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Plakatmotiv: Der Wein und der Wind (2017)

Der Wein, das Land, die Menschen.
Klassisches französisches Kino.

Titel Der Wein und der Wind
(Ce qui nous lie)
Drehbuch Cédric Klapisch + Santiago Amigorena + Jean-Marc Roulot
Regie Cédric Klapisch, Frankreich 2017
Darsteller

Pio Marmaï, Ana Girardot, François Civil, Jean-Marc Roulot, María Valverde, Yamée Couture, Jean-Marie Winling, Florence Pernel, Éric Caravaca, Tewfik Jallab, Karidja Touré, Bruno Raffaelli, Eric Bougnon, Marina Tomé, Hervé Mahieux u.a.

Genre Drama
Filmlänge 113 Minuten
Deutschlandstart
10. August 2017
Inhalt

Es ist Spätsommer im Burgund und die Weinernte steht bevor. Der dreißigjährige Jean kehrt nach vielen Jahren der Funkstille auf das idyllische Familienweingut zurück. Sein Vater liegt im Sterben und seine Geschwister Juliette und Jérémie, die das Gut in der Zwischenzeit aufrechterhalten haben, können jede Unterstützung gebrauchen.

So wie sich jedes Erntejahr nach den Jahreszeiten richtet, erkennen die Geschwister, dass manch offene Wunden auch über die Jahre hinweg nicht heilen. Nach dem Papa gestorben ist, müssen die drei gemeinsam entscheiden, ob die Familientradition weitergeführt werden soll oder jeder seinen eigenen Weg geht …

Was zu sagen wäre

Mit der Liebe sei es wie mit dem Wein. Beides müsse sich entwickeln, sagt Jean. Dieser Film feiert die Dauer, also das Leben selbst. Zu Beginn schwelgt er in Bildern prachtvoller Weinberge, die zu jeder Jahreszeit anders aussehen. Jeder neue Tag sei anders, hat der kleine Jean viele Jahre gedacht, wenn er aus dem Fenster seines Zimmers über die Weinberge seines Vaters guckte. Als er dann einigermaßen erwachsen war, flügge geworden, meinte er, sich geeirt zu haben: „Hier ändert sich nie etwas.“ Also floh er – vor seinem Vater, den Erwartungen, Zwängen – und blieb zehn Jahre weg. Unterwegs hat er eine Frau, Alicia, kennengelernt, mit ihr ein Kind gezeugt und mit ihr in Australien selbst ein Weingut gekauft, das noch nicht gut läuft. „Immerhin: Ich habe die Welt gesehen. Also, wenn ich vielleicht eins gelernt hab; dann dass man nie die ganze Welt gesehen hat.

Jetzt ist er zurück in der Gegend, in der sich „nie etwas“ ändert, und diskutiert mit seiner Schwester, ob sie mit der Lese erst am kommenden Montag, oder doch lieber schon am Donnerstag beginnen sollten – weil eben doch jeder Tag entscheidend ist. Cédric Klapisch hat die Quintessenz des französischen Kinos zum Film gemacht: Wein, Frauen und Männer, Gespräche und die Schönheit der Natur. Existenzielle Gespräche der drei Geschwister – gehst Du nach Australien zurück? – werden in schönstem Gegenlicht der Nachmittagssonne geführt, die Bilder taucht Klapisch in warme Farben, und werden große Feste gefeiert, sind alle immer fröhlich, ausgelassen, die Kamera fängt halb leere Rotweinflaschen im Schein der Kerzen und leer gegessene Teller ein; und natürlich über die Liebe frotzelnde Geschwister. Auf einem Fest schickt sich Juliette an, mit einem der Traubenpflücker zu knutschen. Die beiden Brüder kommentieren die Szene aus sicherer Entfernung mit improvisierten (sehr authentisch wirkenden) Dialogen der Turtelnden und sind dann entzückend sprachlos, als ihre Schwester den Mann tatsächlich küsst.

Das Leben am Laufen halten in diesem Film die Frauen, die die Männer sanft in die vernünftige Richtung schubsen, die ihrem Mann gegen die eigenen Eltern zur Seite stehen, die die Wenberge am Blühen halten, wenn die Brüder meinen, woanders wäre es doch auch schön. Alicia fliegt sogar um die halbe Welt, um ihrem Jean klar zu machen, dass er natürlich das Erbe seines Vaters nicht einfach in den Wind schießen soll, aber doch bitte in die Wagschale auch legen, dass er selber nun einen Sohn hat – und ein Weingut in Australien. Darüber diskutieren die beiden unter anderem beim Geschirr spülen und sie sind immer noch ziemlich sickig miteinander. Aber was sich dann am Spülbecken entwickelt, ist kunstvoll Romantik –  ich habe selten eine so emotionale, erotisch aufgeladene Spülszene gesehen.

Die Männer hier sind entweder unentschiedene Blätter im Wind oder Entweder-Oder-Typen. Die Frauen sind die pragmatischen Figuren – fast wie im richtigen Leben. Deswegen schaut man dem Film gerne zu: Er ist fast wie das richtige Leben – das freilich bei uns meist im Büro oder in einer Werkstatt stattfindet, wo wir vom eigenen Weinberg nur allzu gern träumen. Der Streit um die Existenz des Weingutes, geführt mit Schulden und Traditionsbewusstsein, ist für den Zuschauer die Sehnsucht nach dem Realen, dem Erschaffen, dem Kreativen gegen das bloße Geld; der schöne, romantische mit Zuschauer-Träumen und Protagonisten-Erinnerungen aufgeladene Weinberg gegen einfach nur Geld. Es ist nicht direkt ein Generationenportrait. Es ist die Beschreibung der Generationen, der natürlichen Evolution, die sich einfach von Vater auf Sohn von Mutter auf Tochter überträgt – und die wir Großstadtmenschen aus den Augen verloren haben.

Wertung: 5 von 8 €uro
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