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Plakatmotiv: Der Pate (1972)

Ein Familen-Epos, das
man nicht ablehnen kann

Titel Der Pate
(The Godfather)
Drehbuch Francis Ford Coppola
nach dem gleichnamigen Roman von Mario Puzo
Regie Francis Ford Coppola, USA 1972
Darsteller

Marlon Brando, Al Pacino, Diane Keaton, Robert Duvall, Richard S. Castellano, James Caan, Sterling Hayden, Talia Shire, John Marley, Richard Conte, Al Lettieri, Abe Vigoda, Gianni Russo, John Cazale, Rudy Bond u.a.

Genre Drama, Crime
Filmlänge 175 Minuten
Deutschlandstart
24. August 1972
Website thegodfather.com
Inhalt

Don Vito Corleone ist das Oberhaupt der New Yorker Familie, einer der ganz Großen der amerikanischen Unterwelt. Zur Hochzeitsfeier seiner Tochter Connie geben sich die anderen mächtigen Paten die Ehre.

Don Vito beherrscht das illegale Glücksspiel an der Ostküste. Für die armen italienischen Einwanderer ist er der „Pate”. Vielen hat er den Weg geebnet, in New York sesshaft zu werden, hat Politiker und hohe Polizeibeamte gekauft und darüber ein dichtes Netz von Beziehungen geknüpft, die seine Machtbasis sichern. Seine Politik ist einfach: „Eine Hand wäscht die andere!” Diejenigen, denen er hilft, sind ihm einen Gefallen schuldig.

Aber die Zeiten ändern sich: Nicht mehr Glücksspiel verspricht den großen Gewinn. Rauschgift verspricht weit höhere Rendite. Die Forderung der anderen Familien, seine Kontakte zu Politik und Polizei zu nutzen, lehnt Don Vito jedoch ab. Er ahnt, dass Amtsträger Drogentote nicht so leicht tolerieren können, wie verbotenes Glücksspiel.

Sein „Nein“ hat fatale Folgen: Die großen Familien stellen sich gegen ihn, Don Vito wird auf offener Straße niedergeschossen, wird schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht.

Sein designierter Nachfolger, Sohn Sonny, ein Heißsporn, erklärt den Kriegszustand zwischen den Familien, schickt seine Leute „auf die Matratzen”. Vitos zweiter (und heimlicher Lieblings-) Sohn, Michael, hingegen, der sich aus mörderischen Familienangelegenheiten bisher rausgehalten hatte und zum Entsetzen der Familie in die US-Army gegangen war, will den Konflikt anders lösen, sieht keinen Sinn darin, sich gegenseitig abzuschlachten.

Der in „Familiengeschäften” gänzlich unerfahrene schlägt Sonny und seinen Leuten ein riskantes Manöver vor, in dessen Verlauf er, Michael, den Drahtzieher im Rauschgiftgeschäft und dessen Verbündeten, den New Yorker Polizeichef, kaltblütig erschießen will …

Was zu sagen wäre

Der Mensch ist des Menschen Wolf. Unterm Strich ist diese Saga über einen Mafiapaten in New York, den im Film niemand so nennen würde, weil die echte Mafia das mit der Drohung von Gewerkschaftsstreiks verhinderte, die Geschichte einer Dynastie, einer Regierung, in der der Stärkere die Oberhoheit innehält. Francis Ford Coppola sagt über das Epos: „Den Paten habe ich mir immer als die Geschichte eines großen Königs mit drei Söhnen vorgestellt. Dem ältesten wurden seine freundliche Natur und kindlichen Eigenschaften, dem zweiten seine Leidenschaft und Aggressivität und dem dritten seine Schläue und kühle Überlegenheit vererbt.

Filmszene: Das Attentat auf Don Vito Corleone"The Godfather" ist ein gewaltiger Gangsterfilm, der zeitgenössische Probleme der USA transparent macht und in reißerischer Verpackung als perfekte Unterhaltung anbietet. Der Begriff Mafia taucht im Film nicht auf. Das war Bedingung der Filmgewerkschaften, ohne deren Mitarbeit der Film nicht hätte gedreht werden können – Autoren, Kameraleute, Schauspieler – sie alle sind im US-Filmgeschäft gewerkschaftlich organisiert. Wer nicht in der Gewerkschaft ist, bekommt kein Engagement.

Mit "Mafia" keine Gewerkschaft, ohne Gewerkschaft kein Film

Coppola hatte also jede Menge Politik zu moderieren – und ganz nebenbei auch noch einen gewaltigen Film. Drei Stunden dauert der und rollt ein Gesellschaftsporträt aus, in dem sich jeder in jedem wiederfindet – die kleine Ratte ebenso wie der gönnerhafte Onkel wie der unerbittliche Chef.

Die brutale Realität sickert tröpfchenweise in diesen Film, der mit einer fröhlichen Hochzeit beginnt, die Coppola uns aber zunächst kaum zeigt – hier mal ein Lachen, dort ein Tänzchen, hier Schaulustige, dort Corleones Ältester, Sunny, der Pressefotografen vom Gelände scheucht, die uns verdeutlichen, da feiert einer Hochzeit, der vom FBI beobachtet wird und, schlimmer noch, von der Öffentlichkeit (in Person der Fotografen). Das sind aber die Ausreißer in diesem ausführlichen Opening, in dessen Zentrum zwei Gesichter im abgedunkelten Raum stehen – das eine gehört einem Flehenden, das andere einem Zuhörenden. Der Zuhörende soll eine Ungerechtigkeit richten, die dem Flehenden widerfahren ist. Vom ersten Frame an ist klar: Der Zuhörende mit der imposanten Kinnpartie ist der Mächtige. Der Flehende steht stellvertretend für viele, die kommen und flehen. Die unheimliche Macht des Zuhörenden wird sichtbar, ohne dass Francis Ford Coppola einen Tropfen Blut zeigen muss.

Die Politik dieser Gesellschaft, die in Boulevardblättern ehrenwert genannt wird, funktioniert verschwiegen, mit Worten während einer Hochzeit. Und nach etwa 40 Filmminuten liegt dann ein blutiger Pferdekopf in der Seidenwäsche eines Filmproduzenten. Spätestens da weißt Du: Das ist ernst.

Zwei Köpfe im Halbdunkel

Die sechsminütuge Eingangssequenz mit zwei Köpfen im Halbdunkel, einer brutalen Geschichte, einem Handel „unter Freunden“ zeigt alles, was die Macht des Paten ausmacht. Erst dann springt Coppola mit Lust in den Pomp einer sizilianischen Hochzeit, die mit verschwenderischer Lust inszeniert ist und dabei nicht versäumt, die Mechanismen dieser Gesellschaft offenzulegen.

Dabei ist sich Coppola seiner Verantwortung für das millionenschwere Filmbudget bewusst. Er weiß schon – abseits von schwelgerischer Kulisse und großem Kostüm – wie er Spannung aufbaut, hält und steigert. Die Dramaturgie ist storydriven und bildstark inszeniert und gespielt. DVD-Cover: Der Pate (1972) Da sticht zum einen Robert Duvall heraus (THX 1138 – 1971; M.A.S.H. – 1970; Bullitt – 1968), der des Paten Consiglieri Tom Hagen spielt, einen integren Mann, den wir im Kinosessel auf unserer Seite wissen, was eine Kunst ist unter den vielen Verrätern, die der Film nach und nach entlarvt. Tom Hagen können wir immer vertrauen.

Coppolas großer Kunstgriff namens Al Pacino

Al Pacino ist Coppolas anderer Kunstgriff in diesem Film. Wie souverän der seine Figuren einführt, sieht man an einer Szene nach Luca Brasis Tod (Brasi war bis zu seinem Schluss der ergebene Killer des großen Don). Da bekommen Don Vitos Söhne Sonny und Michael plus dem Kriegsrat einen in eine schusssichere Weste eingelegten Fisch, welche die Nachricht überbringt „Luca Brasi liegt bei den Fischen“. Coppola schneidet, während alle aufgeregt durcheinander schnattern, auf Michael, der den bis dato rätselhaft verschwundenen Luca gerade zum wiederholten Male anrufen soll, in diesem Moment aber den Hörer aufs Telefon knallt. Dieser einfache Schnitt zeigt: Michael ist die Hauptfigur im Raum – nicht mehr Sonny, nicht mehr Tom. Nur Michael. Das findet seine Fortsetzung, als Michael den Plan erläutert, wie man Capt. McCluskey und Sollozzo aus dem Verkehr zieht. Da erfasst die Kamera einen Raum, in dem mehrere Männer stehen und fährt, während Michael seinen Plan erläutert, immer näher an Michael heran, bis dessen Gesicht bildfüllend ist.

Al Pacino als Michael Corleone war den Studiobossen nicht genehm. Pacino war damals ein unbekannter Kleindarsteller, die Produzenten wollten einen veritablen Star, der auch James Caan (El Dorado – 1966) in der Rolle des wilden Sonny Paroli bieten konnte. Um Pacino durchzuboxen, genügten Probeaufnahmen mit Diane Keaton, die als Michaels Freundin Kay Adams in dem Projekt dabei war.

Elegant, klug, blutig

Coppolas Film ist ein visuelles Feuerwerk – elegant, klug, wunderschön. Eine Szene, in der ein Verräter gerichtet wird, setzt Coppola in ein wogendes Weizenfeld, an dessen Horizont wir die Statue of Liberty sehen. Mitten im Weizenfeld ein Auto, in dem dem Verräter drei Kugeln in den Kopf gejagt werden. Selten war Mord so elegant wie in Coppolas Familiensaga – denn nichts anderes ist letztlich dieser Film als eine Familiensaga, die uns zeigt: Amerika wurde nicht von unabhängigen Männern (oder Frauen) regiert; es waren immer Clans, die sich Pfründe sichern konnten.

So dunkel verschworen der Film beginnt, so exaltiert blutig endet er. Das Finale, in dem Michael Corleone, während er seinen Sohn taufen lässt, alle seine Feinde meucheln lässt, sucht im Kino seinesgleichen. Am Anfang wie am Ende – da ist Coppola einzigartig.

Mario Puzos Roman war schon ein Bestseller, als Coppola 1971 begann das Buch zu verfilmen. Nach Ankündigung des Projekts kam es zu Kontroversen und Auseinandersetzungen mit der italo-amerikanischen Bürgerrechtsliga, mit Senatoren, Kongressabgeordneten und Vertretern des Gesetzes aus dem Staat New York. Auch Ol' Blue Eyes Frank Sinatra war nicht begeistert. Im Film gibt es den Charakter eines italienisch-stämmigen Sängers, der in Hollywood in Ungnade gefallen ist und daher eine Rolle in einem großen Film nicht bekommen wird. Marlon Brando ist Don Vito Corleone Nachdem Don Vito dem Produzenten ein Angebot hat machen lassen, das dieser nicht ausschlagen kann (Stichwort: Pferdekopfszene), bekommt der Junge die Hauptrolle, die sein Durchbruch werden soll – Parallelen zu Frank Sinatras Comeback als Pvt. Angelo Maggio in From here to Eternity (dt. Verdammt in alle Ewigkeit – 1954) sind schwer zu übersehen.

Marlon Brando mit Watte im Kiefer

Produzent Albert S. Ruddy und Regisseur Coppola machten sich an die Besetzung, die ausgerechnet in den beiden Schlüsselrollen massive Probleme hervorrief. Francis Ford Coppola wollte Marlon Brando als Don Vito, aber der war den Filmbossen nicht nahezubringen (Queimada – Insel des Schreckens – 1969; Spiegelbild im Goldenen Auge – 1967; "Die Gräfin von Hongkong" – 1967; Ein Mann wird gejagt – 1966; Morituri – 1965; Meuterei auf der Bounty – 1962; Der Besessene – 1961; Sayonara – 1957; Die Faust im Nacken – 1954; Der Wilde – 1953; Julius Caesar – 1953; Viva Zapata – 1952; "Endstation Sehnsucht" – 1951). Brando galt als larmoyant und aufsässig. Man mochte ihn in den oberen Etagen Hollywoods nicht. Als die Produzenten dann die Probeaufnahmen mit dem Schauspieler sahen, der den Don Vito gab, waren sie überzeugt, ihre Entscheidung gegen Brando mit diesem unbekannten aber wunderbaren Schauspieler rechtfertigen zu können.

Sie staunten nicht schlecht, als Coppola sie darauf hinwies, dass sie gerade Marlon Brando gesehen, ihn nur nicht erkannt hatten. Brando liefert eine großartige Vorstellung, Coppola und er haben verstanden, dass wirklich machtvolle Menschen nicht laut zu werden brauchen, und Brando spielt den Don mit hoher, feiner, asthmatischer Stimme – ein vielschichtiger Charakter, ein erbarmungslos mordendes Monster, ein Mann mit bürgerlichen Werten, ein liebevoller Großvater, ein sterblicher alter Mann in einer harten Schale aus Macht und Kontrolle. Das Problem, den 46-jährigen Brando für die Kamera um zwanzig Jahre altern zu lassen, half der Maskenbildner Dick Smith zu beheben, der für den Film Little Big Man kurz zuvor den 32-jährigen Dustin Hoffman als 121-jährigen Greis geschminkt hatte.

"The Godfather" wurde für 10 Oscars nominiert und gewann in der Kategorie "Bester Film". Francis Ford Coppola teilte sich mit Mario Puzo den Oscar für das Drehbuch und Marlon Brando wurde in der Kategorie "Männliche Hauptrolle" ausgezeichnet.

Wertung: 9 von 9 D-Mark
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