Die Pariserin Barny, eine Witwe, lebt mit ihrer halbjüdischen Tochter während der Besatzungszeit in einer kleinen Provinzstadt. Die Kommunistin möchte dieTochter zum Schutz vor Verfolgung katholisch taufen lassen. Bei der Vorbereitung der Taufe kommt Barny dem Pfarrer Léon Morin nahe.
Léon kann den Zweifeln der überzeugten Atheistin Barny mit theologischen Argumenten entgegnen. Barny beschließt darauf, sich zur Taufe vorzubereiten …
„Sie trugen komische kleine Filzhüte mit wippenden Federn. Ohne die Abzeichen der faschistischen Armee hätte man sie für eine Komödiantengruppe halten können.“ Mit diesem Eingangs-Statement Barnys aus dem Off sind Zeit und Stimmung gesetzt. „Unser Städtchen war von Mussolinis Soldaten besetzt!“
Solange Barny aus dem Off ihre Situation erläutert, erleben wir im Kinosessel eine starre Gesellschaft mit ebenso starren Fronten. Dann kommt der erste Kontakt im Beichtstuhl, und schon schwebt der Film auf erleichterndem Intellekt. Melville inszeniert diesen ersten Kontakt im Beichtstuhl, als gäbe es die trennende Wand zwischen beiden nicht; in anderen wieder zeigt er, dass Priester und Eva die (vergitterte) Wand des Glaubens trennt – Ego te absolvo. Die Bekehrung ist eine verfilmte Diskussion zwischen Zweiflerin und Intellektuellem über Gott, die sich in Büchern manifestiert. „Ein Atheist fände bestimmt Gegenargumente …“ Die Manifestation des Glaubens ersteht in regelmäßigen Gesprächen zwischen Barny und dem Geistlichen.
Jean-Paul Belmondo, dieser virile Kerl des französischen Kinos als zurückhaltender Priester – das ist eine Schau für sich. Melville inszeniert seinen intellektuellen Diskurs mit der Leidenschaft des Filmemachers. Während seine Figuren die Theorie des Glaubens deklinieren, feuert Melville alle Ideen eines begabten Filmemachers auf die Leinwand. Es ist anstrengend, dem Film zu folgen, sich in dem Glaubensgebäude einzurichten. Aber es ist eine große Freude, der Inszenierung dieses dauernden verfilmten Dialogs zu folgen.
Nach dem Roman von Beatrix Beck (1952) inszenierte Jean-Pierre Melville ein subtiles und wahrhaftiges Frauenporträt, die Geschichte einer unmöglichen Liebe, eines Priesters und einer falschen Konversion. Er hält die theologischen Elemente der Erzählebenen durch die kämpferische Haltung des von Jean-Paul Belmondo imponierend verkörperten Priesters Morin in produktiver Schwebe.
1963 zum Start des Films in den deutschen Kinos veranlasste die FSK erhebliche Kürzungen des Originals, da das religiöse Empfinden weiter Bevölkerungskreise verletzt würden. Beanstandet wurden die Szenen, in denen sich die Protagonistin in den Priester verliebt und ein Spiel zwischen den beiden abläuft, das den Geistlichen in Grenzsituationen bringt. Ebenso musste die Absolutionsszene gestrichen werden, da zu diesem Zeitpunkt noch keine Reue von Barny gezeigt wurde. Noch vor der Kontrolle durch die FSK hatte der Verleiher alle Hinweise auf die deutschen Besatzer entfernen lassen, da die Szenen handlungsarm seien.
Die Erstaufführung der rekonstruierten deutschen Fassung erfolgte am 29. März 1991 im ZDF.
Auf Empfehlung des Priesters liest Barney die Jesus-Biographie des Theologen Karl Adam, der im NS und danach einen Lehrstuhl in Tübingen innehatte. James Clark zieht daraus den Schluss, dass Léon Morin selbst aus der Tübinger Schule stammt und mit einem Hinweis auf Heidegger geht er auf die Faszination rechten, nonkonformen Denkens ein. Aus dem Werk des jüdischen Atheisten Melville sticht „Eva und der Priester“ als Singularität heraus, hat Melville sich doch eher mit seinen kühlen, dystopischen Noir-Thrillern wie Der eiskalte Engel und 4 im roten Kreis als Godfather des Nouvelle-Noir-Krimis in die Filmgeschichte eingeschrieben.