Der Mann wurde in stürmischer See treibend von einem Fischerboot vor der französischen Küste aufgelesen. Er war mehr tot als lebendig. In seinem Rücken steckten zwei Kugeln, in seiner Hüfte eine kleine Patrone, die auf ein Schließfach bei einer Schweizer Bank hinweist. Der Mann hat sein Gedächtnis verloren. Wer ist er? Zwei Wochen bleibt er bei den Fischern an Bord, hilft ihnen. In dieser Zeit lernt er, dass er mehrere Sprachen spricht, fließend.
Im Hafen von Marseille geht er von Bord; von dort reist er nach Zürich. In dem Bankschließfach findet er verschiedene Pässe auf verschiedene Namen, viel Geld in verschiedenen Währungen und eine Pistole. Die meisten der Pässe lauten auf den Namen Jason Bourne, wohnhaft in Paris. Zurück auf den winterlich verschneiten Straßen wird er verfolgt; er rettet sich in die amerikanische Botschaft. Dort stellen ihn schwer bewaffnete Soldaten. Der Mann kann entkommen. Er lernt: Er hat die Reflexe und die Erfahrung eines Kämpfers.
Draußen trifft er auf Marie, eine junge Frau, die ziellos in der Welt zu Hause ist. Für 20.000 Dollar bringt sie ihn nach Paris. In seine Wohnung. Während er dort seiner wahren Identität nachforscht, springt ein Mann mit Maschinenpistole durchs Fenster. Den anschließenden Kampf überlebt der Fremde nicht.
Der Mann mit den Pässen auf den Namen Jason Bourne, der in Restaurants als erstes die Notausgänge checkt, die KFZ-Kennzeichen vor der Tür auswendig lernt und jede Person im Laden blind mit Gewichtsangabe beschreiben kann, wird klar, dass er ein Mann sein muss, der Wissen birgt, das ihn das Leben kosten soll.
Während Marie ihn unterstützt und sich dabei in ihn verliebt, muss der Mann lernen, dass seine wahre Identität offenbar die eines Killers ist.
Auf der anderen Seite der Erdkugel setzt eine geheime Abteilung der CIA alles daran, diesen Mann, den auch die Agency als Jason Bourne kennt, sowie seine Begleiterin schnellstmöglich zu eliminieren …
Robert Ludlums Roman "The Bourne Identity" stammt aus dem Jahr 1980 – damals tobte der Kalte Krieg und ein Terrorist namens Carlos verunsicherte die Behörden. Beides spielte in Ludlums Bestseller und den beiden Folgeromanen um die Bourne-Figur eine zentrale Rolle. Im aktuellen Film tauchen sie nicht mehr auf; der Kalte Krieg ist zu Ende, Carlos sitzt hinter französischen Gittern.
Jason Bourne ist gut 10 Jahre jünger geworden, die Marie aus der Vorlage findet sich nicht mehr, und all das stört überhaupt nicht! Die Spannung des Romans, das Tempo und die Rätsel um Jason Bourne bleiben erhalten. Der Film galoppiert rasant und ohne Pause, ohne dabei zum seelenlosen Action-Movie zu werden. Er bleibt charakter driven.
Der herbe Charme der Franka Potente
Matt Damon ("Gerry" – 2002; Ocean's Eleven – 2001; All die schönen Pferde – 2000; Forrester – Gefunden! – 2000; Der talentierte Mr. Ripley – 1999; Dogma – 1999; Der Soldat James Ryan – 1998; Good Will Hunting – 1997; Der Regenmacher – 1997), der sich ordentliche Schultermuskeln antrainiert hat, gibt einen fantastisch dichten Bourne, gibt den perfekten lone wolfe: professionell, wortkarg, souverän – in seinem eigenen Rätsel nur mühsam aufrecht.
In Franka Potente (Blow – 2001; Der Krieger und die Kaiserin – 2000; Anatomie – 2000; Bin ich schön? – 1998; Lola rennt – 1998; Nach Fünf im Urwald – 1995) findet er eine wunderbare Ergänzung. Ihr herber Charme ohne das in solchen Filmen gerne intonierte Gekreische passt besser zur heutigen Zeit. Und wenn sie für Bourne in einem Hotel etwas auskundschaftet und sich statt auf Bournes professionelle Tricksereien auf ihren Instinkt verlässt, ist klar: Die beiden haben sich gefunden. Die Chemie stimmt. Immer ein Schmunzler in der Originalversion: Ihre dauernden deutschen Schimpfereien – die Amerikaner lernen zwei Worte ausgiebig: „Scheiße“ und „Verflixt nochmal“. Für den deutschen Markt wurde Potente prominenter in das Plakatmotiv montiert, das sie in der Originalversion (links) nur bei einem Kuss zeigt.
Wirrer und die Dramaturgie störender Filmschnitt
Zwei Dinge stören: Sehr früh in der Story schneidet das Script auf die CIA in Langley und beraubt damit den Film seines Geheimdienst-Geheimnisses. Die Buchvorlage enthüllt diese Verwicklung erst irgendwo in der Mitte und bietet durch die Frage „Wer oder was ist dieser Bourne nun eigentlich?“ zur Action weit mehr Thrill. Aber verzwickte Geheimnisse sind nicht Sache dieses Films, der als einen der Executive Producers den 2001 verstorbenen Autor Robert Ludlum ausweist.
Regisseur Doug Liman, der sich mit den Low-Budget-Produktionen Go – Das Leben beginnt erst um 3.00 Uhr morgens (1999) und „Swingers“ (1996) einen Namen gemacht hat, meint, dem jungen, VIVA-gestählten Publikum durch hektische Wackelkamera und Bildschnitte alle drei Sekunden gerecht werden zu müssen. Das soll sein Stilmittel sein, um die dauernde unterschwellige Unruhe zu symbolisieren. Dass er mit diesem Trick aber ausgerechnet eine eigentlich rasante Autojagd durch Paris (die an jene rasanten Momente in Ronin erinnern soll) platt schneidet, zeigt, dass er das Stilmittel Montage vielleicht nicht recht durchdrungen hat.
Bourne ist ein Kassenschlager
Der Film war ein großer wirtschaftlicher Erfolg: 60 Millionen US-Dollar betrug das Produktionsbudget, was bescheiden ist für Hollywood-Verhältnisse. Weltweit eingespielt hat der Film 214 Millionen US-Dollar.
"Der Borowski Betrug" wurde schon für das Fernsehen verfilmt. Unter der Regie von Robert Young spielten 1987 Richard Chamberlain ("Die Dornenvögel") und Jacquiline Smith ("Drei Engel für Charlie") in der dreiteiligen Miniserie "Agent ohne Namen".
Die Jason-Bourne-Serie
- Die Bourne Identität (USA 2002)
- Die Bourne Verschwörung (USA 2004)
- Das Bourne Ultimatum (USA 2007)
- Das Bourne Vermächtnis (USA 2012)
- Jason Bourne (USA 2016)