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Plakatmotiv: Requiem for a Dream (2000)
Leben im Rhythmus
des nächsten Schuss
Titel Requiem for a Dream
(Requiem for a Dream)
Drehbuch Hubert Selby Jr. + Darren Aronofsky
nach einem Roman von Hubert Selby
Regie Darren Aronofsky, USA 2000
Darsteller Ellen Burstyn, Jared Leto, Jennifer Connelly, Marlon Wayans, Christopher McDonald, Louise Lasser, Marcia Jean Kurtz, Janet Sarno, Suzanne Shepherd, Joanne Gordon, Charlotte Aronofsky, Mark Margolis, Michael Kaycheck, Jack O'Connell, Chas Mastin u.a.
Genre Drama, Horror
Filmlänge 102 Minuten
Deutschlandstart
3. Januar 2002
Inhalt

Vier restlos gescheiterte Existenzen: Harry ist ein kleiner Dealer in Brooklyn, der immer auf der Suche nach dem nächsten Schuss und voller Hoffnung auf das große Geld ist. Er und sei Freund Tyrone strecken Heroin.

Harrys Freundin Marion ist schön, aus gutem Haus – und ebenfalls hoffnungslos süchtig. Mit dem Dealer Big Tim tauscht sie Sex gegen Dope.

Harrys Mutter hingegen scheint einen Treffer gelandet zu haben: Sie ist als Kandidatin für ihre Lieblings-TV-Show eingeladen. Doch durch ihren exzessiven Pillenkonsum verliert sie völlig den Kontakt zur Realität …

Was zu sagen wäre

Die ganze Welt auf Drogen. Darren Aronofsky (Pi - System im Chaos – 1998) taucht in eine Welt ein, die von Junkies, Dealern, Pillenschluckern, Fernsehsüchtigen und Partyleuten bevölkert ist. Niemand lebt hier ein Leben, wie wir uns das so vorstellen mit Familie und Kindern, vielleicht im Häuschen in den Suburbs. Nein, die Zeiten sind vorbei. Das Leben besteht aus Drogen und/oder Fernsehen. Die einen konsumieren, die anderen besorgen. die einen gucken, die anderen produzieren. und die, die konsumieren und gucken, träumen davon, zu besorgen und zu produzieren.

Und dafür werfen sie schnell noch einen Trip. Aronofskys Film ist reiner Impressionismus. Eine Story im gewohnten Sinne, erzählt er nicht. Es sei denn, wir nehmen den roten Faden Kids-rutschen-ab-in-die-Drogen-Hölle als ausreichende Story. Dann könnte man hier Schluss machen und sagen: Die Erkenntnis hatten wir schon. Dass Drogen nicht in die richtigen Richtung helfen, dafür muss ich mir nicht nochmal zwei Stunden im Kino Zeit nehmen. Großer Fehler wäre das.

„Requiem for a Dream“, die Totenmesse für einen Traum, folgt drei Schicksalen. Da ist Sara Goldfarb, eine ältere, verwitwete Frau, die allein und vereinsamt in Brighton Beach auf Coney Island lebt. Sie lebt für ihren Sohn, der ihren Fernseher regelmäßig zum Pfandleiher rollt, um Geld für Drogen zu bekommen; und sie lebt für die Selbsterfüllungs-Show „Tappy Tibbons Show“, die dauernd Gewinner präsentiert in einer Welt lauter Verlierer. Da ist eben jener Sohn Harry, der mit seinem Kumpel Tyrone davon träumt, mit gestrecktem Stoff das große Geld zu machen, um in einem jahr entspannt im Ruhestand zu sitzen. Und da ist Harrys Freundin Marion, die ihren Harry vergöttert – solange er Stoff ran schafft. Sie alle drei gehen elend zugrunde.

Plakatmotiv (US): Requiem for a Dream (2000)Das darf man verraten, weil der Film ohnehin keine Dramaturgie mit Fallhöhe erzählt – es geht nicht um What's next? Es geht um das Erleben dieser Höllenfahrt. Die inszeniert Aronofsky mit filmischen Mitteln ohne SFX-Mätzchen. Seine Montage ist streng rhythmisch, der Drogenkonsum wirkt wie das One, Two, Three zu Beginn einer Live-Performance. In zunehmend kürzer werdenden Episoden beobachtet er seine Protagonisten beim Niedergang. Besonders beeindruckend dabei: Ellen Burstyn, die große alte Lady des New Hollywood (The Yards – Im Hinterhof der Macht – 2000; Leben und lieben in L.A. – 1998; Die Geschichte vom Spitfire Grill – 1996; Ein amerikanischer Quilt – 1995; „Alice lebt hier nicht mehr“ – 1974; Der Exorzist – 1973; Die letzte Vorstellung – 1971).

Burstyn zerfällt vor den Augen der Filmkamera. Als Sara erfährt, dass sie vielleicht „ins Fernsehen“ kommt, wird sie zum Star in ihrem Häuserblock, lässt sich Pillen verschreiben, um abzunehmen, um wieder in ihr geliebtes rotes Kleid zu passen, wird von den Pillen abhängig und endet zwischen Visionen angriffslustiger Kühlschränke und den Niedergang rhythmisch beklatschendem TV-Publikum. Bei Aronofsky wird das Showprogramm im Nachmittagsfernsehen zu einer eigenen Form von Droge, die erst abhängig und dann irre macht. Das ist, wenn man das hier so liest, keine Neuigkeit. Es ist Kino. Und Kino ist gucken. Nicht lesen.

Im Gucken, bzw. im Zeigen-um-zu-gucken erweist sich Aronofsky als Könner. Wir im Kinosessel sind immer eng bei den Protagonistehn. Das Draußen interessoert uns so wenig, wie die Pusher. Und wenn wir eben noch die strahlend schöne Jennifer Connelly gesehen haben („Waking the Dead“ – 2000; Dark City – 1998; Rocketeer – 1991; „The Hot Spot – Spiel mit dem Feuer“ – 1990; „Die Reise ins Labyrinth“ – 1986; Es war einmal in Amerika – 1984), die ihrem Freund Harry für dessen gute Geschäftsidee einen leidenschaftlichen Kuss gibt und sich dann einen Schuss setzt, wirkt das wie Hey-wir-sind-jung-und-machen-Party. Wenn der Abspann läuft, , ist aus der Party längst ein Albtraum mit Monstern, Wixern und Schleimscheißern geworden.

„Requiem for a Dream“ ist definitiv keine Sonntagnachmittag-Unterhaltung. Das ist harter Stoff.

Wertung: 5 von 6 €uro
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