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Plakatmotiv: E-M@il für dich (1998)

Konservative Erzählung,
Liebenswerte Figuren

Titel E-M@il für dich
(You've Got Mail)
Drehbuch Nora Ephron & Delia Ephron
nach dem Bühnenstück "Parfumerie" von Miklós László
Regie Nora Ephron, USA 1998
Darsteller

Tom Hanks, Meg Ryan, Greg Kinnear, Parker Posey, Jean Stapleton, Steve Zahn, Heather Burns, Dave Chappelle, Dabney Coleman, John Randolph, Hallee Hirsh, Jeffrey Scaperrotta, Cara Seymour, Katie Finneran, Michael Badalucco u.a.

Genre Romanze, Komödie
Filmlänge 119 Minuten
Deutschlandstart
11. Februar 1999
Inhalt

Kathleen Kelly war eine junge, leidenschaftliche Betreiberin eines Ladens für Kinderbücher. Joe Fox der Inhaber der größten Buchladenkette New Yorks. Der Mann und die Frau waren natürliche Feinde. Bis sie sich in einem Internet-Chat-Room begegneten. Ohne freilich zu ahnen, wer der jeweils andere ist, verliebten sie sich ineinander.

Unter den elektronischen Pseudonymen "NY152", bzw., "Shopgirl" vertrauen die beiden einander alles an – bis auf ihre wahre Identität natürlich. Während aus der Freundschaft im anonymen Internet vorsichtige Liebe keimt, eröffnet Fox seinen nächsten Super-Bookstore, gleich gegenüber von Kathleens Laden. Mit all seinen Billigpreisen, Espresso-Bars und weitläufigem Ambiente ist es nur eine Frage der Zeit, bis Kathleen ihren Laden dicht machen muss.

Kathleen hatte ihr Geschäft von der Mutter geerbt. Es ist eine feste Größe im Viertel seit über 40 Jahren. In ihrer Angst, das Geschäft zu verlieren, vetraut sie sich ihrem gesichtslosen Freund, NY152, an. Sonst wüsste sie niemanden. NY152 schreibt darauhin die für Chatter so gefürchteten Zeilen „Sollen wir uns mal treffen?“ … und Shopgirl geht darauf ein.

Sie wartet jedoch vergebens. Joe Fox steht ganz in der Nähe und erkennt Shopgirls wahre Identität – und stellt fest, dass er sich auch zu dieser hingezogen fühlt. Aber wie soll er sich Shopgirl zu erkennen geben, die Joe Fox und alles, wofür dessen Shops stehen, leidenschaftlich hasst …

Was zu sagen wäre

Multimillionär macht mit seinem "Büchertempel" eine kleine, unabhängige und versierte Händlerin von Kinderbüchern mit ihrem charmanten Laden platt. Und während er in der Folge weiter seine Millionen scheffelt, schwimmt sie ein wenig in den beruflichen Möglichkeiten, die ihr als Fachfrau in Sachen Kinderbuch zur Verfügung stehen, und heiratet schließlich den Multimillionär. Damit ist am Ende allen geholfen: Der Multimillionär kann weiter den Markt anspruchsvoller Autoren nach jenen sieben, die sich auch verkaufen lassen. Und die ehemalige Buchhändlerin heiratet in die Millionen-Dollar-Familie und hat da dann auch ihr Auskommen. Hollywood kann schon sehr zynisch sein, wenn es den zahlenden Zuschauern Liebesgeschichten verkauft.

Moment. Ich spule nochmal zurück.

Der Film fängt an mit solchen New-York-im-goldenen-Herbst-Bildern, zu denen so eine Art Cole-Porter-Frank-Sinatra von der Tonspur schmalzt. Ein sichere Zeichen, dass wir es hier mit einem. modernen Großstadt-Märchen zu tun haben. Die spielen immer in New York, immer im Herbst, wenn die Blätter leuchten und die Sonne schon tief steht, immer singt ein Cole-Porter-Frank-Sinatra-Verschnitt. Und immer wird es zum Heulen schön. Ganz egal, ob zwischendrin gemordet wird wie in Staatsanwälte küsst man nicht (1986), ob zwei von Beginn an so überhaupt gar nicht zusammen passen wollen wie in Harry & Sally (1989) oder ob zwei schon geheiratet haben und sich dann erst ineinander verlieben wie in Barfuß im Park (1980). Am Ende ist es immer dieses spezielle New York, das die Liebenden zueinander bringt.

So ein Film ist "E-M@ail für Dich". Ein Märchen halt. Dafür geht man ja ins Kino. Die Realität hat man ja den Rest des Tages um sich.

Das ist jedenfalls kein Film, für den jemand ein Kinoticket löst, der Bilder der Millionenmetropole New York sehen will, aus denen heraus sich eine Geschichte mit unvorhersehbarem Verlauf entwickelt. Auf dem Plakat stehen die Namen Tom Hanks und Meg Ryan und wenn wir ein Ticket für diesen Film lösen, wollen wir sehen, wie die beiden sich am Ende küssen. Ja, gerne nach einigen Hindernissen und gerne in spätsommerlichem Licht, Hautsache sie küssen sich am Ende und Cole-Porter-Frank-Sinatra singt dazu; im vorliegenden Film sind es die vergleichbar charmanten Carole King, Harry Nilsson, The Cranberries, Billy Williams, Bobby Day, The Paulette Sisters, Bobby Darin, Louis Armstrong, Joni Mitchell, Roy Orbison, Randy Newman, Stevie Wonder und Sinead O'Connor – das sei der Fairness halber dann schon auch erwähnt.

Es ist einfach, den Film abzulehnen. Wegen seiner Verzerrung der Realität. Wegen seines konservativen Weltbildes. Es ist noch viel einfacher, den Film zu mögen, weil er mir gibt, was ich erwarte, weil er wunderschöne Bilder hat – Bilder, die der minutiös geplanten Story untergeordnet sind, und dennoch Gefühle ansprechen, Bilder, die keine eigene Geschichte erzählen, aber jene im Kopf der Zuschauer beleben; weil er von lauter sympathischen Menschen bevölkert ist. Plakatmotiv (US): You've Got Mail (1998) Ob das der hilfsbereite Storemanager von Joe Fox ist, oder die verletzlichen Seelen, die schon immer Kathleen Kelly in ihrem "Shop around the Corner" unterstützt haben, und ihr jetzt lauter Ratschläge in Sachen Liebe mit auf den Weg geben. Oder ob es die beiden erprobten Hauptdarsteller sind, deren Filmcharaktere das jeweils Beste aus dem anderen hervor holen. Die Beziehungen, in denen sie beide stecken, sind okay, klassische Mit-30er Bevor es zu spät ist-Beziehungen ohne Tiefgang. Aber die beiden, so sehr sie sich nicht mögen, ticken auf einer Wellenlänge, selbst wenn sie sich – unerkannt – in den Haaren liegen. Das muss jene Liebe sein, von der alle immer reden.

Nora Ephron variiert ihren Welterfolg Schlaflos in Seattle. Wieder sind es Tom Hanks (Der Soldat James Ryan – 1998; That Thing You Do! – 1996; Apollo 13 – 1995; Forrest Gump – 1994; Philadelphia – 1993; Eine Klasse für sich – 1992; Fegefeuer der Eitelkeiten – 1990; Scott & Huutsch – 1989; Meine teuflischen Nachbarn – 1989; big – 1988; Schlappe Bullen beißen nicht – 1987; Nothing in Common – 1986; Geschenkt ist noch zu teuer – 1986; Alles hört auf mein Kommando – 1985; Der Verrückte mit dem Geigenkasten – 1985; Bachelor Party – 1984; Splash – Jungfrau am Haken – 1984) und Meg Ryan, die einander lieben, ohne sich je begegnet zu sein.

Die Storyline hat sie sich aus dem James-Steward-Klassiker Rendezvous nach Ladenschluss von Ernst Lubitsch geliehen. Für Hanks und Ryan ist es ihre dritte Zusammenarbeit, nachdem sie erstmals 1990 in der ein wenig abseitigen Komödie Joe gegen den Vulkan spielten, Ryan damals gleich in drei Rollen.

Hanks und Ryan sind sympathische Figuren, die ihre Spezialitäten ausspielen können. Tom Hanks ist immer noch ein begnadeter Clown, der aus einer (mutmaßlichen) Regieanweisung wie „zögere beim Schreiben Deiner Mail“ eine charmante kleine Show machen kann. Und Meg Ryan zieht alle Register ihrer herzigen Grübchen (Stadt der Engel – 1998; "In Sachen Liebe" – 1997;  Mut zur Wahrheit – 1996; French Kiss – 1995; Schlaflos in Seattle – 1993; The Doors – 1991; Joe gegen den Vulkan – 1990; Harry und Sally – 1989; Presidio – 1988; D.O.A. – Bei Ankunft Mord – 1988; Die Reise ins Ich – 1987; Top Gun – 1986). Allerdings kann sie nicht vermitteln, dass das Drehbuch ihr die große dramatische Rolle der Verliererin zugeschrieben hat – Kathleen verliert immerhin ihre ganz Existenz und muss sich mühsam etwas Neues aufbauen. Dieses Drama vermittelt weder Meg Ryan durch ein entsprechend depressives Spiel, noch das Drehbuch, das ihr lediglich eine Erkältung andichtet, um sie in ein paar entzückend hibbeligen Szenen inszenieren zu können.

Die Glückstränen im Kinosessel sind im Finale gewiss. Aber ein Film, der wie dieser auf das zahlende Publikum formatiert und deshalb auf ein kluges Storytelling angewiesen ist, wäre noch schöner, noch märchenhafter, wenn jenseits der erfolgreichen Liebesgeschichte die kleine Buchhändlerin dem großen Buch-Hirschen auch geschäftlich ein Gegenüber hätte bieten können.

Wo es doch ein Märchen ist.

Wertung: 10 von 11 D-Mark
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