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Kinoplakat: Garden State
Ergreifend schöner Film über
einfach das Wahre Leben
Titel Garden State
(Garden State)
Drehbuch Zach Braff
Regie Zach Braff, USA 2004
Darsteller Zach Braff, Natalie Portman, Peter Sarsgard, Ian Holm, Alex Burn, Kenneth Graymez, George C. Wolfe, Austin Lysy, Gary Gilbert, Jill Flint,Jackie Hoffman, Michael Weston, Christopher Carley, Armando Riesco, Amy Ferguson, Trisha LaFache u.a.
Genre Drama
Filmlänge 102 Minuten
Deutschlandstart
26. Mai 2005
Inhalt

Man kann nicht behaupten, dass Andrew Largeman in seinem Beruf sehr engagiert, erfolgreich gar wäre. Der Schauspieler hat ein paar Zombie-Rollen hinter sich und weil er immer so melancholisch wirkt, bekommt er auch immer nur Toten-Rollen. Meistens also kellnert er in Los Angeles und lässt sich von versnobtem Edel-Pöbel anranzen. Dann stirbt seine Mutter. Daheim, in New Jersey.

Seine Mutter ist in der Badewanne ertrunken. Sie war querschnittsgelähmt. Also fährt Andrew heim, von der West- an die Ostküste. Zum ersten Mal nach neun Jahren. Man kann auch nicht behaupten, dass er ein engagierter Familienbande-Pfleger wäre. Aber das hat wohl Gründe. Der übrig gebliebene Elternteil – Dad – ist ein prominenter Psychater, der seinen Sohn dauernd analysiert oder analysieren lassen will und ihn als Knaben auf ein Internat gesteckt hat, wo er seine Aggressionen in den Griff bekommen sollte. Sein Psychiater hat ihm viel zu starke Medikamente verordnet, als dass er noch sowas wie Freude an irgendwas empfinden könnte.

Die Trauerfeier ist irgendwann vorüber. auf dem Friedhof hat er noch Mark getroffen, einen seiner freakigen Kiffer-Kumpel aus frühen Tagen. Das hat ein paar Parties mit Flaschen-drehen zufolge. Und dann trifft Andrew beim Arzt auf Sam. Das ist in zweifacher Hinsicht bedeutsam. Der Arzt kann Andrew keine Medikamente verschreiben, weil Andrew nicht weiß, wie die Dinger eigentlich heißen, und weil er die anderen alle in LA im Schrank vergessen hat, wacht er langsam auf – gerade rechtzeitig, um zu erkennen, wie herzlich und erfrischend sich Sam auf ihn auswirkt.

Kinoplakat (US): Garden StatePlötzlich hat Andrew etwas, was er seit 20 Jahren nicht mehr hatte: Lebensfreude …

Was zu sagen wäre

Wow! „Guten Tag, mein Name ist Zach Braff und ich möchte eine Geschichte erzählen.” So ähnlich war das wohl. Braff, damals ein bekannter Schauspieler aus der TV-Ärzte-Serie „Scrubs – Die Anfänger”, hatte ein Drehbuch geschrieben, darin, wie er sagt, 80 Prozent Eigenerlebtes verarbeitet, und fand Finanziers. Unter anderem Danny DeVito und dessedn Clique – Leute, die wissen, was gutes Kino ist und wie locker man die Zügel des Erzählnachwuchses lassen muss, damit die Qualität noch nicht kippt.

Gerade heraus erzählt

Schon der Einstieg gelingt launig. Scene-Clipping. Andrew hier. Andrew da. Andrew mit ausdruckslosem Gesicht. Andrew in seiner nahezu leeren Wohnung. Andrew im Flugzeug. Alles ohne Musik. In wenigen Minuten ist ohne Worte klar, dass wir es hier nicht unbedingt mit einem überzeugten Gewinner zu tun haben. Kaum ist der erfolglose Schauspieler daheim und trifft auf seine alte Clique, hört er alle zwei Minuten die Abwandlung jenes Satzes, den jeder kennt, der irgendwas mit Medien macht. „Mein Kumpel schreibt in Hollywood jetzt Drehbücher. So 'ne Geschichte über Snowboarder. Ihr solltet Euch mal kennenlernen.” / „Ich habe da ein paar super Ideen! Wir sollten uns mal treffen!” / „Stimmt es, dass der berühmte Schauspieler X so ein Arsch ist?” Und das meinen diese Typen mit ihrem New-Jersey-Landei-Charme auch noch ernst. Hier kann man nicht bleiben, denkt der Zuschauer und entwickelt starke Sympathien für Andrew.

Die Kamera beobachtet das alles ohne Brimborium – keine Reißschwenks, kein Realismus vortäuschendes Gewackel, keine smarten Fahrten. Sie guckt einfach zu und ist elegant in ihrer Unsichtbarkeit. Es gibt ja auch so genug zu sehen. Lauter skurrile Typen in skurrilen Bildern bei wenig Musik. In einer kleinen, feinen Nebenrolle sehen wir Ian Holm (Der Herr der Ringe – 2001; „Alien” – 1979) als Andrews Vater, den Superpsychologen. Und Holm spielt ihn sophisticated als Un-Dad. Jede Einstellung sagt: Es ist offensichtlich, dass Largeman an einem Wendepunkt in seinem Leben angekommen ist. Sehr fein beobachtet, sehr fein geschrieben, mit viel Sorgfalt entwickelt.

Schöne Dialogzeilen

Und dann stehen so wunderbare Sätze im Dialogbuch: „Könnt Ihr Euch vorstellen, wie jemand um das Recht kämpfen kann, auf einem Wunder der Natur ein Einkaufszentrum zu bauen?” „Die Leute hier lieben ihre Malls.”

„Lass mein Hobby aus dem Spiel. Ich ziehe Dich auch nicht damit auf, dass Du ein Arschloch bist.”

Entzückend.

Natalie Portmann gibt das erfrischende Suburb-Girl, die manchmal zwanghaft lügt und auch sonst aus komischen Verhältnissen kommt. Um einzigartig zu sein, pflegt sie Einzigartiges zu machen. Sie wedelt in ihrem Zimmer etwa glucksend mit ihren Armen und erklärt, das habe vor ihr „noch nie jemand hier gemacht, los Andrew, mach auch was Einzigartiges”.

Natalie Portman übernimmt die Führung

Mit Sams Auftauchen in dem Film verdunstet die Skurrilität des ersten Drittels und übernimmt Portman die Führung. Mit ihrem Auftauchen bekommt der Film eine Richtung, ein Ziel, eine Liebesgeschichte, in der nicht die Geigen herrschen, sonden Portman und Braff. Die Kamera findet Einstellungen, die verdeutlichen, wie die beiden einander näherkommen.

Ohne Ankündigung gibt es den Magic Moment. Im Swimmingpool stehen alle Kumpels inklusive Sam beisammen Nur Andrew steht im flachen Teil. Er kann nicht schwimmen. Was andere Regisseure nun auswalzen als Häme-Parade mit Drama-Appael („seine Mutter ist doch ertrunken”), an deren Ende sich Sam vielleicht aus Mitleid zu Andrew hinwendet, löst Braff mit einer Einstellung, die man sich ruhig mehrmals anschauen kann. Aus Andrews Subjektive sehen wir die Kumpels, dann bewegt sich die Kamera langsam rückwärts, Portman bleibt mit ihr auf gleicher Distanz während die Kumpel langsam zurückfallen. Diese Verlagerung der Beziehungsgewichte in Andrews Kosmos entwickelt sich ganz unscheinbar erst und dann doch so deutlich unmissverständlich, dass man vor Freude im Kinosessel aufjapst. Elegant!!

Der Glaube an ein gutes Script

Die Rollen von Sam (Natalie Portman), Mark (Peter Sarsgaard) und Andrews Vater (Ian Holm) sind, sagte Zach Braff im Presseheft, Braffs gewünschte Idealbesetzung. Die Drehbücher habe er den Dreien zugesendet im Glauben, sie würden sowieso nicht zusagen. Offenbar haben viele Menschen an dieses Script geglaubt.

„Garden State” ist ein Plädoyer für Mehr … Mehr im Leben. Der letzte Satz des Films – nach der einzigen Schwachstelle im Film, um die das Buch aber beim besten Willen nicht herum kommt, es geht da um die Trennung-Liebe-doch-Bleiben-aber-erst-erwachsen-werden-müssen-Kopfwirrnis, die man im Kinosessel längst entwirrt hat – lautet "Was sollen wir machen?"

Wertung: 6 von 6 €uro
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