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Plakatmotiv: The Dark Knight (2008)

Ein würdiger Nachfolger
bringt 9/11 auf die Leinwand

Titel The Dark Knight
(The Dark Knight)
Drehbuch Jonathan Nolan & Christopher Nolan & David S. Goyer
nach Charakteren von Bob Kane
Regie Christopher Nolan, USA, UK 2008
Darsteller

Christian Bale, Michael Caine, Heath Ledger, Gary Oldman, Aaron Eckhart, Maggie Gyllenhaal, Morgan Freeman, Monique Gabriela Curnen, Ron Dean, Cillian Murphy, Chin Han, Nestor Carbonell, Eric Roberts, Ritchie Coster, Anthony Michael Hall, Keith Szarabajka, Colin McFarlane, Joshua Harto, Melinda McGraw, Nathan Gamble, Michael Vieau u.a.

Genre Comic-Verfilmung
Filmlänge 152 Minuten
Deutschlandstart
21. August 2008
Website BatmanWiki.de
Inhalt

Es war ein Irrtum. Zu glauben, wenn man nur den Unterweltboss und seine Schergen vertreibt, herrsche rosige Fröhlichkeit in den Straßen, ist naiv. Dankbar hat neuer Mob die verwaisten Plätze eingenommen. Darunter einer, den niemand haben will. Die Unterwelt-Schergen nicht. Und das strahlende Gotham City schon gar nicht. Sie nennen ihn den "Joker", weil er mit seinem schlecht geschminkten Gesicht an die gleichnamige Spielkartenfigur erinnert.

Der Joker ist gefährlich. Niemand weiß, was der Mann will. Außer – offenbar – Spaß haben an kriminellem Tun. Er hat keinerlei Skrupel. Er verbrennt mehrere Millionen Dollar, die er gerade erbeutet hat – nur um einen Gangsterboss zu töten, den auf dem Geldhaufen wie auf einem Scheiterhaufen drapiert hat. So einen will niemand haben. Aber das ist dem Joker egal.

Gotham City ist längst in heller Aufregung. Einerseits ist da dieser maskierte Rächer, den sie "Batman" nennen; der die Bösen vertreibt, dies aber außerhalb der Gesetze tut. Und der sein Gesicht nicht herzeigen mag. Dann ist da Harvey Dent, der neue Staatsanwalt, der die Korrupten beim Namen nennt, die Bösen verhaftet und der Unterwelt den Kampf angesagt hat. Die Medien nennen ihn den Weißen Ritter.

Harvey Dent liebt Rachel Dawes, die aufstrebende Anwältin in seinem Team. Auch Bruce Wayne liebt Rachel Dawes. Rachel weiß, dass Bruce Wayne "Batman" ist. Sie hat ihm ein gemeinsames Leben versprochen, wenn er die Fledermaus an den Nagel hängt. Und Bruce ist dazu gerne bereit. Seine Maskerade war nie auf Dauer angelegt und jetzt, wo Harvey Dent die Zügel in die Hand nimmt, scheint es logisch, dass er – der außerhalb der Legaität agiert und als Dunkler Ritter geschmäht wird – aufhört und ins Glied zurücktritt. Sowas lässt der Joker nicht zu. Mit allen Mitteln zwingt er Batman in den Kampf. Was soll er auch tun. Ohne Batman, sagt Joker, habe er keine Daseinsberechtigung – das Böse brauche das Gute, um Böse sein zu können.

Als sie ihn endlich im Gefängnis haben, stellt sich heraus, dass diese Inhaftierung lediglich ein Kapitel ist in einem diabolischen Plan, mit dem der Joker aller Welt zeigen will, dass nicht er böse ist, sondern die Gesellschaft, in der er lebt: Zwei Fähren im Hafen von Gotham. Die eine vollbesetzt mit Bürgern, die andere vollbesetzt mit Mördern, Erpressern, Dieben. Beide Besatzungen können die jeweils andere Fähre in die Luft sprengen, bevor – falls dies keiner tut – der Joker um Mitternacht beide Fähren sprengen will.

Batman, Harvey Dent, Polizeichef Gordon und Rachel Dawes werden mehr brauchen, als ihre moralische Integrität und ihre Liebe, um die Stadt und sich zu retten …

Plakatmotiv: The Dark Knight (2008)

Was zu sagen wäre

Wann ist ein Held ein Held? Und was ist ein Held überhaupt? Christopher Nolan geht mit seinem Heldengesang zurück zu den Ursprüngen und fragt, an welcher Stelle eigentlich die Menschheit einen Helden braucht. Das muss nämlich offensichtlich grundsätzlich neu verhandelt werden. Der Filmtitel gibt eine Ahnung: Wo ein dunkler Ritter (Dark Knight) ist, ist auch ein heller Ritter. An der Börse nennt man einen "weißen Ritter" einen, der einen verlorenen geglaubten Kahn noch aus dem Sumpf ziehen kann.

Im ersten Drittel des Films steigen Bruce Wayne und seine Glitzer-Freunde bei einem Glitzer-Bankett in eine Diskussion über die Cäsaren ein. Da war die Frage aufgekommen, „wer diesen Batman“ zum Retter ernannt hat: „Wenn der Feind vor den Toren stand, schafften die Römer die Demokratie ab und bestimmten einen Mann zum Schutz der Stadt. Und es galt nicht als Ehre. Sondern als Dienst am Volk.“ „Harvey, der letzte Mann, den die Römer als Schutz der Republik berufen haben, war Caesar. Und der hat seine Macht nie wieder abgegeben.“ „Okay, mag sein. Man stirbt als Held. Oder lebt solange, bis man selbst der Böse wird.“ An dieser Stelle wird der lauschende Bruce Wayne sehr nachdenklich, Batman sucht Jemanden, der seine Aufgabe übernimmt, in diesem Fall der reguläre Staatsanwalt. Der ist das Yin zum Yang, der Weiße zum Schwarzen Ritter und Bruce könnte, nachdem Harvey, der Weiße, übernommen hat, endlich mit Rachel Dawson in den Sonnenuntergang reiten, von der er glaubt, dass die ihren Staatsanwalt Harvey verlassen und mit wehenden Fahnen zu ihm zurückkehren würde, würde er nur als Batman endlich abdanken.

Der Held ist nicht leicht zu finden

Nolans Batman-Kosmos zwingt seine Zuschauer, ihr Gut-Böse-Schema neu zu justieren. Es ist die Frage, wo der Durchschnitts-, der Nine-To-Five-Mensch aufgibt und seine Belange an eine höhere Macht abgibt. Wo streicht der Bürger die Segel und muss bzw., darf ein übernatürlicher Held übernehmen? In "The Dark Knight" ist diese Frage schwer zu beantworten. Denn Staatsanwalt Dent, der die Frage von Gut und Böse über die zwei Seiten einer Münze entscheiden will – glatt die eine, zerkratzt die andere Seite –, ist selbst ein Getriebener; nach einem Anschlag ist Harvey Dent ein zur Hälfte zerstörter Mensch. Für allumfassende Gerechtigkeit ist er nicht mehr zu gebrauchen. Und Batman? Von dem auch nicht klar ist, wer der und was der eigentlich ist; ein Typ, der das Gesetz in die eigene Hand nimmt und mit seinen halsbrecherischen Verfolgungsjagden durch die nächtlichen Straßen das momentane Chaos noch vergrößert. Warum trägt der eine Maske, verbirgt sein wahres Gesicht? Warum lässt die Polizei ihn gewähren, obwohl er die für alle geltenden Gesetze für sich sehr weit auslegt; und Nachahmer anlockt, die meinen, als Batman Schwerverbrecher jagen zu müssen und dann bestenfalls im Krankenhaus landen.

Und die Stadt? Wie kaputt ist die denn wirklich. Es gibt den augenscheinlich irren Killer, der sich Joker nennt und jedem eine andere Version darüber erzählt, wie er zu seinem entstellten Gesicht gekommen ist; der nicht Macht und Reichtum anstrebt, sondern Chaos, weiter nichts. Aber es gibt auch die Bürgerschaft, die der Film in einer Szene auf die Besatzung zweier Fährboote komprimiert – hier einfache Reisende, dort Sträflinge, die verlegt werden. Eine Besatzung soll die andere per ferngezündeter Bombe ausschalten, bevor der Joker beide Fähren um Mitternacht in die Luft jagen will. Beide Besatzungen lehnen das schließlich ab, unter den Strafgefangenen ist es ein besonders brutal aussehender Gangster, der den Fernzünder über Bord wirft. Die Stadt selbst also lebt, zieht aber das Infernalische in Form von Leuten wie dem Joker an.

"The Dark Knight" ist, wie schon sein Vorgänger, Batman begins (2005), mehr, als eine platte Comicheftchen-Verfilmung. Mit gigantischem Aufwand (erstmals wurden in einem reinen Kinofilm IMAX-Kameras eingesetzt, was sechs Action-Sequenzen in 3D-Abenteuer verwandelt – mit fantastischer Tiefe und Schärfe) und so lang wie noch keine Comic-Verfilmung (152 Minuten) lässt Christopher Nolan seine auf dem Plakat angekündigte "Welt ohne Regeln" auferstehen. Wieder hat er lieber in Chicago gedreht als in New York. Das gibt dem Film frische Kulissen, neue Perspektiven. Und gefühlte 80 Prozent des Films spielen bei Tageslicht; das mutet bei einem Batman-Franchise zunächst wie ein Widerspruch an, unterstreicht aber umso mehr die Kälte der Figuren und der Amoralität der Handlung.

Ein brennendes Loch in einem Hochhaus

Das Filmplakat zeigt ein brennendes Loch in einem Hochhaus; es hat die Umrisse einer – an ein Flugzeug erinnernden – Fledermaus. "The Dark Knight" ist die erste Interpretation der Ereignisse des 11. September 2001 in einem kommerziellen Kinostück. Bislang gab es verarbeitend Dokumentarisches ("Flug 93" – 2006), munter machende Heldenepen ("World Trade Center" – 2006) und psychologisierende Berichte von der arabischen Kriegsfront ("Jarhead" – 2005 / Operation: Kingdom – 2007). Nach dem 11. September können einfach keine Actionfilme mehr produziert werden, hieß es aus Hollywood ab dem 12. September 2001. Statt dessen kommt jetzt "The Dark Knight", in dem Batman, der Superheld ohne Superkräfte, auf einen Gegner ohne Ziel trifft, dem Skrupel fremd sind, der von sowas auch gar nichts wissen will. Bildete Ra's Al Ghul im Vorgängerfilm die dunkle Seite des Helden ab, bildet der Joker die andere Seite des Helden ab; wo der Empathie zeigt, mordet der Joker. Wo Batman das Prinzip von Recht und Ordnung verteidigt, fördert der Joker die globale Unordnung. Wo Batman einigermaßen verlässlich ist, ist der Joker verlässlich chaotisch. Joker ist kein Mann, mit dem man sich an den Verhandlungstisch setzt.

Der neue Joker ist ein Mann, den wir besser hinter tonnenschweren Stahl sperren. Oder am besten gleich töten. Heath Ledger ("I'm Not There" – 2007; "Candy – Reise der Engel" – 2006; Brokeback Mountain – 2005; "Die vier Federn" – 2002; Monster's Ball – 2001; Ritter aus Leidenschaft – 2001; Der Patriot – 2000; 10 Dinge, die ich an Dir hasse – 1999), der in manchen Magazinen bis zu seinem frühen Tod im Januar 2008 als "Mädchenschwarm" apostrophiert wurde, hat als Joker nichts juvenil-mädchenschwäremisches an sich. Er ist geradezu irritierend gut gelaunt in seiner Amoral. Es ist seine Figur, die dem Film jenes Leben einhaucht, das über Unsterblichkeit oder Vergänglichkeit entscheidet – Ledger macht diesen Batman-Film unsterblich. "The Dark Knight" ist trotz seiner moralischen Schlussminuten ein zutiefst pessimistischer Film. Denn der strahlende Held, der hier schon im Titel mit dem Adjektiv "Dunkel" belegt wird, ist Auslöser all der kommenden Katastrophen.

Nolans Sucht nach Realität zahlt sich aus

Selbst Joker hält sich für eine Art Yang-Spiegel des Batman-Yin. Jokers Herkunft bleibt im Ungefähren. Das Böse braucht keine Erklärung. Wo Gut ist, ist auch Böse. Umso ausführlicher herbei-erklärt ist der zweite Schurke, der erwartungsgemäß auftaucht. Das Schicksal des Staatsanwaltes Harvey Dent ist für jeden Batman-Leser ein offenes Geheimnis (und auch für manch verwirrten Batman-nur-aus-dem-Kino-Kenner, seit Tommy Lee Jones 1995 als Two Face über die Leinwand hoppste wie ein zu bunt geschminktes Karnickel auf Speed). Dent wird Two Face, die tragische Figur, die das Schicksal ihrer Opfer dem Wurf einer Münze überlässt. Nolans Maskenbildner haben bei dem zerstörten Dent hervorragende Arbeit geleistet. Die Hälfte seines Gesichts ist verbrannt, sein linkes Auge liegt lose in einer Höhle ohne Lid, die linke Wange ist porös und legt den Blick auf das Gebiss frei. Hier gilt: einmal durchatmen und sich dem wohligen Gruselschauder der Vorstellung hingeben, so ein Gesicht mit sich herumtragen zu müssen. Nolans Realitätssucht zahlt sich aus. Im nächtlichen Straßengewirr Gothams soll sich ein mehrachsiger Truck überschlagen – so steht es im Drehbuch – und Nolan bestand darauf, diesen Stunt real umzusetzen; kein CGI, keine Computer. Dieser sich überschlagende Truck ist einer der optischen Höhepunkte des an visueller Schönheit reichen Films. Chefkameramann Wally Pfister pflegt eine ruhige Kamera, die das Geschehen ohne modische Vibrationen ordnet, seine Protagonisten stehen häufig vor großen Glasscheiben, hinter denen elegante Hochhäuser stehen, die nur aus Glasfenstern gebaut zu scheinen. Statt die dunkle Großstadt als stickige Enge zu interpretieren, ist Nolans und Pfisters Gotham eine weite, elegante Stadtlandschaft mit langen, luftigen Fluchten.

Nolan hat "Batman" nach den Kino-Irrungen der 1990er-Jahre rehabilitiert. So taghell, wie im "Dark Knight" war Gotham City seit den fröhlichen Sixties nicht mehr, als Adam West noch im Fledermauskostüm Moralitäten absonderte und nach dem "Anti-BAT-Haispray" verlangte. Und so amoralisch war er im Kino überhaupt noch nicht. Schon gar nicht in jenem absonderlichen Tim-Burton-Kapitel, in dem Jack Nicholson als grell geschminkter Joker wie eine aufgedrehte Spielzeugpuppe wirkte.

Anders als Burton oder Joel Schumacher nimmt Nolan seine Titelfigur ernst. Das tut dem Franchise gut, das am Ende – bei aller Aufgeregtheit um Rekordeinspielergebnisse und verstorbene Hauptdarsteller – doch vor allem eines bleibt: Die Verfilmung eines Comics – es geht um übernatürliche Helden, unterirdische Sprüche, großartigen Eskapismus. Comics, Superhelden-Comics zumal, sind immer Gradmesser der gerade herrschenden Moral einer Gesellschaft gewesen.

Aber sie sind vor allem … Comics.

Plakatmotiv: The Dark Knight (2008)

Wertung: 7 von 7 €uro
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