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Plakatmotiv (US): Call it Murder – Midnight
Ein Essay über Schuld und Sühne und wie
der eigene Standpunkt alles verändert
Titel Call it Murder
(Midnight)
Drehbuch Paul Sifton
nach einem Theaterstück von Claire Sifton
Regie Chester Erskine, USA 1934
Darsteller
Sidney Fox, O.P. Heggie, Henry Hull, Margaret Wycherly, Lynne Overman, Katherine Wilson, Richard Whorf, Humphrey Bogart, Granville Bates, Cora Witherspoo, Moffat Johnston, Henry O'Neill, Helen Flint u.a.
Genre Crime, Drama
Filmlänge 76 Minuten
Deutschlandstart
24. Januar 2008 (DVD-Release)
Inhalt
Ethel Saxton hat ihren Ehemann umgebracht und steht nun vor Gericht. Die Geschworenen unter dem Vorsitz von Edward Weldon müssen über die Schwere der Tat befinden und sprechen sie am Ende schuldig, die Tat aus Vorsatz begangen zu haben. Sie wird zum Tod verurteilt. Unter den Zuschauern des Prozesses befindet sich auch Stella, Weldons Tochter, die ihrerseits überzeugt ist, dass die Verurteilte den Mord „aus Leidenschaft“ beging und daher die Todesstrafe nicht verdient hat.

Vier Monate später soll das Urteil vollstreckt werden. Die öffentliche Meinung steht dem Urteil der Geschworenen-Jury entgegen und setzt Weldon zu. Dieser will davon nichts wissen: Er habe nur dem Gesetz gegenüber seine Pflicht getan. Für eine gute Story will der Reporter Nolan in Weldons Nähe gelangen. Von dessen Schwiegersohn Joe lässt er sich unter einem Vorwand inkognito ins Haus einschleusen. Immer wieder spricht er Weldon auf den Fall an, auch als Besuch da ist, der Weldon beim Kartenspiel die Zeit vertreiben möchte. Im Hintergrund lassen Joe und Nolan ein Radio eingeschaltet, da in einer Sondersendung live von der Hinrichtung berichtet werden soll. Auf diese Weise will Nolan eine Reaktion von Weldon erzwingen. Der aber weicht nicht von seiner harten Linie ab.

Kurz vor Mitternacht verlässt Stella das Haus, um ihren Liebhaber Gar Boni zu treffen. Sie hatte ihn während des Prozesses kennengelernt und will sich nun von ihm verabschieden, da er für mehrere Monate nach Chicago gehen muss. Ihr wird bewusst, dass er es mit ihr nicht ernst meinte. Tatsächlich macht Boni mit ihr Schluss. Um Punkt Mitternacht spitzt sich die Lage zu: Als im Radio die Hinrichtung live übertragen wird, gibt sich Nolan als Reporter zu erkennen. Und tatsächlich lässt sich Weldon zu einem Gefühlsausbruch hinreißen …

Was zu sagen wäre

Dieser Film aus dem Jahr 1934 tauchte in Deutschland erst im Januar 2008 auf. Es ist daher schwer, die gesellschaftliche Relevanz dieses Filmes einzuschätzen. Auf rein handwerklicher Ebene sucht der Film die Nähe seiner Protagonisten, zwingt den Zuschauer, jedes Wort abzuwägen. Es ist ein Film, der sich mit der Frage beschäftigt, wie ein Geschworener mit dem von ihm verantworteten Todesurteil lebt, und betont am Ende eine sehr amoralische, aber lebenskluge Weisheit: „Oft ist dem Gesetz besser gedient, wenn man nach den Buchstaben handelt, als nach dem Gefühl. Was auch immer geschehen mag in einem besonderen Fall: Es geschieht Gerechtigkeit.

Also hat dieser Geschworene neben seinen Zweifeln auch noch eine Tochter mit windigem Liebhaber, den sie tötet. Dieser Liebhaber, Gar Boni, wird gespielt von Humphrey Bogart. Sein Auftritt macht den Film über seine zeithistorische Einordnung hinaus interessant, weil es ein Film aus der Zeit vor Bogarts Durchbruch ist und weil es der Film ist, der unmittelbar vor Bogarts Durchbruch als Schauspieler steht.

Im Jahr 2008 können wir kaum mehr für diesen Film werben, als auf seine zeitgenössisch hochmoderne Machart zu verweisen. Der Film beginnt mit einem Mordgeständnis. Anstatt aber, dass wir den Mord gezeigt bekommen, anstatt, dass wir die Frau bei ihrer Aussage sehen, sehen wir in die fassungslosen Gesichter der Geschworenen. Wenn Einzelheiten der Tat geschildert werden, schrumpfen die Geschworenen zu Händen, die sich mit irgendwas beschäftigen.

Wir leiden mit Mr. Welden, dem Geschworenen, der ratlos, einsam durch sein Haus tigert – „Es liegt nicht in meinen Händen! Es liegt nicht in meinen Händen! Ich war nur ein Instrument des Gesetzes! Das betrifft mich nicht persönlich!“ – gegengeschnitten mit der verurteilten Ethel, die in ihrer Zelle auf und ab tigernd ihre Hinrichtung erwartet; hier spielt Chester Erskine den ganzen Impressionismus aus, zu dem sich Realität im Kino verdichtet. Und dann wird es ganz Brot & Spiele: Während Ethel sich in ihrer Zelle auf den letzten Gang vorbereitet, ewrwartet die Gesellschaft dies Karten spielend vor dem Radio – „Oh, wie traurig! … Kommt schon, wir spielen Bridge!

Ich liebe Stella. Sie ist meine Tochter. … Aber sie brach das Gesetz.“
„Sie wollen sagen, dass für ein altes, aufgeweichtes Gesetz, das jeden Tag ins Lächerliche gezogen wird von professionellen Kriminellen, die …“
„Aber ich bin kein Krimineller! Ich verlasse mich auf die Gnade des Gerichts.

Regisseur Chester Erskine nützt die weitgehende Beschränkung auf das Haus der Weldons als fast schon klaustrophobischen Handlungsort für expressionistisch geprägtes Spiel mit Schatten und ungewöhnliche Kameraeinstellungen. Dabei verhandelt er die klassischen Fragen von Schuld und Sühne, wann ein Mord Mord ist, wie unterschiedlich Sachverhalte eingeordnet werden, je nachdem, wer aus individueller Sicht involviert ist. Und er kommt dennoch immer wieder zu seinem Kern: „Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich!“

Wertung: 3 von 6 D-Mark
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