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Kinoplakat: Die Farbe Lila

Spielberg wechselt die Erzählhaltung
Ein großes Melodram mit großer Emotion

Titel Die Farbe Lila
(The Color Purple)
Drehbuch Menno Meyjes
nach dem Roman von Alice Walker
Regie Steven Spielberg, USA 1985
Darsteller

Danny Glover, Whoopi Goldberg, Margaret Avery, Oprah Winfrey, Willard E. Pugh, Akosua Busi, Desreta Jackson, Adolph Caesa, Rae Dawn Chong, Dana Ive, Leonard Jackson, Bennet Guillory u.a.

Genre Drama
Filmlänge 154 Minuten
Deutschlandstart
21. August 1986
Inhalt

Georgia, 1909: Celie, ein junges Mädchen, von ihrem Vater mehrfach vergewaltigt. Zwei Kinder gebar sie, nun kann sie kein drittes mehr bekommen. Ihr Vater verheiratet sie mit dem benachbarten Farmer Johnson.

Die Ehe zwischen „Mister“ – so redet Celie Albert an – und Celie ist geprägt durch Sklaverei und Gewalt. „Mister“ hat schon mehrere Kinder und Celie lebt zwischen der Versorgung der Kinder und des Hauses und der Brutalität ihres Mannes. Als der Vater sich nun auch an Celies jüngere Schwester Nettie heranmacht, flieht die zu Celie. Weil aber auch Johnson ein Auge auf sie geworfen hat, rechnet sie damit, bald weiterziehen zu müssen. Um dennoch mit ihrer Schwester in Verbindung bleiben zu können, bringt sie ihr Lesen bei und verspricht, Briefe zu schreiben. Es kommt, wie sie es vorausgesehen hat: Nachdem Nettie einen Vergewaltigungsversuch ihres Schwagers abgewehrt hat, jagt dieser sie vom Hof.

Einige Jahre vergehen. Johnsons Sohn Harpo will im Jahr 1916 Sofia heiraten, die bereits schwanger ist. Der Vater verweigert seine Einwilligung, und Harpo fügt sich, aber die resolute junge Frau setzt sich durch. Bald stellt Harpo fest, dass er nicht gegen seine Frau ankommt. Albert Johnson rät seinem Sohn, Sofia zu verprügeln, um sich Respekt zu verschaffen. Celie sagt ihm das Gleiche. Aber dies endet nur mit einem blauen Auge Harpos.

Johnson macht Celie derweil das Leben zur Hölle und bringt eines Tages auch noch seine kranke Geliebte ins Haus: die Bluessängerin Shug Avery. Er will sie gesund pflegen und kocht selbst für sie. Aber sie wirft seine verbrannten Spiegeleier an die Wand und isst erst, als Celie für sie kocht. Die beiden Frauen freunden sich an. Shug reißt Celie aus ihrer Lethargie und weckt allmählich ihr Selbstbewusstsein. Celie lernt von ihr, dass man sich wehren kann …

Was zu sagen wäre

Der Film hat Verspätung. Er beginnt erst, als Whoopie Goldberg die Rolle der Celie übernimmt. In der ersten halben Stunde des Film, als ganz junges Mädchen, spielt Desreta Jackson die Celia. Goldberg, die zum ersten Mal vor einer Filmkamera steht, spielt die Celia für die restlichen 20 Jahre, die der Film da noch überspannt.

Steven Spielberg hat ein großes Melodram inszeniert, zweieinhalb Stunden lang, 30 Jahre erzählte Zeit, große Emotionen, harte Schicksale, Liebe und Hass. Große Lust am Erzählen. Großes Können. Im Mittelpunkt stehen drei Frauenschicksale, neben Celie das der Sängerin Shug, die ein Verhältnis mit Celies jähzornigen Mann, und später auch mit Celie hat und Sofia, die Celies Stiefsohn Harpo heiratet. Spielberg verfilmt den Roman von Alice Walker, der in Briefform geschrieben ist (Celie schreibt an Gott) und Walker war als Beraterin am Set und hat darauf geachtet, dass ihr Buch sorgfältig – nicht buchstabengetreu – verfilmt wird. Wir bekommen demnach einen halbwegs authentischen Blick auf das afroamerikanische Leben in den Südstaaten der USA zu Beginn des 20 Jahrhunderts – 1909 bis 1937. Dieses Leben hat sich von dem der Weißen im Land kaum unterschieden. Mit der doch erheblichen Ausnahme, dass die Weißen die Schwarzen versklavt hatten und sich auch im 20. Jahrhundert noch für die höherwertigen Menschen halten. Sofia wird das dramatisch zu spüren bekommen.

Du bist arm. Du bist schwarz. Und Du bist eine Frau! Was glaubst Du, kannst Du erreichen?“ Das ist die Frage, um die sich Celies unglückliches Leben dreht. Sie sitzt festgenagelt auf ihrer Position, die Männer ihr zugewiesen haben. Sie hat ein bisschen lesen gelernt von ihrer Schwester, damit sie deren Briefe lesen kann, die nie kommen. Sonst kennt sie ausschließlich Männersachen. Für sie gilt die Regel Schnell weg hier: „Das Leben ist schnell vorbei. Der Himmel ist ewig!“ Als ihr Stiefsohn Harpo Schwierigkeiten eingesteht, seiner Frau Sofia ihren Platz im Haushalt zuzuweisen, ist der einzige Rat, den Celia ihm geben kann: „Schlag sie.

Zum ersten mal so etwas wie ein Selbstwertgefühl spürt sie ausgerechnet, als die Geliebte ihres Mannes in ihr Haus einzieht. Ihr Mann benimmt sich nicht nur wie ein alberner Gockel, der sich ohne sie nicht einmal ordentlich anziehen kann. Er steht auch hilflos in der eigenen Küche und weiß weder, wo das Holz für den Ofen noch wo die Butter in was für einem Kühlschrank steht; ohne sie wäre der Mann aufgeschmissen. Im Buch so etwas zu schreiben, zu beschreiben und zu umschreiben, ist für eine versierte Autorin möglich. Das minimal wachsende Selbstwertgefühl im Film erkennbar zu machen, dafür kann ein Regisseur mit fidelndem Score wenig erreichen. er braucht gute Schauspieler. Steven Spielberg hat Whoopie Goldberg.

Goldberg, erfolgreiche Stand-Up-Komikerin mit Rampensau-Qualität, ist in der Lage, in einer Kameraeinstellung ihren Gesichtsausdruck von Agonie über Trauer zu kaltem Hass in überschäumende Fröhlichkeit zu verwandeln. Die Szene, in der Shug, die selbstbewusst auftretende Sängerin, Celie dazu bringt, sich vor dem Spiegel aus ihrer Verkrampfung zu lösen und mal zu lachen, ist wunderbar.

Im Laufe der Jahrzehnte lernen die Frauen, sich aus der männerdominierten Umklammerung zu befreien und in ein eigenes Leben zu starten. Allein dieser Gedanke wäre zu Beginn des Films undenkbar. Auslöser, direkt und indirekt, ist immer "Mister", der prügelnde Ehemann von Celie. Und auch Celies Schicksal öffnet anderen Frauen die Augen, die sich fragen, warum die junge Frau so verschlossen ist und alles mit sich machen lässt. Bei einem ihrer Auftritte widmet Shug Avery Celie ganz persönlich einen Song mit dem Titel "Miss Celie's Blues". Das ist eine ergreifende Szene, was einmal nicht so schwer ist, wenn man einen Song inszenieren kann. Aber wieder können wir zuschauen, was für eine fantastische Begabung Whoopie Goldberg hat, was für eine bezaubernde Ausstrahlung.

"Die Farbe Lila" ist ein bemerkenswerter Film, was in erster Linie an seiner hohen Qualität liegt – elf Oscar-Nominierungen sprechen für sich. Spielberg probiert etwas Anderes. Nachdem er bislang im Spannungskino zuhause war (s.u.), ist ein Melodram über Frauenschicksale in der afroamerikanischen Welt eine angenehme Überraschung. Offenbar will dieser Regisseur sein Ausnahmetalent in unterschiedlichen Genres ausprobieren.

Wertung: 8 von 9 D-Mark
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