Buchcover: Elefant
Ein romantischens Märchen aus
dem Gen-Labor mit Süß-Faktor
Titel Elefant
Autor Martin Suter, Schweiz 2017
Verlag Diogenes
Ausgabe E-Book, 352 Seiten
Genre Roman
Website diogenes.ch/martin-suter.html
Inhalt

Ein Wesen, das die Menschen verzaubert: ein kleiner rosaroter Elefant, der in der Dunkelheit leuchtet. Plötzlich ist er da, in der Höhle des Obdachlosen Schoch, der dort seinen Schlafplatz hat. Wie das seltsame Geschöpf entstanden ist und woher es kommt, weiß nur einer: der Genforscher Roux. Er möchte daraus eine weltweite Sensation machen, ein lebendes Spielzeug für Kinder. Allerdings konnte er sein Experiment noch nicht ganz abschließen, denn das Wesen ist ein Produkt des Zufalls. Noch dazu wurde es ihm entwendet.

Der kleine Elefant hat nämlich auch Beschützer. Da ist einmal Kaung, der burmesische Elefantenflüsterer, der die Geburt des Tieres begleitet hat. Er findet, etwas so Besonderes sei heilig und müsse vor dem profanen Zugriff versteckt werden. Aber auch der Obdachlose Schoch, der einmal bessere Tage gesehen hat, sieht auf einmal eine Aufgabe vor sich: Das seltsame Wesen würde zugrunde gehen, wenn er sich nicht seiner annimmt.

Der kleine Elefant erlebt eine Odyssee, die in einem Zirkus beginnt, die Zürcher Obdachlosenszene aufmischt, den Frieden einer Villa auf dem Züriberg stört und schließlich in Myanmar endet, dort, wo man den Elefanten in besonderer Weise huldigt …

aus dem Klappentext

Was zu sagen wäre
ElefantEine Welt wie im Märchen, und das nicht wegen des bezaubernden Fabelwesens, das im Dunkeln in schönstem Pink leuchtet. In Martin Suters Zürich, jener Schweizer Metropole, die bekannt ist als Sitz von Großbanken, Versicherungen und Technischen Hochschulen, die mit nur knapp 500.000 Einwohnern zu den Global Cities zählt und als die mit der höchsten Lebensqualität weltweit gilt, ist von all dem dem nichts zu sehen. Suters Zürich ist bevölkert von schurkischen Genforschern, sympathischen Obdachlosen – Randständige heißen sie im Buch – freundlichen Zirkusleuten und finsteren Chinesen.

Die Chronologie dieser Geschichte ist wild und das ist gut; würde man sie chronologisch erzählen, wäre sie bald durchsichtig. Suter springt zwischen den Jahren 2013 und 2019 hin und her, in jeweils kurzen, maximal wenige Seiten langen Kapiteln, nutzt Rückblicke als Erklärungen für Handlungssprünge in der Gegenwart, die die Geschichte schnell machen, schneller, als sie ist. Es sind dramatische Häppchen um den kleinen rosa Elefanten, der nur klein aussieht, innerlich aber ein großer ist, melancholische Beobachtungen auf Schoch, den Obdachlosen, dem der Elefant seinen Lebensmut zurückgibt, den er einst einer Frau geopfert hat und philosophische Notizen über Kaung, den burmesischen Flüchtling, der im Zirkus von einem Leben in der Heimat träumt und in dem rosa Elefanten eine Gottheit erkennt, die er mit seinem Leben zu schützen hat. Die chronologisch verschachtelten Kapitel fügen sich erst langsam, wie ein Puzzle, zum Großen Ganzen zusammen – bei diesem Buch ist der Weg das Ziel.

Suter ist ein wunderbarer Erzähler, der auf den Punkt bringt, ohne sich in Adjektiven zu verlieren – „Sie mochte um die fünfzig sein und hatte vergeblich versucht, sich ein paar Jahre davon wegzuschminken.“ Statt umständlich Gesichtszüge zu beschreiben, Protagonisten nachdenklich an Bierdosen nippen, an Zigaretten ziehen zu lassen – alles gängige Mittel, um innere Kämpfe der Charaktere zu beschreiben – würzt Suter Stimmungsbilder auch in seinem jüngsten Roman mit kulinarischen Beobachtungen, zu denen neben Salat mit einer „einfachen Sauce aus drei Teilen Olivenöl und einem Teil Balsamico“ auch mal verwässerte Älpler-Makkaroni in Obdachlosenküchen gehören: „Sie schwammen in dem Fett aus Zwiebelschwitze, Sahne und geschmolzenem Käse. (...) Die Gassenküche war nicht berühmt für ihre Küche, aber das Essen war gratis. Im ›Treff-Treff‹ kostete das Essen vier Franken, dafür gab es im CONSU vier Literdosen Bier mit fünf Komma vier Prozent Alkohol.

Dass sich der Autor ausführlich über Gentechnik, Elefantensex und künstliche Befruchtung schlau gemacht hat, lässt er seine Leser deutlich, aber in unterhaltsamer Tonlage wissen – da ist während der Lektüre (des allerdings schmalen Büchleins) zunächst lange nicht klar, was eigentlich erzählt werden soll, ob es nur um Eifersüchteleien zwischen Professoren der Genetik gehen wird, deren Zufallsprodukt ein leuchtend rosa Elefant für die Handtasche ist. Da erweist sich die hin und her springende Chronologie als Glücksgriff. Langweilig wird das Buch nicht. Da hilft auch die angenehme Nüchternheit, mit der die Protagonisten ihren Alltag – auch den unter Alkoholeinfluss – meistern. Suters Helden sind keine psychologisierenden Zweifler und kommen mir trotzdem sehr nahe.

Ich habe Martin Suters „Elefant“ vom 18. auf den 19. Oktober 2017 gelesen.