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Plakatmotiv: Blow Out – Der Tod löscht alle Spuren (1981)
Brian DePalma verheddert sich
in seiner Thriller-Konstruktion
Titel Blow Out – Der Tod löscht alle Spuren
(Blow Out)
Drehbuch Brian De Palma
Regie Brian De Palma, USA 1981
Darsteller John Travolta, Nancy Allen, John Lithgow, Dennis Franz, Peter Boyden, Curt May, John Aquino, John McMartin, Deborah Everton, J. Patrick McNamara, Missy Cleveland, Roger Wilson, Lori-Nan Engler, Cindy Manion, Missy Crutchfield u.a.
Genre Thriller
Filmlänge 108 Minuten
Deutschlandstart
7. Mai 1982
Inhalt

Für die Billigproduktion eines Horrorfilms fehlen dem Tontechniker Jack Terry neben einem geeigneten Todesschrei für die zentrale Szene auch noch authentische Windgeräusche.

Bei der Aufnahme nächtlicher Naturgeräusche mit einem Richtmikrofon wird er Zeuge eines Autounfalls. Der Präsidentschaftskandidat George McRyan kommt auf einer Brücke von der Fahrbahn ab und stürzt mit seinem Wagen in einen See. Jack eilt zur Hilfe und taucht nach dem Wagen. Durch die Scheiben sieht er den blutenden McRyan, kann ihn jedoch nicht befreien. Allerdings gelingt es ihm, dessen Begleiterin Sally aus dem Fahrzeug zu retten.

Bereits im Krankenhaus übt die Polizei massiven Druck auf Sally und Jack aus. Er soll seine Aussage, er habe kurz vor dem Unfall einen Schuss gehört und diesen sogar aufgezeichnet, zurückziehen. Um den Ruf der Familie zu schützen, soll auch Sallys Anwesenheit im Fahrzeug des Präsidentschaftskandidaten nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Jack willigt zunächst in die Forderungen der Beamten ein. Nach Abhören seiner Tonbandaufnahmen erkennt er jedoch, dass es sich nicht um einen Unfall handelte, sondern ein gezielter Schuss einen Reifen des Fahrzeugs platzen ließ.

Videocover: Blow Out – Der Tod löscht alle Spuren (1981)Deshalb forscht er auf eigene Faust weiter …

Was zu sagen wäre

Gleich im Opening zitiert Hobby-Epigone Brian DePalma John Carpenters Erfolgsfilm Halloween (1978) indem er einen Killer mit Messer durch ein Haus schleichen lässt, gefilmt mit subjektiver Kamera. Die Szene endet mit einem Messermord unter der Dusche – dass DePalma Alfred Hitchcock verehrt, ist kein Geheimnis, er sagt es gerne jedem, der danach fragt. So sehen viele seiner Filme (s.u.) auch aus. In „Blow Out“, der eine Idee aus Michelangelo Antonionis „Blow Up“ (1966) variiert – damals hatte ein Fotograf zufällig einen Mord fotografiert, was erst eine massive Vergrößerung des Originalnegativs beweisen konnte – treibt De Palma seine fast manisch zu nennende Zitatverliebtheit auf die Spitze.

Visuell ist der Film ein Ereignis. Vilmos Zsigmond, der Director of Photography, liefert eine weitere große Leistung in Lichtdramaturgie und Kamerabewegung (Heaven's Gate – 1980; „The rose“ – 1990; „Die durch die Hölle gehen“ – 1978; Unheimliche Begegnung der dritten Art – 1977; Schwarzer Engel – 1876; Sugarland Express – 1974; „Beim Sterben ist jeder der Erste“ – 1972). Paul Hirsch gibt dem Film an seinem Schneidetisch einen packenden Rythmus. Aber De palmas script hält den zuschauer an entscheidender stelle für blöd.

Fangen wir vorne an: Ein gefeierter Politstar mit besten Chancen auf seinen baldigen Einzug ins Weiße Haus kommt bei einem Autounfall ums Leben und es ist den Ermittlern, dem Secret Service, dem FBI egal, dass es haufenweise Widersprücjhe gibt. Okay: Der Film erwähnt am Anfang geschickt diverse Korruptionsfälle bei der Polizei von Philadelphia. Man kann also akzeptieren, wie in vielen Politverschwörungsthrillern zuvor auch schon, dass hier ein paar massive Stolpersteine im Weg liegen bleiben. Und weil es so spannend gefilmt und montiert ist, lasse ich mich einfach mitreißen. Und dann gibt es ja diesen besonderen MacGuffin; das ist dieses Ding, das in einem Thriller die handelnden Figuren in Bewegung halten soll, aber für sich gesehen keine Rolle spielt. So geht De Palma mit dem MacGuffin auch um.

Es geht um die Aufnahmen, die Jack, der Toningenieur, in jener Nacht des Unfalls mit seinem Richtmikrofon gemacht hat. Gleichzeitig war auch ein zwielichtiger Fotograf vor Ort, der mit angeblich technisch ganz neuem Filmmaterial in tiefer Nacht gestochen scharfe Fotos gemachgt hat, offenbar mit einer Motor-Kamera, denn er hat zahllose Fotos der Genese dieses Unfalls gemacht, die in einem großen Nachrichtenmagazin sechs Seiten füllen. Jack, der Tontechniker, koppelt diese zahllosen Fotos mit seinen Tonaufnahmen vom selben Ereignis. Das Ergebnis ist ein flüssig laufender Film, der Bild und Ton synchronisiert und eindeutigh beweist, dass es vor dem Unfall einen Schuss gegeben hat. Das Problem: Eine Fotokamera, selbst eine mit Motor, der einen schnellen Filmtransport ermöglicht, liefert keine 24 Bilder pro Sekunde, die mindestens nötig wären, um dem menschlichen Auge eine flüssige Bewegung zu simulieren – zudem hätte der schmierige Fotograf mehrfach in No-Time den Film in seinem Fotoapparat wechseln müssen. Heißt: Es gubt selbst für den nur oberflächlich gebildeten Zuschauer keine Möglichkeit, den fotografierten Unfall mit den Tonaufnahmen wirklich glaubhaft zu synchronisieren.

Sogar diesen krassen Fehler in der erzählten Realität (denn das Drehbuch legt viel Wert auf seine technische Plausibilität) könnte man vielleicht entschuldigen, wenn der Film mich die zwei Stunden Laufzeit lang in den Kinosessel gedrückt hätte – vielleicht, weil: An erster Stelle scheitert die Dramaturgie an John Travolta („Urban Cowboy“ – 1980; Grease – 1978; Nur Samstag Nacht – 1977; Carrie: Des Satans jüngste Tochter – 1976). Der Schauspieler ist immer noch der begabte Tänzer aus dem Jahr 1977, aber kein glaubhafter Schauspieler in einem ernsthaften Thriller.

Brian De Palmas Thriller ist ein wunderbares Produkt, um sich im Kinosessel mal mit den filigranenen Möglichkeiten filmtechnischer Erzählmöglichkeiten zu beschäftigen. Aber im Kino will ich kein filmtheoretisches Seminar sehen. Im Kino will ich gepackt werden. Dafür müssten die Schauspieler bessewr sein. Travolta ist ein Ausfall, die Rolle der Sally kann auch Nancy Allen nicht mit Leben aufblasen. Und John Lithgow versteht die Rolle, die er laut Drehbuch ausfüllen soll, offenbar selbst nicht. Er mordet Frauen, telefoniert zwischendrin mit einem namhaften Politiker und soll kriminologische Kohlen aus dem Feuer holen. Aber Lithgow bekommt nicht mehr als ein paar Möglichkeiten, seine mordlüstern glühenden Augen in Großaufnahme zu rollen.

Auch das ist filmtechnisches Storytelling ohne Inhalt. So wie der genze Film.

Wertung: 4 von 9 D-Mark
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