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Plakatmotiv: The Circle (2017)

Ein Film, fünf Jahre
hinter seiner Zeit

Titel The Circle
(The Circle)
Drehbuch James Ponsoldt & Dave Eggers
nach dem gleichnamigen Roman von Dave Eggers
Regie James Ponsoldt, VAE, USA 2017
Darsteller

Emma Watson, Tom Hanks, Karen Gillan, Glenne Headly, Bill Paxton, John Boyega, Patton Oswalt, Ellar Coltrane, Poorna Jagannathan, Mamoudou Athie, Ellen Wong, Fred Koehler, Nate Corddry, Elvy Yost, Eve Gordon, Jimmy Wong, Hunter Burke u.a.

Genre Drama, Science Fiction
Filmlänge 110 Minuten
Deutschlandstart
7. September 2017
Website thecircle.movie
Inhalt

Als Mae Holland durch die Vermittlung ihrer Freundin Annie einen Job bei dem weltweit dominierenden Internet-Unternehmen „Circle“ bekommt, ist sie überglücklich. Für sie ist es eine einmalige Gelegenheit.

Das Ziel der Firma: sämtliche Aktivitäten der User verknüpfen und in einer Online-Identität vereinen. Mit immer neuen technologischen Fortschritten soll eine Welt der völligen Transparenz geschaffen werden. Mae ist begeistert von den Visionen des charismatischen Firmengründers Eamon Bailey und kann Bedenken, wie die ihres Ex-Freundes Mercer, nicht verstehen.

Das Firmengelände, wo die Mitarbeiter rundum versorgt werden, und ihre Arbeit werden nach und nach zu Maes Lebensmittelpunkt. Nur der mysteriöse Ty bringt sie zum Stutzen. Er behauptet, auch ein Mitarbeiter zu sein, doch Mae kann ihn im Computer, der zu jeder Zeit anzeigt, wo sich die Mitarbeiter gerade befinden, nicht finden. Trotzdem kennt Ty auf dem Gelände Türen und Gänge, die nirgends verzeichnet sind.

Und er versucht, Mae zu warnen …

Was zu sagen wäre

Da ist also dieser Konzern, der the Best of Google, facebook, Youtube, Twitter und Apple vereint und der a better world verspricht, der euphemistisch verkündet, alles zu wissen sei besser als nur Wissen. Die Digital Natives sind euphorisiert ob dieser neuen Offenheit und steigen begeistert ein, lassen sich überall filmen, sind immer online und finden es super, mit totaler Transparenz den Hinterzimmer-Mauscheleien in Politik, Wirtschaft und Halbwelt entgegenzutreten. Und stellen mit einem Mal fest, das totale Transparenz Schatten hat, die mitunter tödlich enden.

Das ist beeindruckende Scienc-Fiction, die tut, was gute SciFi tun sollte: die uns bekannte Welt in die nahe Zukunft zu denken und dann zu extrapolieren. Dave Eggers hat das 2013 in seinem Roman The Circle getan und einen beklemmenden Hit gelandet. Das war vor nicht mal fünf Jahren. Jetzt hat James Ponsoldt, zusammen mit Eggers, daraus einen Film gemacht, einen Science-Fiction-Thriller, dem man gar nicht viel vorwerfen kann, außer, dass er fünf jahre zu spät kommt – vielleicht sogar zehn. In seinem Roman beobachtet Eggers viel mehr als jetzt im Drehbuch die gesellschaftlichen Zwänge, denen Mae ausgesetzt wird, denen ihre Familie und ihr Freund Mercer ausgesetzt werden. Er beschreibt das schleichende Gift, die verführerischen Schmeicheleien all dieser ewig jungen, hippen Leute, die den Circle-Campus bevölkern; es ist das Portrait der Digital Natives in ihrem – ausgebauten – Habitat. Der Film hat dafür keine Zeit, stellt die Thrillerelemente in den Vordergund.

Emma Watson ist als Mae eine wunderbare Besetzung. Ich nehme dieser jungen Frau ihre Begeisterung sofort ab, in diesem Zentrum der modernen Kommunikation arbeiten zu dürfen, all diese schönen Gadgets haben zu dürfen und diesen total super netten Boss zu haben, der so mega erfolgreich und bar jeder Vorstellung reich ist und trotzdem die einfachen Dinge liebt und über sich selbst lachen kann. Plakatmotiv (US): The Circle (2017) Aber warum sie von jetzt auf sofort den großen Schritt in die Totalüberwachung mitmacht, sich bereit erklärt 24/7 online zu sein, beobachtbar von jedermann weltweit, bleibt im Dunkeln.

Eben noch ist sie ein wenig erschlagen von der aufdringlichen Freundlichkeit, mit der ihr das Social-Media-Team des Circle klar macht, dass sie der Community nicht einfach verschweigen könne, dass sie Kajak fahre, dass sie übers Wochenende nicht auf dem Campus war, weil sie ihren Vater besucht hat, der an Multipler Sklerose erkrankt ist – „Hast Du Dich in einer der drei Gruppen mit MS-Angehörigen gemeldet?“; da hat sie sich gerade noch gewundert, welche Geheimnisse der Erfinder und Gründer des Circle, Ty Lafitte ihr mit auf den Weg gegeben hat – und im nächsten Moment lässt sie sich von ihrem charismatischen Boss Eamon Bailey für dessen golden-finsteren Zwecke einspannen. Diesen Spagat – eben überfordert, jetzt mittendrin – schafft nicht mal Emma Watson, die ihre Rolle mit natürlicher Unaufgeregtheit und ängstlicher Ausgesetztheit interpretiert.

Im Buch ist der Duck auf sie viel größer, da ist der am Anfang des Prozesses stehende Kajak-Unfall nur ein Teilaspekt, es spielen da auch noch ein sehr analoges Paar auf einem alten Hausboot eine Rolle sowie der Stress, unter dem die junge Mitarbeiterin steht, will sie ein hohes Rankinbg innerhalb der Beliebtheits-Hierarchie erreichen; dieses Ranking wird hier einmal erwähnt und dann nicht mehr thematisiert. Es ist blöd, Verfilmung und Romanvorlage zu vergleichen, Film ist ein anderes Medium mit anderen Bedürfnissen. Aber beide Medien brauchen Überzeugung und Glaubwürdigkeit in ihrer Erzählung. Die fehlt hier bisweilen, auch weil der geheimnisvolle Tyler hier so gar nicht geheimnisvoll ist, Mae also auch keine Möglichkeit bekommt, die digitallen Innereien des Circle auf der Suche nach diesem Ty zu erkunden. Tyler ist der freie Radikale im Gründer-Trio des Circle – ohne weitere Auswirkungen. Die Filmemacher werden es kaum geahnt haben, aber Tyler nimmt vorweg, was seit 2017 vermehrt durch die Blogs rauscht: ehemalige leitende Mitarbeiter bei facebook, Apple oder Google, die jetzt die Öffentlichkeit vor ihren eigenen Erfindungen warnen und deretwegen zu Kreuze kriechen – Was habe ich getan?

"The Circle" ist kein Film zum in die Tonne treten. Man kann ihn gut schauen, nicht nur – aber auch – wegen der gut aufspielenden Emma Watson. Das cremefarbene, mit viel Glas durchsetzte Set-Design ist den High Potential Permormers eines Welt-Campus' angemessen, Darren Aronofskys Haus-Kameramann Matthew Libatique (Money Monster – 2016; Straight Outta Compton – 2015; Noah – 2014; Ruby Sparks – Meine fabelhafte Freundin – 2012; Cowboys & Aliens – 2011; Black Swan – 2010; Iron Man – 2008) leuchtet es elegant und schnörkellos aus, die Grafiken des Desktop-Designs sind gelungen.

Tom Hanks ist großartig. Komisch, dass man das mal extra erwähnen muss, nachdem Hanks heute zu der kleinen Riege von Schauspielern gehört, die man so hinnimmt, von denen man weiß, dass sie nie schlecht sind (Inferno – 2016; Sully – 2016; Ein Hologramm für den König – 2016; Bridge of Spies – Der Unterhändler – 2015; Saving Mr. Banks – 2013; Captain Phillips – 2013; Cloud Atlas – 2012; Ladykillers – 2004; Forrest Gump – 1994; Philadelphia – 1993; Schlaflos in Seattle – 1993; Eine Klasse für sich – 1992; Joe gegen den Vulkan – 1990; Scott & Huutsch – 1989; Geschenkt ist noch zu teuer – 1986; Splash – Jungfrau am Haken – 1984). Andererseits: Schauspielerische Ausrufezeichen hat er jetzt schön länger keine mehr gesetzt. Hier tut er das. Seine charismatische Interpretation des Eamon Bailey, einer Mischung aus Steve Jobs, Elon Musk und Mark Zuckerbergs älterem Bruder ist eine Show für sich – nichts für eine Oscarverleihung, aber er, Hanks, hält den Film über Wasser; wenn er einen ganzen Saal voller Mitarbeiter mit Visionen einer besseren, ehrlicheren, gerechteren, weil total überwachten Welt um den Finger wickelt, ist da große Leidenschaft spürbar, die so aussieht, als hätte Regisseur James Ponsoldt (The Spectacular Now – 2013) nur zwei, drei Stichworte zum Inhalt des jeweiligen Auftritts gesagt und Hanks dann frei von der Leber weg los performed.

Und unterm Strich bleibt noch etwas: Beklemmung. Weil ich Zeuge einer übers Internet losgetretenen Menschenjagd werde, die nicht in der Zukunft stattfinden wird, irgendwann, wenn es sowas wie den Circle mal gibt. Es gibt all diese Techniken und Möglichkeiten ja längst. Nicht in so ganz der smarten Form, wie im Film. Aber Menschen hängen schon heute dauernd über ihren Smartphones und lassen sich verführen. Im Film hetzen Menschen, die es doch gar nicht böse meinen sondern einfach nur nicht abseits, einmal im Rampenlicht stehen wollen, einen unschuldigen Menschen in den Tod. Zu wissen, dass solche Idioten heute schon in meiner Nachbarschaft leben und ich – vielleicht aufgrund einer Verwechslung, vielleicht aufgrund eines komischen Gewinnspiels – ihr Opfer werden könnte, lässt mich frösteln. Zehn Minuten später steht der show-betroffene Tom Hanks auf der Bühne und sagt mit belegter Stimme, dieser Unfall hätte nie passieren können, wenn auch das Auto und der Fahrer schon mit Circle vernetzt gewesen wäre …

Ein bisschen gruselt auch diese Verfilmung des perfieden Romans von Dave Eggers.

Wertung: 5 von 8 €uro
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