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Plakatmotiv: Arielle, die Meerjungfrau (1989)

Ein großes Werk der
Zeichentrickkunst

Titel Arielle, die Meerjungfrau
(The Little Mermaid)
Drehbuch John Musker & Ron Clements & Roger Allers
nach der Erzählung "Die kleine Meerjungfrau" von Hans-Christian Andersen
Regie John Musker + Ron Clements, USA 1989
Stimmen

Jodi Benson, Dorette Hugo, Anna Carlsson, Caroline Vasicek, Jodi Benson, Ute Lemper, Naomi van Dooren, Caroline Vasicek, Kenneth Mars, Edgar Ott, Jochen Striebeck, Kurt Sobotka, Pat Carroll, Beate Hasenau, Paddy Edwards, Lutz Riedel, Oliver Stritzel, Samuel E. Wright, Joachim Kemmer, Ron Williams, Ron Williams, Buddy Hackett, Jürgen Kluckert, Hartmut Neugebauer, Michael Mohapp, Jason Marin, Tobias Thoma, Denis Reuße, Alexej Solovjov, Will Ryan, Santiago Ziesmer, Erwin Nowak, Hannes Muik, Christopher Daniel Barnes, Frank Schaff-Langhans, Jan Josef Liefers, Sascha Wussow, Ben Wright, Helmut Heyne, Thomas Reiner, Erich Padalewski, René Auberjonois, Victor von Halem, Walter von Hauff, Edie McClurg, Hannelore Schüler, Uschi Wolff u.a. 

Genre Zeichentrick
Filmlänge 83 Minuten
Deutschlandstart
29. November 1990
Website WaltDisney.org
Inhalt

Die kleine Meerjungfrau Arielle hat einen Traum. Einmal nur möchte sie die faszinierende Welt der Menschen an der Oberfläche kennenlernen. Die abenteuerlustige Nixe mit den wallenden roten Haaren kann nicht glauben, dass die Menschen fleischfressende Barbaren sind, wie ihr Vater, der mächtige Meereskönig Triton, das immer behauptet. Als sie den jungen Prinzen Erik vor dem Ertrinken rettet und sich in ihn verliebt, steigert dies nur Arielles Sehnsucht nach der geheimnisvollen Welt über dem Meer.

Plakatmotiv: Arielle, die Meerjungfrau (mit Krabbe Sebastian)Die böse Seehexe Ursula scheint Arielles größten Wunsch erfüllen zu können. Sie schließen einen folgenschweren Pakt: Durch Zauberei soll Arielle für drei Tage zum Menschen werden, dabei aber ihre wunderschöne Stimme einbüßen. Gemeinsam mit ihren beiden Freunden, der Krabbe Sebastian und der Flunder Fabius, macht sie sich daran, das Herz Eriks zu gewinnen. Jedoch: Bekommt sie von Erik nicht innerhalb der drei Tage einen „Kuss der wahren Liebe“, gehört die Seele Arielles der Hexe.

Tatsächlich scheint die Meerjungfrau auch ohne Stimme Erik bezaubern zu können. Ursula jedoch hat schon längst einen teuflischen Plan geschmiedet, um das Unterwasserreich von Arielles Vater Triton an sich zu reißen …

Was zu sagen wäre

Ich sehe die Dinge nun mal nicht mit seinen Augen“, klagt Arielle an einer Stelle über ihren strengen Vater Triton. „Eine Welt kann doch nicht schlecht sein, die so wunderbare Dinge hervor bringt“, sagt sie und bewundert eine verbogene, verrostete alte Gabel, die sie in einem Schiffswrack am Boden des Meeres gefunden hat. Nach einer viertel Stunde nimmt das Drama Konturen an – „Drum wünsch' ich mir, ein Mensch zu sein“, singt die Meerjungfrau; eines von gleich mehreren Liedern, die in dieser Disney-Produktion zu hören sind. Aber, oh Freude, sie stören nicht das Gesamtbild. Im Gegenteil.

Jeffrey Katzenberg rettet den Dunklen Konzern

Lange hat Disney nicht mehr singen lassen. Die Studios waren auf dem Zenit ihres Erfolges nach Bernard und Bianca – Die Mäusepolizei – 1977, Robin Hood – 1973, Aristocats – 1970 und Das Dschungelbuch – 1967 in Ideenlosigkeit erstarrt – ähnlich all der bösen Herrscher aus ihren Zeichentrickfilmen saßen sie einsam in ihrem Schloss und nährten sich von sich selbst – es gab Krimigeschichten mit Sherlock-Holmes-Mäusen, Hundeabenteuer und den x-ten Merlin-Aufguss. Gleichzeitig war die Zeichenkunst verflacht, weil Disney – wie sein Zauberlehrling – vom Fluch der Technik überrollt worden war. Für 101 Dalmatiner (1961) hatten die Zeichner ein neues Verfahren eingeführt, dass es erlaubte nicht mehr jedes einzelne Bild komplett neu zu malen. Die Xerox-Fotokopie hatte es ermöglicht, den skizzenhaften Reiz der Originalzeichnungen direkt auf den Film übertragen. Das von Ub Iwerks eingeführte Verfahren ging schneller, bestimmte zwei Jahrzehnte lang die Optik der Disney-Zeichentrickfilme, führte allerdings zur allmählichen Verflachung der Disney-Animationskunst.

Das ändert sich erst, als Jeffrey Katzenberg Chef der Filmsparte sowie der Zeichentrickabteilung bei Disney wird. Er ersinnt Falsches Spiel mit Roger Rabbit (1987) und dann "Arielle". Die Meerjungfrau ist abenteuerlustig, jung, humanoid, mit einer modernen Prise Frechheit gesegnet (darin unterscheidet sie sich von allen früheren Disney-Heldinnen – frech durften höchstens die Jungs sein) und sie hat einen großen Traum. Also darf, ja muss sie auch singen. Und das, was sie singt, ist so gut, dass "Arielle" bei der Oscar-Verleihung 1990 mit zwei Oscars für den Soundtrack und für den Song "Under the Sea" ausgezeichnet wird. Und wenn es zu … pathetisch wird, kommt Sebastian, die Krabbe, Musikdirektor des königlichen Orchesters und gestrenger Lehrer der Meerjungfrau – Sebastian sorgt für den comic relief.

Dass Arielles großäugiges Prinzessinnengesicht von rotem Wallehaar umspielt wird, tut sicher ein Übriges für den Erfolg. Die Disney-Figuren haben einen Sprung bis fast in die Gegenwart des Kinos gemacht; und dazu nutzt Disney eine Technik aus den frühen Tagen des Zeichentricks. Entscheidende Szenen – zum Beipiel solche mit dem Wallehaar – ließen John Musker und Ron Clements von einer Schauspielerin im Wasserbassin spielen. Die hierbei entstandenen Aufnahmen malten die Disney-Künstler dann wahlweise ab oder über (Rotoskopie). Die Zeichner haben einen gewaltigen Sprung nach vorn gemacht. Die Figuren wirken mit ihren fließenden Bewegungen fast dreidimensional, Arielles Gesicht ist mehr als nur eine Fläche; es hat Kontur und erinnert ein wenig an die junge Deborah Kerr. Dafür sieht der Prinz aus wie alle anderen Prinzen aus den Disney-Studios – in den Nullerjahren des 21. Jahrhunderts erwächst ihnen in Armie Hammer (the social network – 2010; J.Edgar – 2011; Spieglein, Spiegeln – 2012; Lone Ranger – 2013) ein Ebenbild aus Fleisch und Blut.

Kinoplakat zur Wiederaufführung: Arielle, die MeerjungfrauIn einen Hunderetter darf Arielle sich verlieben

Bei all dem Spaß, den der Film macht, stört es auch nicht, dass dieser Prinz sich in Lebensgefahr begibt, nur um seinen geliebten Hund von einem brennenden Schiff zu retten; der aufgeklärte Mitteleuropäer fasst sich kurz an die Stirn – jeder reale Hund hätte sich längst selbst in Sicherheit gebracht – akzeptiert dann aber, dass diese Szene insofern wichtig ist, weil sie ohne viele Worte Arielle deutlich macht, was für ein toller Hecht der fremde Mensch doch ist; in einen Hunderetter darf sich die Prinzessin und Tochter des Herrschers über die Meere verlieben. 

Zur Wiederauflage 1998 fand einem internationalen Vorhaben Disneys folgend auch in der Deutschen Fassung eine Neusynchronisation statt, die bis heute von der großen Fangemeinde der 1990er-Fassung abgelehnt wird und nun „enger am englischen Original“ sein soll, wie Buena Vista International behauptet. Bedauerlicherweise waren die deutschen Verleihchefs der kurzfristigen Mode verfallen, Zeichentrickfilme von prominenten Schauspielern oder Sängern synchronisieren zu lassen, die man werbetauglich auf Rote Teppiche schicken und auf Filmplakat schreiben kann. Jan Josef Liefers wurde der neue Prinz anstelle des unbekannten, aber gut-unauffälligen Frank Schaff-Langhans, Ron Williams ersetzte Joachim Kemmer als Krabbe Sebastian – was in meinen Augen und Ohren ganz besonders schade ist. Der Nachteil der Promis am Mikrofon: Sie drängen sich ihrem Engagement gemäß, in den Vordergrund und machen aus einem Prince Charming einen aufdringlichen Jan-Josef Liefers in Prinzenverkleidung – oder aus einer devot-verzweifelten Krabbe einen Ron-Williams-Klon. Das tut dem Film nicht gut. Mit Aufkommen des Internets wurde der Protest der Ariellefreunde dann lauter und schließlich hatte Disney ein Einsehen: Mit dem Blu-ray-Release im Herbst 2013 stellen die Studios jetzt beide Versionen zur Verfügung.

„Kreative Gründe“ machen einen Film kaputt

Die Gründe für das Beharren auf der Neusynchronisation von Seiten Disneys liegen laut Aussage eines Mitarbeiters von Buena Vista Schweiz beim Buena Vista Mutterkonzern Disney Burbank, die die Entscheidung aus „kreativen Gründen“ fällten. Neusynchronisationen sind bei Disneyfilmen in Deutschland keine Seltenheit, bereits in den 1970er Jahren geschah sowas beispielsweise bei Pinocchio (1940) und Dumbo (1941). Schneewittchen und die sieben Zwerge (1937) existiert gar in drei verschiedenen Synchronfassungen. Trotzdem erregte diese Praxis bei keinem anderen Film so viel Protest wie bei "Arielle".

Wertung: 10 von 10 D-Mark (in der neuen Synchronfassung von 1998 7 von 10 D-Mark)
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