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Kinoplakat: Trainspotting – Neue Helden
Ein Anti-Drogen-Film
der den Rausch feiert
Titel Trainspotting – Neue Helden
(Trainspotting)
Drehbuch John Hodge
nach dem Roman von Irvine Welsh
Regie Danny Boyle, UK 1996
Darsteller

Ewan McGregor, Ewen Bremner, Jonny Lee Miller, Kevin McKidd, Robert Carlyle, Kelly Macdonald, Peter Mullan, James Cosmo, Eileen Nicholas, Susan Vidler, Pauline Lynch, Shirley Henderson, Stuart McQuarrie, Irvine Welsh, Dale Winton u.a.

Genre Drama
Filmlänge 94 Minuten
Deutschlandstart
15. August 1996
Inhalt

Am Rand der Gesellschaft fristen Mark Renton und seine Alkoholiker– und Junkiefreunde ihr Dasein. Verkommene Abbruchbuden sind ihr Zuhause, der Kampf um den nächsten Schuss ihr Alltag. Ihr ganzes Glück ist der Augenblick, wenn der Stoff durch die Venen strömt.

Erst als ein Freund Marks an Aids erkrankt und stirbt, zieht der obsessive Heroinabhängige die Handbremse. Doch damit ist er seinem Freundeskreis immer noch nicht entkommen …

Was zu sagen wäre

Keine einfache Kinokost. Ein Film, der Drogen feiert, der dem Rausch eine sinnlich-schöne Färbung gibt? Wir reden hier nicht vom Rausch durch Marihuana, wir reden hier vom Vollrausch durch harte Drogen, der im allgemeinen erst mit dem Tod endet. Schon der deutsche Titel mit dem Zusatz „Neue Helden“ hat etwas zynisches. Da gibt es im Film eine Szene, da taucht Mark Renton in die „dreckigste Toilette Schottlands“, um die rektal versteckten und dann ausgeschiedenen Opiumzäpfchen herauszufischen. Die Szene ist wie aus dem fantastischen Kino der seligen 50er Jahre (Stichwort Jules Verne) geklaut: Mark schwimmt im azurblauen Wasser des Ozeans und erreicht die Oberfläche wie nach einer reinigenden Dusche. Diese durchweg unverhohlene subjektive Perspektive macht den Film zu einem verstörenden Werk.

Denn natürlich feiert der Film die Drogen („Wer braucht Gründe, wenn er Heroin hat?“). Wir befinden uns unter Junkies („Was sie immer alle vergessen ist, was für einen Spaß das alles macht. Sonst würden wir es doch nicht machen!“). Auch, wenn sie vielleicht nicht freiwillig süchtig sind, sind sie doch erleichtert und glücklich, wenn der nächste Schuss wieder sitzt und wirkt („Den Schuss brauchte sie wirklich. Um den Schmerz zu töten. Also habe ich ihr eine Fixe zurecht gemacht und sie hat einen Schuss gekriegt. Aber erst nach mir. Das war selbstverständlich!“).

Die Story ist grell erzählt – grelle Bilder, schneller Schnitt, außergewöhnliche Soundeffekte … ein Drogenrausch eben. Und auch deshalb schmierig, klebrig, widerlich. Der Zuschauer im Kinosessel – zumindest der, der kein Junkie ist – wird mit einer Lebensweise konfrontiert, die schwer nachzuvollziehen ist. Der Trip ist ein lebensgefährliches Abenteuer, wie ein Indiana-Jones-Ride – nur glauben bei Indiana Jones alle, dass sie ein Fantasy-Abenteuer gucken. Erst mit der Zeit sickert durch, dass Indiana Jones und Heroin auf dasselbe hinauslaufen: mörderische Abenteuer, die man gewinnt oder verliert – „Unsere einzige Reaktion war, weiterzumachen. Drauf zu scheißen. Das Elend zu stapeln, es auf einen Löffel zu schütten und mit einem Tropfen Galle aufzulösen. Es dann in eine Eiter stinkende Vene zu drücken und dann das Ganze von vorn.“ Wenn zwischen Junkies ein Säugling in vollgeschissenen Windeln herumkrabbelt hat das zwischen all den grellen, bizarren, komischen Junkie-Situationen eben überhaupt nichts locker Leichtes. Da ist das Elend der Junkies nicht mehr zu glorifizieren – von einem Frame zum nächsten nicht.

Das Leben der … Anderen, der Nüchternen … ist dabei nicht reizvoller: „Es war gut, wie sich das alles anhört: Profit. Verlust. Gewinnspannen. Übernahmen. Verleihen. Vermieten. Untervermieten. Parcellieren. Betrügen. Aufsplitten. Abspalten. Hier gab es nur die Gesellschaft. Und nichts anderes. Und wenn doch, hatte ich auf jeden Fall nichts damit zu tun!“ Der Film präsentiert uns eine Gesellschaft, die in dem, was der durchschnittliche Zuschauer als normal empfindet, fremd bleibt. Anders ausgedrückt: Die Protagonisten dieses Films – „Sein Kopf lag in einem Haufen Kotze!“ – leben neben unserer als normal empfundenen Welt. Aber diese gewöhnliche Welt ist genauso verseucht, wie die Welt der Drogen. Nur dass die Drogen dort nicht Heroin und Crystal Meth heißen, sondern „Job, Famile, pervers großer Fernseher, Waschmaschine, Auto, CD und elektrischer Dosenöffner, Gesundheit, niedriger Cholesterinspiegel, Krankenversicherung, Eigenheimfinanzierung, Freizeitkleidung, dreiteiliger Anzug. Hemwerkertum, Gameshow (…) mich auf den Tag freuen, an dem ich sterbe.

„Trainspotting“ ist der neue Film des britischen Regisseurs Danny Boyle, der mit „Kleine Morde unter Freunden” (1994) auf sich aufmerksam gemacht hat. Und genau wie dort nimmt Boyle auch hier keine Rücksicht auf angestammte Seh- und hier auch – Hör-Gewohnheiten.

In der deutschen Synchronfassung geht unter, dass der ganze Film im harten schottischen Dialekt gesprochen ist („Ich scheiß drauf, Schotten zu sein!!“) und weite Strecken schon für die US-Kinos neu synchroniert werden mussten („Wir sind der letzte Dreck!! Der Abschaum der Menschheit!! Das erbärmlichste, elendste, unterwürfigste, jämmerlichste Gesiondel, das jemals ins Leben geschissen wurde!!“) – man versteht die Protagonisten nicht. Selbst hartgesottene Im-Original-ist-der-Film-aber-viel-besser-Apologeten tun sich hier schwer mit der OV und greifen verschämt zur Synchronfassung. Dabei geht unter, dass auch eine Sichtweise möglich ist, die da lautet: Der Schotte ist des Englishman Auswurf. Der Schotte bleibt ausgenommenes Opfer.

<Nachtrag 1999>„Trainspotting“ ist die Startrampe für manche Kinokarriere: Ewan McGregor tritt später in die Fußstapfen Ales Guinness’ als junger Jedi-Meister Obi-Wan Kenobi und feiert in Lebe lieber ungewöhnlich (1997), Tim Burtons Big Fish (2003), Michael Bays Die Insel (2005) oder Roman Polanskis Der Ghostwriter (2010) Erfolge. Robert Carlyle startet nach „Trainspotting“ durch mit Filmen wie Ganz oder gar nicht (1997) und als Schurke und Sophie-Marceau-Lover Renard in James Bond – Die Welt ist nicht genug (1999). Ewen Bremner taucht später auf in Filmen wie Snatch – Schweine und Diamanten – 2000), Pearl Harbor (2001) oder Black Hawk Down (2001).</Nachtrag 1999>

Wertung: 9 von 10 D-Mark
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