IMDB
Kinoplakat: Straight Outta Compton
Du kriegst die Jungs raus aus Compton,
aber Compton nicht raus aus den Jungs.
Titel Straight Outta Compton
(Straight Outta Compton)
Drehbuch Jonathan Herman + Andrea Bernoff + S. Leigh Savidge + Alan Wenkus
Regie F. Gary Gray, USA 2015
Darsteller
O'Shea Jackson Jr., Corey Hawkins, Jason Mitchell, Neil Brown Jr., Aldis Hodge, Marlon Yates Jr., R. Marcos Taylor, Carra Patterson, Alexandra Shipp, Paul Giamatti, Elena Goode, Keith Powers, Joshua Brockington, Sheldon A. Smith, Keith Stanfield u.a.
Genre Biografie, Drama, Musik
Filmlänge 147 Minuten
Deutschlandstart
27. August 2015
Website straightouttacompton.com
Inhalt

Die Stadt Compton im Süden von Los Angeles gehört zu den Gegenden mit den höchsten Kriminalitätsraten der USA. Drogenhandel und Ganggewalt sind hier an der Tagesordnung, während die Polizei den vielen afroamerikanischen Einwohnern des Vororts häufig mit Rassismus begegnet.

Die scheinbar aussichtslose Lage veranlasst Mitte der 80er Jahre schließlich fünf junge Männer dazu, ihren brutalen Alltag mittels Musik zu verarbeiten und so ihre Stimmen gegen die herrschenden Missstände zu erheben. Unter ihren Künstlernamen Dr. Dre, Ice Cube, MC Ren, Eazy-E und DJ Yella gründen sie gemeinsam die Hip-Hop-Gruppe N.W.A. (Niggas With Attitude). Mit harten Beats und ebenso ehrlichen wie kontroversen Texten sorgen sie für großes Aufsehen und ecken vor allem auch bei der Polizei gehörig an.

Auch deshalb haben sie mit ihrem Album „Straight Outta Compton“ großen Erfolg. Doch mit dem Ruhm gehen auch zunehmende Differenzen zwischen den Rappern einher, sodass N.W.A kurz nach dem großen Durchbruch schon wieder auseinanderzubrechen droht …

Was zu sagen wäre

Du bekommst die Boys raus aus Compton, aber Compton nicht raus aus den Boys oder auch: Wenn Anwälte auf das wirkliche Leben losgelassen werden, hat das Leben keine Chance; und Paul Giamatti fügt seinen brillanten Performances als Schauspieler eine weitere hinzu.

„Straight Outta Compton“ ist – gerade in der überhitzten Debatte über weiße Polizeigewalt und #blacklivesmatter – erst einmal schwer als Kunstwerk wahrnehmbar. „Straight Outta Compton“ wirkt, wie eine Reportage über das, was schief läuft in den USA – und damit irgendwie auch bei uns. Aus meiner Warte ist das einfach ein ziemlich gutes Drama über Black and White in den Vereinigten Staaten. Es wirkt bizarr, wie die (vornehmlich weiße) Polizei mit Schwarzen Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre umsprang. Es wirkt bizarr, wie Schwarze Gangsta-Rapper sich aufspielten, an Frauen aufgockelten – mein Verständnis für die Ass-and-Tits-,-Big-Cars-and-Diamonds-Attitüde ist vorhanden, aber low level, daher kommt mir dieses dauernde „Yo Man, Yalla, ‘ts Up, Meeen?“ ein bisschen albern vor, aber das ist wohl eher mein Problem. Revier-pinkeln, Abgrenzung war wichtig auch in jener Zeit, das macht der Film von F. Gary Gray („Gesetz der Rache“ – 2009; „The Italian Job“ – 2003; „Extreme Rage“ – 2003; Verhandlungssache – 1998) durchaus deutlich. Gray kennt die Helden seines Films; für Ice Cube hat er Music-Clips gedreht, mit ihm hat er 1995 die Komödie „Friday“ gemacht.

Es ist ein handwerklich sauber inszenierter Kracher. Aufstieg und Fall einer Gruppe junger Musiker. Klassische Drama-Struktur mit geiler Mucke! Und mit Musik kenne ich mich ungefähr so gut aus wie mit Fußball. Ich weiß, es gibt unterschiedliche Stile (Mannschaften), verschiedene Noten (Spieler) … aber im Grunde do I know shit … um im ungefähren (eher schlicht imitierten) Sprachduktus der Protagonisten dieses Films zu bleiben. Muss ich aber auch nicht wissen. Hier ist Kino und bei Kino geht es um Film. Habe ich einen guten Film gesehen? Waren da Profis am Werk? Ist der nötig; hat er Relevanz?

Yup. Yup. Und Yup. Guter Film. Klassisch erzählt über einzelne Charaktere, die eingeführt werden und dann zu einer Story zusammenwachsen – einer wilden Story. Seinem Sujet, der Rap-Musik angemessen, gut montiert (das ist einerseits nicht die ganz große Überraschung bei einem Film über die Entstehung des Gangsta-Rap, wer aber andererseits so manche andere Rap-Filme aus den 1990er-Jahren kennt, der weiß, dass da Vieles schief gehen kann). Der Wahrheitsgehalt – also ob 60, 75 oder 93 Prozent Realität in den biographischen Elementen von „Straight Outta Compton“ stecken, ist erst einmal nebensächlich. Hat der Film also Relevanz? Und wie er die hat!

Das Script von Jonathan Herman, Andrea Bernoff, S. Leigh Savidge und Alan Wenkus baut seinen Plot um zwei Pole. Zum einen die jungen Männer im Ghetto, die mit ihrer Art des Rap – Dre sagt einmal, ich bin ein Reporter, der Geschichten aus dieser speziellen Welt erzählt – Erfolge feiern. Zum anderen ist die Story in der zweiten Hälfte aufgebaut rund um die Aufstände infolge der Rodney-King-Vergehen; Beamte des LAPD hatten den unbescholtenen, schwarezn Bürger Rodney King mit Stockschlägen und Fußtritten brutal traktiert und wurden gut ein Jahr später freigesprochen; daraufhin brachen in Los Angeles gewalttätige Unruhen aus, die das Land im Mark erschütterten. Und hier verlässt der Film dann die bloße Feststellung, ob er denn gut gemacht sei, unterhaltsam sei.

Plötzlich haben wir als Weißbrötchen uns dann damit auseinanderzusetzen, dass Gangsta-Rap eben nicht eine Goldketten schwingende Macho-Attitüde sozial randständiger Frauenficker ist, sondern Antwort auf eine gesellschaftliche, extreme Unwucht. Der Film zwingt uns die Perspektive des Ghettos auf. Jetzt sind wir das Ghetto und die White Asses da draußen sind … der Feind. Es gibt Szenen, die zeigen eine selbstherrliche Polizei – lange vor den Rodney-King-Events im Film – die schwarze Bürger kujoniert, die nur beieinander stehen und schwätzen, da schütteln selbst wir mit unserer braunen Vergangenheit verwundert den Kopf – da haben wir Weißbrötchen, ich, offensichtlich was noch nicht richtig verstanden. Die vergangenen Jahre waren voll mit Berichten über weiße Polizeigewalt in den USA gegen Schwarze und irgendwie mögen wir den Eindruck gehabt haben, dass da was aus dem Ruder läuft, schlimmer wird. Versteht man „Straight Outta Compton“ nicht als Märchenfilm, läuft da nichts aus dem Ruder, wird nichts schlimmer – es war immer schon schlimm, das Ruder greift schon lange nicht mehr.

Bei aller Politik, bei aller notwendigen musikhistorischen Einordnung, für die es wahrlich Berufenere gibt als ausgerechnet mich, der ich gerne auch die jeweils aktuellen Top-Ten der Radio-Charts gut finde (in denen der Gangsta-Rap jetzt eher nicht so die Rolle gespielt hat – jedenfalls nicht zu meiner Zeit im Radio), ist „Straight Outta Compton“ ein packendes Filmdrama, das neben den originären Musik-Krachern mal ganz einfach eine ergreifende, fesselnde Story erzählt über Typen mit einer Idee. Und die auf Anwälte stoßen.

Einer dieser Anwälte ist Jerry Heller – eigentlich Musikproduzent, aber mit allen juristischen Wassern gewaschen. Den spielt Paul Giamatti – wieder mal perfekt. Giamatti ist einer dieser zurückgenommenen Schauspieler, die immer Eindruck hinterlassen, auch wenn sie nur drei Sätze zu sagen haben („San Andreas“ – 2015; The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro – 2014; Saving Mr. Banks – 2013; 12 Years a Slave – 2013; The Ides of March – 2011; „Duplicity – Gemeinsame Geheimsache“ – 2009; Sideways – 2004; Paycheck – 2003). Hier hat er weit mehr zu sagen, charakterisiert noch dazu das (film)politisch heikle Feindbid des geschäftstüchtigen Juden, der den fleißig rappenden Schwarzen ihren Anteil vorenthalten will – „That is the Business!“

Klasse Film.

Wertung: 7 von 8 €uro
IMDB