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Kinoplakat: Liebe auf der Flucht

Die schwungvolle Leichtigkeit früherer Filme
wird von einem leeren Inhalt verschluckt

Titel Liebe auf der Flucht
(L'amour en fuite)
Drehbuch François Truffaut + Marie-France Pisier + Jean Aurel + Suzanne Schiffman
Regie François Truffaut, Frankreich 1979
Darsteller

Jean-Pierre Léaud, Marie-France Pisier, Claude Jade, Dani, Dorothée, Daniel Mesguich, Julien Bertheau, Jean-Pierre Ducos, Marie Henriau, Rosy Varte, Pierre Dios, Alain Ollivier, Julien Dubois, Monique Dury, Emmanuel Clot u.a.

Genre Drama, Romanze
Filmlänge 94 Minuten
Deutschlandstart
24. Januar 1979
Inhalt

Die Ehe von Antoine und Christine Doinel scheitert, nachdem Antoine seine Frau mit deren Freundin Liliane betrügt. Zuvor unterstellte Antoine Christine ein lesbisches Verhältnis mit Liliane. Inzwischen ist er in die Schallplattenverkäuferin Sabine verliebt. Antoine und Christine sind das erste Paar, das sich nach dem neuen Scheidungsgesetz, das beiderseitiges Einvernehmen vorschreibt, trennen. Sohn Alphonse bleibt bei Christine.

Als Antoine den Jungen zum Bahnhof bringt, sieht er seine platonische Jugendliebe Colette und springt zu ihr in den Zug. Die beiden streiten sich wegen der Unwahrheiten in Antoines autobiographischem Roman "Liebessalat". Antoine zieht die Notbremse und flüchtet. Er trifft den Ex-Liebhaber seiner toten Mutter und begleitet ihn zum Friedhof.

Wenig später soll Christine zwischen Antoine und seiner neuen Flamme Sabine vermitteln. Sie trifft zwar Sabine nicht, doch Colette, die in Sabines Bruder, den Buchhändler Xavier, verliebt ist. Die beiden Frauen unterhalten sich über Antoine, welcher derweil in Sabines Arme eilt und ihr eine Geschichte erzählt, die Sabine so sehr rührt, dass sie zumindest versuchen will, mit ihm zusammen zu bleiben …

Was zu sagen wäre

Ich weiß nicht, ob es eine Truffaut‘sche Eigenart seiner Regie darstellt, oder ob es einfach Unvermögen ist: Jean-Pierre Léaud, den ich jetzt zum vierten mal in einem Truffaut-Film sehe, ist mit seinem wenig ausgeprägten Schauspieltalent fehlbesetzt. Wenn er sein Gegenüber ansieht, sieht er nicht sein Gegenüber an, sondern guckt leer geradeaus. Soll er Zärtlichkeit spielen, klatscht er seine Hand über die Wange der jeweiligen Frau, spricht er einen Dialog, lupft er die Augenbrauen und fuchtelt abwechselnd mit Zeigefinger oder Hand. Dazu gesellt sich eine steife Körperhaltung.

Diesem Fönwellen-Typen trau ich keine Ehe zu – nicht mal eine, die wie in diesem Film, nach drei Jahren in die Brüche geht. Aber in diesem Film laufen lauter Protagonisten und Protagonistinnen herum, wie Falschgeld – setzen sich, reden, stehen auf, gehen um einen Baum, setzen sich wieder und sagen dazu seltsame Vergangenheitsbewältigungssätze auf. Es gibt wunderbare Miniaturen, etwa, wenn während der Scheidung Christines und Antoines im dritten Stock unten ein frisch verheiratetes Ehepaar hektisch-glücklich ins Auto einsteigt – Life goes on.

Und ganz nebenbei diskutiert Truffaut weibliche Schicksale in schwierigen Zeiten. Etwa, wenn die auf Aufträge angewiesene Anwältin Colette dem Fön-gewellten Antoine erklärt, wie das wahre Leben Ende der 1970er Jahre aussieht: „Ich werde Ihnen sagen, was aus mir geworden ist. Das Briefchen stammt von dem Kerl auf dem Gang (…) Er bietet mir tausend Francs an, wenn ich mit ihm schlafe, jetzt gleich und hier. Was wollen Sie, Antoine, die Zeiten sind nun mal schwierig. Natürlich habe ich ein abgeschlossenes Jura-Studium, aber jetzt bin ich arbeitslos. Und wie jede Menge andere Frauen, die nicht arg zu übel aussehen, versuche ich es eben. Ja! Ich versuch‘s nachts im Schlafwagen. Das ist meine Spezialität. Der Schaffner bekommt 10 Prozent. Die haben mich jedenfalls verstanden. Wollen Sie mich um tausend Piepen bringen?? Also …“ – unabhängig davon, dass Colette Antoine nur schockieren will, die Botschaft ist beim Zuschauer angekommen.

Der dritte Teil dieser einst schwungvoll erzählten Leichtliebigkeit hat keinen Schwung mehr, was daran liegen mag, dass ein Gutteil des Films aus Rückblenden auf andere Léaud-Truffaut-Filme besteht. Für mehr als ein interessantes Experiment, aus irrealen Filmerzählungen einen eigenen, realen Kosmos zu schaffen, taugt das aber nicht. Es macht den Film in seiner Rückwärtsgewandtheit, in der nach vorne nur irreale Dialoge blicken, schwergängig.

Wertung: 2 von 9 D-Mark
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