Michael Courtland, ein Immobilienkaufmann aus New Orleans, feiert im Jahr 1959 den zehnten Hochzeitstag mit seiner Frau Elizabeth. In dieser Nacht werden Elizabeth und Amy, die Tochter der beiden, entführt. Die Polizei rät Courtland, das geforderte Lösegeld durch wertloses Papier zu ersetzen. Das Ergebnis ist, dass die Entführer mit den beiden Geiseln frühzeitig vor der Polizei fliehen. Nach einer Verfolgungsjagd explodiert das Auto der Entführer. Courtlands Familie kommt ums Leben.
Überwältigt von Trauer und Schuldgefühlen überlässt Courtland seinem Geschäftspartner Robert Lasalle die Hauptverantwortung für das gemeinsame Geschäft und errichtet für Elizabeth und Amy ein Mahnmal, das eine Miniaturkopie der Kirche San Miniato al Monte in Florenz ist, wo Courtland und Elizabeth sich kennenlernten.
15 Jahre später ist Courtland immer noch in tiefer Trauer. Lasalle überredet Courtland, mit ihm nach Florenz auf Geschäftsreise zu gehen. Als Courtland San Miniato besucht, trifft er dort auf Sandra, eine junge Frau, die seiner Frau wie aus dem Gesicht geschnitten gleicht. Courtland verfolgt Sandra und schafft es, dass sie sich für ihn interessiert.
Besessen von der Idee, Sandra zu einem Spiegelbild seiner toten Frau zu formen, reist er mit ihr zurück in die USA, wo die Heiratspläne der beiden auf Unverständnis in Courtlands Umfeld stoßen. Sandra ihrerseits scheint besessen von der toten Elizabeth zu sein und taucht in das Gefühlsleben der toten Frau ein, indem sie ihre Briefe und Tagebücher liest …
Brian De Palma geht bei diesem Thriller, der mit Motiven aus Alfred Hitchcocks Vertigo spielt, an die Akzeptanzgrenzen seiner Zuschauer. Dieses Melodram um Schuldkomplexe und Doppelgängerinnen und geschäftliche Verschwörungen nötigen im Kinosessel belastbares Sitzfleisch. Nicht, weil der Film langweiliig wäre; das ist er keineswegs. Aber die Geschichte ist so schwer nachvollziehbar wie auch leicht zu durchschauen, wobei bei letztem Punkt nicht klar ist, ob der Meister der Inszenierung gepatzt hat. An zwei entscheidenden Stellen im ersten Entführungsfall verrät die Montage mehr, als dem Thriller gut tut – erst bleibt die Kamera die entscheidende Sekunde zu lange stehen und drei Minuten später schaut die Kamera so deutlich nicht hin, dass dem Zuschauer erste Zweifel kommen, ob das, was in der Folge behauptet und die Psychologie des Dramas bestimmen wird, stimmen kann.
De Palma, der aus seiner Faszination für Alfred Hitchkocks Filme kein Geheimnis macht, macht sich auch dessen Neigung, Brüche in der Logik zuzulassen, zu eigen. „Die Wahrscheinlichkeit interessiert mich nicht. Ein Kritiker, der mir etwas von Wahrscheinlichkeit erzählt, hat keine Phantasie“, sagte er François Truffaut ("Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht" – 1966). Smarte Polizisten waren Hitchcocks erstes Interesse auch nicht. Entsprechend bizarr läuft bei Brian De Palmas Melodram ein Polizeieinsatz zu beginn des Film schief – Frau und Tochter eines angesehenen Südstaaten-Geschäftsmann werden entführt und die Polizisten benehmen sich allesamt, als wären sie Praktikanten zu Besuch auf der Polizeischule. Aber so beginnen nun mal gute Thriller: Der Held ist auf sich allein gestellt, weil der Kontakt zu den Sicherheitsbehörden aus dem ein oder anderen Grund obsolet scheint.
Der Film spielt in Florenz und New Orleans. Und beide Städte sind visuell gegen die Erwartung fotografiert. In Florenz, der Stadt der Postkartenmotive, hängt ein beständig grauer, Nebel verhangener Himmel über der Stadt. New Orleans, jene Stadt voller alter europäischer Kolonialbau-Pracht erscheint unter de Palmas Regie als kalter, Hochhaus beherrschter Finanzdistrikt. Dazwischen bewegen sich die Protagonisten. Der schuldbeladene, romantische Geschäftsmann, sein pragmatisch veranlagter Partner sowie die lebensfrohe Kunsthistorikerin – der Zuschauer kann sie leicht zuordnen; es überrascht da kaum noch, dass im Zusammenhang mit der bizarren Entführungssequenz zu Beginn auch in diesem De-Palma-Film recht schnell klar, wer welche bösen Strippen zieht; als die Auflösung die Vermutungen des Zuschauers bestätigen, ist die monströse Überinszenierung (vulgo: alberne Irrealität) des Kriminalfalls längst offensichtlich.
Das schadet dem Film im Ganzen wenig. Lässt man die Rätselraterei beiseite und überlässt sich der grandiosen Montage dieses verschwenderisch elegant fotografierten Films, erntet man cineastischen Genuss. Die Schauspieler tun ein Übriges. Cliff Robertson (Die 3 Tage des Condor – 1975) als traumatisierter Witwer kann wunderbar sanft und verliebt gucken; dass er sich wenig für Geschäftliches interessiert, überträgt sich auf den Zuschauer. Sein sanfter Blick lässt der jungen Sandra keine Wahl: Der Mann meint es ernst. Geneviève Bujold ("Der scharlachrote Pirat" – 1976; Der Unverbesserliche – 1975; Erdbeben – 1974; Königin für tausend Tage – 1969; Der Dieb von Paris – 1967) als kurzzeitige erste Ehefrau und dann als junge, lebensfrohe Kunsthistorikerin ist entzückend – wenn sie dem Amerikaner begeistert ihr Florenz zeigt, ihm ihre Liebe zu Kunst und Kultur nahebringt, wird dessen verliebter Blick sehr verständlich. Dieser jungen Frau möchte man(n) einfach den ganzen Tag zugucken.
Brian De Palma ist ein gut orchestrierter Thriller gelungen, der allerdings, zurück im Licht des Alltags schnell an Faszination verliert; denn die Kunst der Kamera und der Montage – also das Kino an sich – funktioniert nur im Dunkeln … dort aber perfekt.
Die Kinofilme von Brian De Palma
Brian De Palma (* 11. September 1940 als James Giacinto De Palma jr. in Newark, New Jersey) ist ein US-amerikanischer Filmregisseur.
In seinen Filmen geht es um Spannung, Mord, Besessenheit und psychische Störungen. Immer wiederkehrende Themen und Motive in seinen Filmen sind Voyeurismus und Überwachung, Doppelgänger, multiple Persönlichkeiten und Gewalt. De Palma bezieht sich in sehr vielen seiner Filme auf Alfred Hitchcock. So orientiert er sich in seinen Thrillern an Grundthemen und Motiven von Hitchcock-Filmen, zitiert Szenen und greift auf viele Strategien der filmischen Erzählung wie Plansequenzen und Nahaufnahmen in ähnlicher Weise wie Hitchcock zurück.
Filmtechnisch ist De Palma vor allem durch den ausgiebigen Einsatz der Steadicam bekannt. Sein Establishing Shot in Spiel auf Zeit führt beispielsweise mit nur einer, sehr elaborierten Kamerafahrt das gesamte Ensemble der Akteure ein. Als Erster hat De Palma den Split Screen als spannungserzeugendes filmtechnisches Mittel konsequent benutzt und auf diese Technik immer wieder zurückgegriffen.
Seinen ersten großen Erfolg feierte de Palma 1976 mit dem Horrorthriller Carrie – Des Satans jüngste Tochter, der auf dem Buch Carrie von Stephen King basiert. In den folgenden Jahren drehte er eine Reihe von weiteren Thrillern.
- Murder à la Mod (1968)
- Greetings (1968)
- The Wedding Party (1969)
- Hi, Mom! (1970)
- Hilfe, ich habe Erfolg (Get to know Your Rabbit, 1972)
- Die Schwestern des Bösen (Sisters, 1972)
- Das Phantom im Paradies (Phantom of the Paradise, 1974)
- Schwarzer Engel (Obsession, 1976)
- Carrie – Des Satans jüngste Tochter (Carrie, 1968)
- Teufelskreis Alpha (The Fury, 1978)
- Home Movies – Wie du mir, so ich dir (Home Movies, 1979)
- Dressed to Kill (1980)
- Blow Out – Der Tod löscht alle Spuren (Blow Out, 1981)
- Scarface (1983)
- Der Tod kommt zweimal (Body Double, 1984)
- Wise Guys – Zwei Superpflaumen in der Unterwelt (Wise Guys, 1986)
- The Untouchables – Die Unbestechlichen (The Untouchables, 1987)
- Die Verdammten des Krieges (Casualties of War, 1989)
- Fegefeuer der Eitelkeiten (The Bonfire of the Vanities, 1990)
- Mein Bruder Kain (Raising Cain, 1992)
- Carlito’s Way (1993)
- Mission: Impossible (1996)
- Spiel auf Zeit (Snake Eyes, 1998)
- Mission to Mars (2000)
- Femme Fatale (2002)
- The Black Dahlia (The Black Dahlia, 2006)
- Redacted (2007)
- Passion (2012)
- Domino (2019)