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Plakatmotiv: Minority Report (2002)

Spielbergs 20. Film im 30. Jahr
zementiert seine Wandlung

Titel Minority Report
(Minority Report)
Drehbuch Scott Frank + Jon Cohen
nach einer Kurzgeschichte von Philip K. Dick
Regie Steven Spielberg, USA 2002
Darsteller

Tom Cruise, Colin Farrell, Samantha Morton, Max von Sydow, Kathryn Morris, Neal McDonough, Spencer Treat Clark, Steve Harris, Peter Stormare, Patrick Kilpatrick, Ramona Badescu, Kathi Copeland, Kirk B.R. Woller, Paul Wasilewski, Shannon O'Hurley u.a.

Genre Science Fiction, Thriller
Filmlänge 145 Minuten
Deutschlandstart
3. Oktober 2002
Inhalt

Washington im Jahr 2054: Die Zahl der Morde in der Stadt ist binnen weniger Jahre auf Null gesunken. In diesen wenigen Jahren – sechs Jahre genaugenommen – hat die Zeit der PreCrime-Abteilung bei der Staatsanwaltschaft begonnen. Unter Leitung von Chief Anderton werden Tötungsdelikte vorhergesehen, verhindert und die „künftigen Täter” für immer in hochmodernen Verwahrarchiven weggeschlossen.

Mutanten machen die Vorhersagen möglich, sogenannte PreCogs (Pre Cognition), Kinder einst drogenabhängiger Eltern, die genetisch in die Lage versetzt sind, das unnatürliche Ende eines Lebens zu sehen. Es sind drei PreCogs, die – miteinander verbunden – im „Tempel” von PreCrime unter Drogen gesetzt, schlummern und sehen. Es sind ein männliches Zwillingspaar und Agatha, die stärkste der drei Seher. Chief Anderton ist vom System überzeugt. Es hat immer funktioniert. Und wenn jetzt das US-Justizmnisterium daher kommt, das Programm auf seine Tauglichkeit hin prüft, es ggf. bundesweit über– und ihm damit wegnehmen möchte, macht ihn das nicht wirklich nervös – der ihm in väterlicher Freundschaft verbundene Oberstaatsanwalt hat noch immer Wege gefunden, das PreCrime-Programm zu schützen.

Gerade haben die PreCogs wieder eine Mordwarnung gegeben: In 36 Stunden wird ein Mann erschossen und aus dem Fenster stürzen. Anderton macht sich an die Arbeit. Er muss herausfinden, wo das Verbrechen begangen wird, warum es begangen wird, wer es begehen wird, denn die PreCogs spucken nur zwei Namen aus – Opfer und Täter – aber keine Adresse. Noch bevor der Täter des neuen Verbrechens genannt wird, hat Anderton die Wahrheit herausgefunden: Er selbst wird der Mörder sein. Er wird einen Mann erschießen, den er – noch – gar nicht kennt.

Schon ist ihm seine Einheit auf den Fersen. Überall kann er mittels moderner Technologie erkannt und gefasst werden. Andertons einzige Chance ist etwas, von dessen Existenz er bislang selber nichts wusste: Minority Report. Manchmal gebe es bei den drei PreCogs abweichende Prognosen, findet er heraus. Zum Beispiel sieht einer der drei gar keinen Mord – oder einen anderen Mörder. Daraus wird ein Minderheits-Report, der später unauffällig vernichtet wird; derlei Fehler im System kann die Einheit nicht gebrauchen.

Andertons einzige Chance besteht darin, Agatha aus dem Tempel zu entführen, weil allenfalls sie einen Minority Report über seinen künftigen Mord haben könnte. Aber dafür braucht Anderton erst einmal neue Augen. Und längst muss der ehemals überzeugte PreCrime-Chief an seinem System zweifeln: Wenn es diese Minority Reports gibt, wieviele Unschuldige hat Anderton dann wohl ins „Archiv” gebracht?

Was zu sagen wäre

Auf den ersten Blick ist Minority Report die optische Fortsetzung von Spielbergs A.I. – Artificial Intelligence. Die Zukunft ist grau-blaustichig und hält viele lustige Gadgets bereit, die das tägliche Allerlei erleichtern. Auf den zweiten Blick wird schnell der Unterschied zu A.I. deutlich: Damals verbeugte sich Spielberg mit geometrischen Raumfluchten vor der Arbeit Stanley Kubricks, heute dominiert alltägliche Unordnung jeden noch so modernen Raum. Die aseptische Keksbröselfreiheit des künftigen Computerzeitalters bleibt aus.

Ein ThinkTank für die realistische Zukunft und ein paar süße Gadgets

Im Vorfeld des Films wurde viel darüber gesprochen, dass Spielberg vor Drehbeginn einen ThinkTank eingerichtet hätte, in dem sich namhafte Zukunftsforscher mit der Frage auseinandersetzten, wie der Mensch im Jahr 2054 wohl leben werde. Diese Erkenntnisse hat Spielberg weidlich eingesetzt und großartige Sets schaffen lassen. An anderen Stellen hat er seinem Spieltrieb aus früheren Tagen freien Lauf gelassen: Ob der Straßenverkehr innerhalb von 50 Jahren wirklich dreidimensional – vorwärts, rückwärts, hoch, runter – verläuft, mag fraglich sein. Und roboterhafte „Spinnen“ als Hausdurchsuchmaschinen mag es geben, sicher aber werden sie keine so goldigen Einlagen haben, wie bei Steven Spielberg.

Ein spannender Film. Wunderbar ausgestattet. Tom Cruise (Vanilla Sky – 2001; Magnolia – 1999; Jerry Maguire: Spiel des Lebens – 1996; Mission: Impossible – 1996; "Interview mit einem Vampir" – 1994; Die Firma – 1993; Eine Frage der Ehre – 1992; In einem fernen Land – 1992; Tage des Donners – 1990; Geboren am 4. Juli – 1989; Rain Man – 1988; Cocktail – 1988; Die Farbe des Geldes – 1986; Top Gun – 1986; Legende – 1985; Der richtige Dreh – 1983; Die Outsider – 1983; Lockere Geschäfte – 1983; Die Kadetten von Bunker Hill – 1981) tut wie immer sein Bestes, was hier bedeutet, dass er bewundernswert mit unsichtbaren Gadgets umgeht, die erst nach den Dreharbeiten mittels CGI ins Bild gebaut werden. Dass seine Figur von der Frau getrennt lebt, ist irgendwie typisch für einen Film-Cop. Plakatmotiv: Minority Report (2002) Dass er seinen Sohn verloren hat, bleibt über weite Strecken eher nervendes Beiwerk – weil so alt bekanntes Erzähl– und Motiv-Muster. Die große Qualität des Drehbuchs von Scott Frank erweist sich darin, dass am Ende die Fäden verknüpft sind – auch solche, mit denen man gar nicht gerechnet hat. Die Schwächen liegen im Detail und sind so offensichtlich, dass der erfahrene Routinier Spielberg sie offenbar bewusst unbearbeitet lässt:

  • Im HighTech-Überwachungsstaat lässt sich der gejagte PreCrime-Chief neue Augäpfel einsetzen, um den allgegenwärtigen Scannern ein Schnippchen zu schlagen, aber ins Allerheiligste – der Tempel der PreCogs – kommt er mit seinen alten Augäpfeln, ohne, dass irgendwo ein Alarm schrillt.
  • Die Rolle des Augenarztes – wunderbar: Peter Stormare – bleibt auf halbem Weg stecken. Eigentlich hat er eine Rechnung mit Anderton offen. Aber die wird nicht eingelöst.

Der Blick in die Zukunft bleibt ein Kreuz

Zur Spielwiese für alle Zeitphänomen-Streiter wird gleich die ganze Ausgangssituation: Wenn ein Mord vorhergesehen und dann verhindert wird, wie kann er dann vorhergesehen werden? Wenn die Zukunft aber – und also – mehrdeutig ist, worin liegt dann die absolute Sicherheit des PreCrime-Systems (das mit dem Minority Report nicht hinreichend in Frage gestellt wird)? Der Film „Minority Report“ ist ungeachtet dieser Mängel großes Kino. In den Trailern wird überraschend viel Wert auf den Action-Gehalt der Story gelegt. Der Film selbst löst das – zum Glück – nicht ein und liefert stattdesssen eine komplexe Story mit Action-Einlagen, die von überraschenden Wendungen geprägt ist.

In vielen Details beweist Spielberg seine Ausnahmestellung. Seine Kinooptik, seine visuelle Erzählkraft sprengen jedes Korsett kleinteiliger Moment-Kritik. In mehreren Interviews gab er nach dem Film bekannt, künftig keine programmierten Blockbuster à la Jurassic Park mehr drehen zu wollen – er müsse sich nichts mehr beweisen. Da hat er Recht. Sein neues Kino ist etwas schwerblütiger als die früheren Spielfilme, aber immer noch absolutes State of the art of movie making!

Wieder einer von Philip K. Dick

Pferdefuß? Max von Sydow! Die schauspielerische Qualiät des Mannes steht außer Frage, auch hier bringt er sie ein. Aber von Sydow trägt schwer am Sean-Bean-Effekt. Wenn er mitspielt, ist seine Figur jene, welche Dreck am Stecken hat. Das ist Hollywood-Gesetz.

Die Vorlage dieses Thrillers stammt von Philip K. Dick, nach dessen Vorlagen entstanden die Filme Blade Runner (USA 1982) und Total Recall (USA 1990).

Wertung: 5 von 6 €uro
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