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Plakatmotiv: Die Unglaublichen 2 (2018)
Ein bunter Action-Spaß
mit fragwürdiger Moral
Titel Die Unglaublichen 2
(Incredibles 2)
Drehbuch Brad Bird
Regie Brad Bird, USA 2018
Stimmen

Holly Hunter, Katrin Fröhlich, Craig T. Nelson, Markus Maria Profitlich, Sarah Vowell, Emilia Schüle, Spencer Fox, Dominik Schneider, Eli Fucile, Sabine Bohlmann, Samuel L. Jackson, Ian Odle, Brad Bird, Mechthild Großmann, Jonathan Banks, Holger Schwiers, Bob Odenkirk, Jakob Riedl, Catherine Keener, Tanja Geke, Sophia Bush, Lea Kalbhenn, Isabella Rossellini, Susanna Bonaséwicz, John Ratzenberger, Thomas Rauscher, Phil LaMarr, Riccardo Simonetti u.a.

aufgeführt sind Stimmen der Original- und dre deutschen Synchronfassung

Genre Animation, Superhelden
Filmlänge 118 Minuten
Deutschlandstart
27. September 2018
Website pixar.com
Inhalt

Wenige Augenblicke später: Die Incredibles wehren immer noch den Angriff des schurkischen Tunnelgräbers ab. Bis auf Violet. Die muss auf den kleinen Jack-Jack aufpassen, was dem Teenager gar nicht passt; sie ist frisch verliebt, ihre Hormone spielen ein bisschen verrückt und da will sie ganz bestimmt nict auf den Windelpupser aufpassen, während die Familie mal wieder die Welt retten darf. Wütend reißt sie sich ihre Superheldenmaske vom Gesicht, was sich insofern als blöder Fehler erweist, als nun Tony ihre Doppelidentität kennt. Tony ist der Junge, dessentwegen Violets Hormone ein wenig verrückt spielen und dem nun die Erinnerung an das Gesehene gelöscht werden muss. Bedauerlicherweise vergisst er dabei auch, dass er in Violet verknallt war. Was Violet noch wütender macht.

Der Anggriff des Tunnelgräbers konnte unterdessen abgewehrt werden. aber der Kampf der Unglaublichen gegen den Gräber hat erheblichen Schaden verursacht und die Behörden sind not amused. Soll doch der Tunnelgräber die Banken ausrauben und verschwinden. Was macht das schon? Die Banken sind versichert, und die Stadt fein raus. Sagen die Behörden. Und schicken die Helden endgültig in Rente. Noch zwei Wochen, dann werden ihre Bezüge gestrichen, dann müssen sie wieder arbeiten gehen. Wie jeder andere auch.

Da tritt Winston Deavor in ihr Leben. Der schwer reiche Medienunternehmer ist begeistert von den Superhelden und gar nicht einverstanden, dass die eine so schlechte Presse haben. Er ist überzeugt, die Öffentlichkeit hat lediglich ein „Wahrnehmungsproblem“, die Taten der Helden müssten lediglich anders dargestellt werden – anstatt immer die kaputten Gebäude nach dem Kampf zu zeigen, müsste man der Öffentlichkeit zeigen, was die Helden eigentlich machen und dass eigentlich die Schurken für die Zerstörung ganzer Straßenzüge verantwortlich sind. Das wollen Deavor und seine technisch sehr versierte Schwester Evelyn künftig in die Hand nehmen.

Und Elastigirl soll ihnen als Paradebeispiel der hilfreichen, guten, zugewandten Heldin dienen. Während sich Mr. Incredible um Haushalt und Kinder kümmern wird – das heißt: um Dashs Matheprobleme, um Violets Liebeswirren. Und um Jack-Jack, den Windelpupser, der gerade allerlei Superkräfte ausprobiert, mal entflammt, mal durch Dimensionen hoppst, mal Laserbeams aus den Augen feuert, mal durch Wände geht. Mr. Incredible bekommt wenig Schlaf in diesen Tagen, aber er schlägt sich wacker, auch wenn er nicht ganz versteht, warum seine Frau besser geeignet sein soll, als er, um … aber er will mit der Zeit gehen.

Elastigirl hat währenddessen schon einen Hochgeschwindigkeitszug vor einer Katastrophe bewahrt, eine Senatorin aus einem abstürzenden Hubschrauber befreit und es mit Hilfe der Deavor-Geschwister geschafft, das Image der Superhelden wieder herzustellen.

Da taucht Screenslaver auf der Bildfläche auf, ein Schurke, der Menschen mittels eines jeden Monitors hypnotisiern kann. Er bringt das ganze schöne neue Heldenimage wieder zum Einsturz …

Was zu sagen wäre

Es geht im Rausch der schönen bunten Bilder schnell unter – ging es vor 14 Jahren im ersten Teil schon, aber damals, 2004, waren Superheldenfilme noch nicht so inflationär überall, damals erfreute ich mich noch mehr am reinen Actionspaß und empfand die Beschneidung der Rechte dieser Helden als interessanten wirtschaftlichen, dennoch irgendwie ungerechten Aspekt. Da geht zwar wirklich immer eine Menge kaputt. Aber was können denn die Helden dafür, wenn dauernd irgendein Monster daher kommt und die schönen Städte der Menschen angreift? Irgendwer muss den Job ja tun.

Sind Superhelden Retter oder Bremser?

Die Menschen in dem Pixar-Film 14 Kinojahre später, die im Film nur wenige Stunden nach den Abenteuern des ersten Films ihre Entscheidung treffen, haben eine klare Antwort auf die Frage, wer den Job denn tun soll: Niemand. Das Monster soll die Bank ausrauben, die Bank holt sich das Geld von der Versicherung zurück, der Schaden in der städtischen Infrastruktur, also für die öffentliche Hand, ist überschaubar. Im neuen Pixar-Film sagt das ein knötericher Beamter mit engem Hemdkragen, schwarzem Anzug und zerknittertem Gesicht, ein klassischer Kino-Unsympath also, der unseren freundlichen Helden aus der Nachbarschaft bitter Unrecht tut.

Und dann taucht ein Multimilliardär auf, einer aus der Tech-Branche, Marke Sillicon Valley, ein brillanter Verkäufer, von dem seine Schwester Evelyn schwärmt, er könne allen alles verkaufen, ein Mann mit Einfluss und Macht. Und der will nun seine Macht und seinen Reichtum einsetzen, um die Superhelden den „Kampf für die Freiheit“ wieder übernehmen zu lassen. Da wird man im Kinosessel stutzig: Ein Kommunikationsmilliardär mit Sendestationen und viel Programmfläche und mit Zugang zu den Mächtigen des Landes, so einer, der die Welt zu einem besseren Ort machen will? Es ist ja nicht mehr 2004, als wir noch mit großen Augen in die schöne digitale Welt geglotzt und uns Wunder was erwartet haben.

Ein Milliardär mit Sendungsbewusstsein macht misstrauisch

Wir schreiben das Jahr 2018, das Zeitalter von Populisten, Big Data und Fake News. Da macht uns ein Silicon-Valley-Mann mit Sendungsbewusstsein in einem Trickfilm aus dem Medienkonzern Disney misstrauisch. Wie man Produkte und Begriffe in den Markt drückt, haben wir schließlich gelernt: durch unablässige Medienpräsenz und dauernde Wiederholung der Kernbotschaft, hier: Superhelden sind gut. Sie helfen. Die normalen Menschen in diesem Film sind, wenn nicht von der Sorte knötericher Paragrafenreiter, entweder Omis mit Rollator, die vor herabfallenden Autos geschützt werden müssen oder glotzende Zombies, die sich vor Schaufenstern mit Fernsehapparaten versammeln, wehrlos, denen der Medienmilliardär nun staatlich sanktionierte Aufpasser einsingen will, die für Ruhe und Ordnung sorgen werden. Wohlgemerkt: Der Medienmilliardär ist hier der Gute im Stück.

Der Schurke im Stück trägt den bezeichnenden Namen Screenslaver: „Ja, lehnt Euch zurück“, sagt er in einer bemerkenswerten Ansprache ans Volk, das vor den abendlichen Fernsehschirmen sitzt und konsumiert, was gesendet wird. „Ihr Bürger werdet für unmündig erklärt“, sagt die verzerrte Stimme des Schurken. „Ihr sehnt Euch nach Superhelden, um selbst auf dem Sofa sitzen bleiben zu können. Ihr wollt von den Shows, der Technik, dem Internet rund um die Uhr bespaßt werden. So abhängig, wie Ihr Euch von den Superhelden macht, so macht Ihr Euch auch von der Technik abhängig“ – zur Freude solcher Menschen wie dem freundlichen Milliardär, der mit solchen Menschen weitere Milliarden macht. „Ihr legt Eure Freiheit in die Hände von Wenigen“, die halt ein paar Kräfte haben und sich überdies gerne prügeln.

Gesellschaft zwischen Lethargie und Aufbruch

Der Film aus dem Disneykonzern baut ein interessantes gesellschaftliches Spannungsfeld auf zwischen satter Sofadekadenz hier und Arsch huh, Zäng ussenander da, was lebendig meint, aber als revolutionär gilt. Beide Seiten, Milliardär und Schurke, haben ihre Eltern bei einem Überfall verloren – der Milliardär sagt: Wenn die Superhelden nicht verboten gewesen wären, hätten sie meine Eltern vor den Gangstern beschützt. Der Schurke sagt: Wenn meine Eltern sich nicht auf die Hilfe von Superhelden verlassen hätten, wären sie selbst aktiv geworden und hätten überlebt. Am Ende wird das selbstbestimmte Leben, der Schurke, in Handschellen abgeführt. Zwei Minuten später rasen dann zwei Autos durch die Straßen mit Gangstern an Bord, die aus Maschinengewehren in die Luft ballern. Prompt wirft die Heldenfamilie den geplanten Kinobesuch über Bord, um auf Menschenjagd zu gehen. Cops können diesen Job – schwer bewaffnete Gangster dingfest machen – nicht mehr übernehmen; wahrscheinlich sichern sie gerade ein Bundesligaspiel.

Der Film ist also Mist? Nein, ganz und gar nicht! Es ist ein fröhlicher Spaß mit tollen Ideen, einem Baby, das sich mit Superkräften austobt und dabei einem Waschbären im Vorgarten, der ein wenig an den Unglücksraben Scrat aus den Ice Age-Filmen erinnert, das Fürchten lehrt. Er bietet in einer der schönsten Szenen Edna Mode einen großen Auftritt, jener knurrigen Modedesignerin, die wirkt wie eine Mischung aus der gefürchteten Vogue-Chefin Anna Wintour und der brillanten Designerin Edith Head, die so vielen Hitchcockfilmen erst deren besondern Touch gegeben hat (Vertigo – 1958; Über den Dächern von Nizza – 1955, Das Fenster zum Hof – 1954). Er gibt Elastigirl ein paar coole Actionszenen, die eine Figur von schneller Auffassungsgabe und Improvisationstalent zeigen. Sowas macht Actionszenen, seien es reale oder wie hier Trickfilm-Szenen, ja erst zum visuellen Rausch. Aber danach würde die Heldin dann gerne sofort zurück zu Mann und Kindern.

Ein Familienbild passend zum Setdesign der 60er Jahre

Pixar ist längst in den Disneykonzern eingegliedert, absorbiert vom großen Mutterschiff mit den Mäuseohren. Superfamilie Parr muss die familiären Rollen tauschen, weil die flexible Frau(!) der Öffentlichkeit besser zu verkaufen sei als der superkräftige Kerl, der im Zweifelsfall alles zu Klump haut. Was auf den ersten Blick frisch und modern wirkt, wenn die Frau den Heldenjob erledigt – also jeden Morgen raus geht und kämpft – während der Mann ihr den Haushalt vom Leib hält, wird beim zweiten Hinsehen verräterisch. Er ist mit drei Kindern und moderner Schulmathematik heillos überfordert, „Ich habe seit Tagen nicht geschlafen. Wir brauchten neue Batterien, aber ich habe die falschen besorgt, jetzt brauchen wir immer noch neue Batterien. Ich habe eine rote Socke in die weiße Wäsche getan und jetzt ist alles rosa. Und ich glaube, die Eier sind alle.“ Sie rettet zwar dauernd die Welt und richtet dabei keine nennenswerten Schäden an städtischer Infrastruktur an – macht also alles richtig. Aber eigentlich will sie bloß immer nach Hause, „Ich kann doch die Kinder nicht so lange allein lassen!“ Anders ausgedrückt: Der Mann ist zu doof für den Haushalt und die Frau will eigentlich nur nach Hause.

Der Film ist unterhaltsam, er macht Spaß! Nur ist er eben nicht ohne Fallstricke. Gefährlich? Ein Trickfilm aus dem Medienkonzern Disney, der die Macht der Medien feiert? Medienmogule waren in der Filmgeschichte zwielichte Typen – Orson Welles' Citizen Kane war 1941 ein Egomane, der seinem Imperium alles unterordnete. Die Programmverantwortlichen beim UBS-Fernsehen gehen 1976 in Sidney Lumets Network für die bessere Zuschauerquote über Leichen. Und noch 1997 zettelt Elliot Carver in James Bond – Der MORGEN stirbt nie Kriege an, um sie exklusiv in seiner Zeitungsgruppe zu vermarkten.

Brad Bird (Mission: Impossible – Phantom Protokoll – 2011; Ratatouille – 2007; Die Unglaublichen – 2004; Der Gigant aus dem All – 1999) zeigt uns in „Die Unglaublichen 2“ einen Schurken, der die Menschen von den Superhelden befreien will – nicht weil er Geld klauen oder die Menschheit unterjochen will. Sondern, weil er sie aus ihrer Komfortzone und vom Sofa holen will – Draußenwelt statt Fernsehshows. Darin ist er ein naher Verwandter des Schurken Bane aus Batman – The Dark Knight Rises (2012).

Der Medienmogul indes macht 2018, was er im Laufe der Filmgeschichte immer gemacht hat: Er beeinflusst die Massen nach Gusto. Aber heute gilt er als der Gute. Es ist gut, dass er Aufpasser installiert, damit die Couchpotatoe sich in Ruhe der schönen neuen Welt der Streamingdienste widmen kann.

Wertung: 6 von 8 €uro
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