnte auch mit John Wayne nie viel anfangen. „Postman“ ist ein interessanter Abenteuerfilm, der halt nicht nach 80 Millionen Dollar aussieht, und auch kein Must See darstellt. Kurz: In der Liste Der eine Kino-Neustart, den Sie diese Woche gucken sollten, steht er nicht an erster Stelle. Es sei denn für die grandiosen Bilder, die die große Leinwand besser gebrauchen können, als den heimischen Bildschirm.

Wertung: 4 von 11 D-Mark
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