Taschenbuchcover: Die dunkle Seite
Ein ordentlicher Thriller
für den Urlaub am Strand
Titel Die dunkle Seite
Autor Frank Schätzing, Deutschland 1997
Verlag Goldmann
Ausgabe Taschenbuch, 529 Seiten
Genre Thriller
Website frank-schaetzing.com
Inhalt

Am 21. August 1999 ruft die Kölner Hausbesitzerin Maria Bremer die Polizei, weil sie seit einer Woche ihren Mieter, den Gemüsehändler Mehmet Üsker, nicht mehr gesehen hat. Sie nimmt ihren Generalschlüssel mit und führt zwei Streifenbeamte zu Üskers Wohnung, aus der es übel riecht. Auf einen Stuhl mitten im Wohnzimmer ist eine grausam verstümmelte, aus zahlreichen Wunden stinkende Leiche gefesselt. Der zweiundfünfzigjährige Kommissar Arik Menemenci, der die Ermittlungen leitet, stellt mit Hilfe der Gerichtsmedizin fest, dass Üsker stundenlang professionell gefoltert und dabei mit Aufputschmitteln bei Bewusstsein gehalten wurde. Am Ende starb er qualvoll an drei Bauchschüssen.

Kommissar Arik Menemenci steht vor einem Rätsel. Abgesehen davon, dass es kein erkennbares Motiv für die Tat zu geben scheint, sind auch die brutalen Umstände des Mordes äußerst beunruhigend. Während er noch darüber nachgrübelt, was für ein Mensch ein scolches Verbrechen begeht, erhält die Privatdetektivin Vera Gemini von einem geheimnisvollen Klienten den Auftrag, einen Mann namens Andreas Marmann ausfindig zu machen.
Ihr Auftraggeber, der sich Vera als Simon Bathge vorgestellt hat, gibt ihr zur Suche nach Marmann nur ein Foto an die Hand, das ihn zusammen mit dem Vermissten zeigt – als Soldaten in der Wüste zur Zeit des ersten Golfkriegs.

Vera ermittelt, ohne mit der Polizei zu kooperieren. Als sie erkennt, dass das vielleicht ein Fehler war, ist sie der wahren Identität des Mörders schon tödlich nahe gekommen …

aus dem Klappentext

Was zu sagen wäre
Die dunkle Seite

Ich hatte gedacht, ich hätte alle Schätzing-Romane gelesen. Den vorliegenden habe ich immer für eine Storysammlung gehalten. Mein Kollege Axel korrigierte diesen Denkfehler und lieh mir auch gleich die Taschenbuchausgabe. Ein frühes Werk – noch eher ein Köln-Krimi, als ein Thriller an neutralem Ort; interessanterweise hat der Kölner TV-Sender RTL die Verfilmung des Romans durch Peter Keglevic (2008) von Köln nach Berlin verlagert.

Es geht um Diamanten im Wert von mehreren zig Millionen Dollar, die drei Kameraden einst in der irakischen Wüste zur Zeit des ersten Golf-Kriegs gefunden haben, damals nicht außer Landes schaffen konnten und sich in die Hand versprachen, später zurückzukehren und die verbuddelten Diamanten brüderlich zu teilen. Dann werden sie von irakischen Einheiten im Rückzugsgefecht angegriffen, einer bleibt verwundet allein in der Wüste zurück.

Zeitsprung.

Heute, 1998. Der furchtbar gefolterte tote Gemüsehändler – das weiß der Leser, lange weder Vera Gemini noch gar die Polizei – war offenbar einer der drei Kameraden von damals. Der Reiz beim Lesen entsteht daraus, dass wir den Ermittlern einen Schritt voraus sind und gleichzeitig rätseln müssen, wer denn wer war, damals in der Wüste – im Roman sind es in der Wüste nur Der Fahrer, Der Techniker und Der Scharfschütze. Wer ist heute der, der verwundet zurück blieb? Wer ist heute der, der wusste, dass der Verwundete verwundet, aber nicht tot ist, seinem dritten Kameraden gegenüber aber dies behauptet hat?

Wer also jagt heute wen.

Das Puzzlespiel macht Spaß. Jedenfalls immer dann, wenn Frank Schätzing nicht beweisen will, dass er allerlei recherchiert hat. Was seine späteren Welterfolge Der Schwarm und – vor allem – Limit streckenweise unlesbar macht, taucht auch hier schon auf: Der Autor hat also genau recherchiert, wie das bei der Polizei so abläuft, wenn in einem Mordfall ermittelt wird. Und also erfährt der Leser nicht nur, dass die Beamten – anders als im Fernsehen dargestellt – immer gleich mehrere Fälle gleichzeitig zu bearbeiten haben – was komischerweise im weiteren Verlauf, trotz mehrfacher Erwähnung, nie eine bedeutende Rolle spielt. Er erfährt auch die verschiedenen Hierarchien im Polizeidienst, von denen auch die untereste, der einfach Fakten recherchierende Beamte im Innendienst gerne nach oben und am liebsten in die Mordkommission möchte. Mit derlei Nebengeschichten maövriert Schätzing seine Story jedesmal aufs Abstellgleis, weil er Geschichten eröffnet, die kein Ende mehr finden. Nicht gut für einen Thriller.

Auf der Meta-Ebene des wer-ist-wer-Thrillers setzt sich Schätzig gekonnt mit der medialen Bilderflut durch Fernsehen und – aufkommendes – Computerzeitalter auseinander („Traue den Bildern nicht”) und – etwas bemüht – mit dem Thema „Gewalt in der Ehe, Gewalt gegen Frauen”. In der TV-Verfilmung von 2008 spielt der Medienaspekt keine Rolle mehr, dafür wird das Gewalt-in-der-Ehe-Thema ein zentrales Motiv. Legt man Buch und Film nebeneinander, lässt sich sehr schön studieren, wie ein privatwirtschaftlich organisierter TV-Sender seine Movies strickt. Natürlich fehlt die obligatorische Ermittlerin-nackt-unter-Dusche-Szene nicht.

Am Ende ist „Die dunkle Seite” ein klassischer Bräsig-am-Strand-liegen-und-lesen-Thriller. Wer einigermaßen geübt ist in der Thriller-Diktion, oder wer sich nicht von Schätzings bisweilen geschwätziger Art vernebeln lässt, ahnt sehr bald, wer wer ist in dieser Geschichte. Aber dann bleibt der Spaß, ob man Recht hatte.

Ich habe dieses frühe Schätzing-Werk im Zeitraum 18. September bis 5. Oktober 2011 gelesen.