Buchcover: David Gilmour – Unser allerbestes Jahr
Eine schöne Geschichte über das Leben,
das Kino und die anderen Wahrheiten
Titel Unser allerbestes Jahr
(The Film Club)
Autor David Gilmour, Kanada 2007
aus dem Kanadischen von Adelheid Zöfel
Verlag S. Fischer Verlag
Ausgabe E-Book, 256 Seiten
Genre Roman
Inhalt

David braucht viel Kraft, als sein minderjähriger Sohn Jesse ihm offenbart, dass er die Schule schmeißen will. Ok, so der Papa, selbst Autor, Journalist und Filmkritiker, aber nur wenn Jesse sich die Zeit nimmt, mit ihm drei Filme pro Woche anzusehen – freie Kost und Logis.

Von Truffaut über Hitchcock bis hin zu „Basic Instinct“. Nachmittage und Abende gemeinsam auf dem Sofa. Kein Kurs in Filmgeschichte, sondern viel Zeit zum Reden über falsche Freundinnen, die richtigen Drogen, verlorene und gefundene Liebe. Und darüber, wie lebenswichtig Leidenschaft ist …

(aus dem Klappentext)

Was zu sagen wäre
Unser allerbestes Jahr

Sehr rührend. Großartige Vater-Sohn-Geschichte. Da steckt viel Wahrheit drin. Nicht mal so sehr, was die Filme angehet, offenkundig hat Gilmour einen andere Sichtweise auf Film als ich. Sondern Wahrheiten über einfache Dinge wie … Beziehungen etwa … Liebesbeziehungen zu Teenagerzeiten und wie sie auf das spätere Leben ausstrahlen.

Einfache Erzählung mit Miniaturperlen

Gilmour bemüht sich nicht um eine irgendwie literarisch gedrechselte Sprache. Er erzählt in der Ich-Form eine – offenbar authentische – Vater-Sohn-Geschichte, klar und ohne Umwege. Und zwischendrin kommen dann so Miniaturperlen wie diese hier über eine lange verflossene, sehr schmerzhafte Liebe, die er in der U-Bahn sieht (ohne sie anzusprechen): „Sechs Monate lang, vielleicht auch ein ganzes Jahr, ich weiß es nicht mehr so genau, habe ich ihre Abwesenheit gespürt wie Zahnschmerzen. In so vielen Nächten waren wir uns so grenzenlos nahe gewesen, Paula und ich, wir hatten intime Dinge gesagt, intime Dinge getan, und jetzt saßen wir beide in derselben U-Bahn und redeten nicht miteinander. Was ich, als ich noch jünger war, irgendwie tragisch gefunden hätte, aber jetzt dachte ich eher, ich weiß auch nicht, so ist das Leben. Weder fantastisch noch traurig, weder obszön noch lächerlich, einfach nur normal, das Mysterium, dass Menschen in dein Leben treten und es wieder verlassen, ist letzten Endes gar nicht so mysteriös.“ Unmittelbare Gänsehaut – keine großartige Erkenntnis. Aber eine Wahrheit, der ich mir manchmal bewusst werden muss.

Die Motivation des Vaters, seinem Sohn die Schule zu ersparen, wenn er sich dafüpr mit ihm Filme anschaut, mutet zunächst bizarr an und wird nur durch den authentischen Hijntergrund der Geschichte akzeptabel und lange wird auch nicht klar, was Dad eigentlich erreichen will. Zunächst ohne roten Faden, später ein bisschen geordnet nach Kategorien (wie etwa „Drehbuchfilme“ oder „Schundfilme“ oder „Junge Talente“) zeigt er seinem Sohn Filme, erzählt ein bisschen was dazu; aber Lebenserfahrungen wird dabei auch nicht gelehrt. Oh, ich bin der letzte, der seine Kinder nicht am liebsten genau so erziehen würde. Ich wüsste nur nicht recht, was ich ihnen damit beibringen könnte. Ich habe zu viel Leben durchs Kino gelernt, statt durchs Leben selbst. Aber Sohn Jesse lernt offenbar das Hingucken und das Dahinter gucken. und so kommt es auf der Rampe zum Finale zu diesem schönen Austausch: „Jesse war ein jovialer Sieger, gar nicht hämisch, als er sich vom Sofa erhob, um das Geld in seine Arschtasche zu stecken. Er schaute mich nicht an. ‘Ich habe immer gedacht, Michael Ballhaus hätte Klute gefilmt’, sagte ich bescheiden. ‘Ich kann mir denken, warum’, sagte Jesse. ‘Wahrscheinlich hast du an die frühen Fassbinderfilme gedacht. Die sind auch eher körnig.’ Ich fixierte ihn, bis er schließlich meinen Blick erwiderte. ‘Was ist?’, fragte er. Er wusste genau, was war.

Der Babyspeck verschwindet

Und dann gibt es da noch ein schönes Satzbild: Jesse hat sich in den drei jahren, die Vater und Sohn Filme geschaut haben, zweimal sehr sehr verliebt mit allen dazugehörenden Schmerzen, und er hat angefangen zu rappen. Nachdem er lange Raps nachgesungen hat, die er aus den Clubs kennt und also von Ghettokids, einem Leben als Homeboy etc. erzählt, hat er nach einer schmerzhaften Trennung einen rap getextet, der seine Gefühle spiegelt: „Es war der Schmerz wegen Chloë, der diese Begabung freigelegt hatte. Chloë hatte den Babyspeck aus seinen Texten weggebrannt.“ Großartig in seiner Simplizität. Anrührend.

Wieso habe ich von diesem Buch noch nie gehört? Klingt, als sei es für Typen wie mich geschrieben. Meine Kollegin Julia machte mich darauf aufmerksam und fragte immer wieder nach … jetzt also, nach einer etwas enttäuschenden Erfahrung mit Tom Wolfes Back to Blood habe ich „The Film Club“ endlich gelesen. Das ging zügig am 6. und 7. März 2014.