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Kinoplakat: Leb wohl, meine Königin!
Höfischer Zerfall
ratlos inszeniert
Titel Leb wohl, meine Königin!
(Les adieux à la reine)
Drehbuch Benoît Jacquot + Gilles Taurand
nach einer Novelle von Chantal Thomas
Regie Benoît Jacquot, Frankreich, Spanien 2012
Darsteller Léa Seydoux, Diane Kruger, Virginie Ledoyen, Noémie Lvovsky, Xavier Beauvois, Michel Robin, Julie-Marie Parmentier, Lolita Chammah, Marthe Caufman, Vladimir Consigny, Dominique Reymond, Anne Benoît, Hervé Pierre, Aladin Reibel, Jacques Nolot u.a.
Genre Drama
Filmlänge 100 Minuten
Deutschlandstart
31. Mai 2012
Inhalt

Versailles am Vorabend der französischen Revolution. Im fernen Paris stürmen die aufgebrachten Bürger die Bastille. Bei Hofe geht davon unbeeindruckt alles seinen royalen Gang. Für Sidonie beginnt ein weiterer Tag zwischen höfischer Etikette und frivolem Treiben bei Hofe. Sie ist die Vorleserin der Königin Marie Antoinette, für die sie in stiller Bewunderung entflammt ist. Heimlich stickt Sidonie für die Herrscherin eine Dahlie und bitte inständig, der Königin dies nicht zu verraten – sie will nicht aufgrund ihres Talents als Stickerin eingesetzt werden und damit den Zugang zu der von ihr Begehrten verlieren.

Aber Marie Antoinette behandelt Sidonie einmal wie eine Freundin, im nächsten Moment von oben herab und harsch. Sie hat am Hof keinen guten Ruf, weil sie die von ihr begehrte Gabrielle de Polignac mit Privilegien und ihrer Gunst bedenkt. Die Kunde vom Sturm auf die Bastille versetzt Bedienstete und Höflinge in Aufregung und Angst. Viele von ihnen setzen sich ab. Die Königin möchte sich nach Metz in die dortige Festung zurückziehen, um von dort dann auf Paris zu marschieren. Sie lässt bereits packen, verbrennt Briefe und Dokumente wie etwa ihre Ausgabenliste für Gabrielle dePolignac und bricht zusammen mit einer Hofdame die Schmucksteine aus ihren Fassungen, um sie leichter mitnehmen zu können. Sie gesteht Sidonie ihre Zuneigung zu Gabrielle de Polignac und wie sehr sie das Verlangen für diese gefangen nimmt.

Marie Antoinette gibt der Polignac den Befehl, sich in Sicherheit zu bringen. Deshalb verkleidet diese sich als Zofe und ihr Mann als Kutscher. Sidonie muss in Gabrielles seidenes Kleid schlüpfen und die Baroness spielen, um deren Leben zu schützen …

Was zu sagen wäre

Der Film eröffnete am 9. Februar 2012 die Berliner Filmfestspiele. Er zeigt höfischen Glanz im Verfall, adliges Gebaren in Arroganz und schmollender Anerkennung von Realitäten da draußen. Der Verfall beginnt schleichend und wird dann plötzlich für Jedermann sichtbar: Bedienstete tragen wertvolle Spiegel aus dem Palast, Zofen treten ohne gemachte Haare auf, die Königin irrt mit Kandelaber durch die dunklen Gänge des Gesindetracktes.

Léa Sedoux (Midnight in Paris - 2011; Mission Impossible: Ghost Protocol - 2011) ist eine wundervolle Sidonie – intelligent, jung, naiv, schön und natürlich kann sich Regisseur Benoît Jacquot nicht verkneifen, ihr eine Nacktszene aufzudrücken – die ist zwar ebenso unnötig, wie die von der anderen Schönheit, Virginie Ledoyen, aber wo sie doch so schön ist … 65 Jahre alte französische Regisseure, die seit Mitte der 1970er Jahre von historischen Romanverfilmungen über Dokumentarfilme bis hin zu Beziehungsfilmen, Dramen, Komödien, Kurzfilme und einer Opernverfilmung Filme drehen, dürfen in Frankreich so was, ohne langweilige Fragen hysterischer Frauenverbände ertragen zu müssen.

Sidonie strahlt Jugend aus „wie eine Sonne”, sagt die Königin. Die wird gespielt von Diane Kruger, unter Wolfgang Petersen vor acht Jahren immerhin noch der Kriegsgrund zu Troja, die neben den atemraubenden Sedoux und Ledoyen als Königin ganz schön abgelebt wirkt. Die Autorität einer Königin nehme ich ihr nicht ab. Sie zickt rum, wirkt fahrig und warum Vorleserin Sidonie über die höfische Untertänigkeit so auf sie steht, bleibt ein Rätsel. Es braucht sogar einen Ideenklau aus den „Liaisons dangereuses” (1998), um die Verlorenheit der Königin zu zeigen – damals schmierte sich Glenn Close die Schminke aus dem Gesicht, als sie alles verloren hatte – heute Marie Antoinette. Ebenso Behauptung bleibt Sidonies Eifersucht auf die sehr schöne, rassige Gabrielle. Und das, obwohl der Film streng aus Sidonis Perspektive erzählt.
Sehr schön ist die Handlung auf der Metaebene: Der Zerfall der Ordnung, in der sich die Menschen an das Hergebrachte klammern, das sie kennen und die Königin gleichzeitig verfluchen als Vertreterin der alten Ordnung und sie berauben.

Und wir lernen: "Die Königin hat noch nie selbst eine Tür geöffnet."

Wertung: 4 von 7 €uro
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