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Plakatmotiv: Das Böse unter der Sonne (1982)

Bei all diesen Charakter-Karikaturen
freuen wir uns ehrlich über einen Mord

Titel Das Böse unter der Sonne
(Evil Under the Sun)
Drehbuch Anthony Shaffer
nach dem gleichnamigen Roman von Agatha Christie
Regie Guy Hamilton, UK 1982
Darsteller

Peter Ustinov, Colin Blakely, Jane Birkin, Nicholas Clay, Maggie Smith, Roddy McDowall, Sylvia Miles, James Mason, Denis Quilley, Diana Rigg, Emily Hone, John Alderson, Paul Antrim, Cyril Conway, Barbara Hicks u.a.

Genre Krimi
Filmlänge 117 Minuten
Deutschlandstart
30. September 1982
Inhalt

Der belgische Privatdetektiv Hercule Poirot wird von der „London Trojan Insurance Company“ beauftragt, den Verbleib eines kostbaren Diamanten zu klären, der seinem ursprünglichen Eigentümer, dem mehrfachen Millionär Sir Horace Blatt, im Rahmen einer Blitzaffäre mit einer Dame aus dem Showbusiness abhandengekommen ist. Seine Ermittlungen führen Poirot in das exklusive Luxushotel „Chez Daphne“, der auf einer idyllischen Insel im Mittelmeer gelegenen ehemaligen Sommerresidenz des Königs von Tyrrhenien, die dieser seiner einstigen Mätresse und jetzigen Hotelierin Daphne Castle für „ihre Verdienste“ überlassen hat.

Auf der Insel findet sich nach und nach eine illustre Gesellschaft ein: Zu dem bereits in dem Hotel weilenden Ehepaar Myra und Odell Gardener, zwei Showproduzenten aus New York, und Rex Brewster, einem Autor, stoßen der junge, attraktive Patrick Redfern und seine nervöse, überspannte und etwas verhuschte Ehefrau Christine sowie Stammgast Kenneth Marshall; begleitet wird dieser von seiner halbwüchsigen Tochter Linda sowie seiner frisch angetrauten Ehefrau, der einstmals gefeierten, aber nicht mehr ganz jungen Schauspielerin, Sängerin und Tänzerin Arlena Marshall, geborene Stuart.

Schnell macht sich die allürenhafte Arlena Marshall bei allen unbeliebt: Allzu offensichtlich flirtet sie mit dem sportlichen, durchtrainierten Patrick Redfern, Plakatmotiv (UK): Evil under the Sun – Das Böse unter der Sonne (1982)der sich von den Umwerbungen der reifen Frau geschmeichelt fühlt, und stößt damit dessen Ehefrau Christine, eine sensible Künstlernatur, die sich aufgrund ihrer vielfältigen Überempfindlichkeiten an der Teilnahme an den sommerlichen Vergnügungen gehindert sieht, in tiefe Selbstzweifel. Kenneth Marshall, der grundsolide, treuherzige, aber trotz allem gehörnte Ehemann der Actrice, lässt sich nur schwer von der offensichtlichen Untreue seiner Gattin überzeugen, will aber dennoch nicht von dem Grundsatz „… bis dass der Tod uns scheidet …“ lassen; auch die Tatsache, dass seine pubertierende Tochter Linda von ihrer neuen Stiefmutter ständig schikaniert wird, kann daran nichts ändern.

Daphne, auf der Bühne einstmals Arlenas Rivalin und mit dieser noch immer in tiefer Animosität verbunden, hält dabei zu Kenneth und seiner Tochter, für die sie aufrichtige Gefühle empfindet. Myra und Odell Gardener hingegen bemühen sich verzweifelt, die einstmals gefeierte Diva für ihre neueste Produktion zu gewinnen, ein Ansinnen, das diese jedoch unter ostentativem Hinweis auf ihren neuen Zivilstand schroff zurückweist. Da die Rechte an der Show bereits zusammen mit dem zugkräftigen Namen „Arlena Stuart“ verkauft sind, droht dem zweitklassigen Produzentenehepaar damit der Bankrott.

Auch der schmierige Klatschreporter Rex Brewster sieht sich vor einem finanziellen Debakel: Nicht zuletzt mit Hilfe seiner Insiderkenntnisse aus der Showbranche hat er soeben eine Biografie über die einstige Broadway-Ikone fertiggestellt, durch deren Verkauf er seinen Lebensunterhalt zu bestreiten hofft. Allerdings wartet das Buch mit einigen pikanten Details auf, weswegen von einer Autorisierung des Werks keine Rede sein kann. Schließlich stellt sich heraus, dass es sich bei der flatterhaften Dame, die Horace Blatt unter Vorspiegelung falscher Tatsachen um einen Diamanten erleichtert hat, um eben jene unsympathische Zeitgenossin handelt, die ihre Liebesbeute natürlich nicht herausrücken will (oder kann).

Als am folgenden Tag Arlena Marshall in einer einsamen Bucht, in der sie sich mit ihrem Liebhaber in spe zu einem Tête-à-tête verabredet hatte, erdrosselt aufgefunden wird, haben also alle Anwesenden für die Tat ein Motiv – für die Tatzeit aber ein hieb- und stichfestes Alibi. Trotz dieser Widrigkeit findet Hercule Poirot schnell einen Fehler im Mordkomplott …

Was zu sagen wäre

Nun also doch noch die dritte Hercule-Poirot-Verfilmung. Nach Mord im Orient-Express (1974) und Tod auf dem Nil (1978) reist der belgische Meisterdetketiv auf ein griechisches Eiland, auf dem es von menschlichen Hyänen nur so wimmelt. Man könnte auf den Gedanken kommen, dass Guy Hamilton (Der wilde Haufen von Navarone – 1978; Finale in Berlin – 1965), der einst den virilen britischen Agenten James Bond zu Ruhm brachte (Goldfinger – 1964; Diamantenfieber – 1971; Leben und Sterben lassen – 1973; Der Mann mit dem Goldenen Colt – 1974), sich den Frust, nicht mehr so ruhmreiche Filme zu drehen, mit Zynismus von der Seele zu filmen – schon seine vorherige Agatha-Christie-Verfilmung, Mord im Spiegel (1980), versammelte ja so einige Oversized-Zicken vor der Kamera.

Das jedenfalls ist das Problem dieses Films, dessen Figuren allesamt keine Menschen sind, sondern Kunstfiguren, die Charakterschwächen personifizieren. Die Männer in diesem Film sind wahlweise naive Millionäre, die sich ihre Jugend mit der Hochzeit eines Broadway-Starlets zu verlängern suchen, gut gebaute Burschen, die ihr Hirn in der Gesäßmuskulatur tragen, Roddy McDowall spielt einen grässlich überzeichneten, schwulen Journalisten mit Zickencharme und exaltierter Augen-roll-Pose, und James Mason schließlich (Sprengkommando Atlantik – 1980; "The Boys from Brazil" – 1978; Der Himmel soll warten – 1978; Steiner – Das Eiserne Kreuz – 1977; Der Mackintosh Mann – 1973; Der Untergang des Römischen Reiches – 1964; Lolita – 1962; Der unsichtbare Dritte – 1959; Julius Caesar – 1953) gibt als hilfloser Theaterproduzent das ebenso zynische wie verzweifelte Alter Ego Guy Hamiltons.

Und die Frauen? Als Mann im Kinosessel muss ich dem Schicksal dankbar dafür sein, dass Ausgaben, wie die da oben auf der Leinwand im eigenen Leben nicht vorkommen. Diana Rigg ist eine ununterbrochen schlecht gelaunte Ziege, die über Alles und Jeden schimpft, Plakatmotiv (US): Evil under the Sun – Das Böse unter der Sonne (1982) Silvia Miles ist als Gattin James Masons reduziert auf die boshafte Frau, die ihren Mann für alles Elend in der Welt verantwortlich macht, Jane Birkin (Tod auf dem Nil – 1978; Ein irrer Typ – 1977; Der Swimmingpool – 1969) ist weinerlich und fühlt sich unter Wert beachtet und lamentiert über beides so leidenschaftlich, dass man sich fragt, wie der Muskelmann ihr verfallen, ja, sie freiwillig heiraten konnte – das muss mit jenem Hirn in der Gesäßmuskulatur zusammenhängen.

Alles an diesem Film – Posen, Kostüme, heimliche Blicke, der Score, ja selbst tote Karnickel, an denen sich die Maden gütlich tun – ist derart überzeichnet, dass es Autor Anthony Schaffer (Tod auf dem Nil – 1978; Frenzy – 1972), Regisseur Hamilton und dem produzierenden Studio um eine Gesellschaftssatire gegangen sein muss, die das abgehobene Verhalten der Schönen und Reichen aufspießen will. Aber das wissen wir, die wir den Wert einer Kinokarte manchmal zu genau kennen, doch ohnehin schon. Da atmen wir dann doch erleichtert auf, als Diana Rigg nach gut einer Stunde endlich tot am Strand liegt.

Ab diesem Zeitpunkt treten die weitverzweigten Eifersüchteleien der schön Geschminkten und Reichen in den Hinter- und Peter Ustinov in den Vordergrund (Tod auf dem Nil – 1978; "Drei Fremdenlegionäre" – 1977; Flucht ins 23. Jahrhundert – 1976; Topkapi – 1964; Die Verdammten der Meere – 1962; Spartacus – 1960; Wir sind keine Engel – 1955; Quo Vadis – 1951). Ustinov ist als britischster Belgier der eine Lichtblick des sonnigen Krimis. Der andere ist Maggie Smith, die Hotelbesitzerin Daphne spielt ("Kampf der Titanen" – 1981; "Das verrückte California-Hotel" – 1978; Tod auf dem Nil – 1978; Eine Leiche zum Dessert – 1976).

Die Mordgeschichte im mondänen Art deco-Design der 30er Jahre, der wir nun so erleichtert entgegenfiebern, passt – sofern wir gewillt sind, die Produktion als einen Film zu berachten – nicht zum vorherigen Ton der exaltierten Gesellschaftssatire. Agatha Christies Roman ist den Produzenten offenbar nur Vorwand, ein erlesenes Ensemble von Hochkarätern in mehr oder minder exotischer Kulisse zu versammeln. Die Herren in Knickerbocker, steifes Leinen und Würgekrawatten gezwängt, die Damen in grotesken Kostüm-Entgleisungen.

Wertung: 3 von 9 D-Mark
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