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Plakatmotiv: Robin Hood (2010)

Lästiges Marketing-Geklingel verdeckt eine
emotional wuchtige Abenteuergeschichte

Titel Robin Hood
(Robin Hood)
Drehbuch Brian Helgeland & Ethan Reiff & Cyrus Voris
Regie Ridley Scott, USA, UK 2010
Darsteller

Russell Crowe, Cate Blanchett, Max von Sydow, William Hurt, Mark Strong, Oscar Isaac, Danny Huston, Eileen Atkins, Mark Addy, Matthew Macfadyen, Kevin Durand, Scott Grimes, Alan Doyle, Douglas Hodge, Léa Seydoux u.a.

Genre Abenteuer, Historie
Filmlänge 140 Minuten
Deutschlandstart
13. Mai 2010
Inhalt

Die Kreuzzüge, die die Engländer im Heiligen Land gefochten haben, sind vorbei, der Ertrag war so gering, dass König Richard Löwenherz auf dem Rückweg in die Heimat ein paar französische Burgen plündern muss. Ein wenig ruhmreiches Unterfangen: Es bringt nicht viel, kostet Ehre, kostet Männer und bringt Unruhe.

Einer der Bogenschützen in der Angriffsformation ist ein gewisser Robin Longstride, der, als der König fällt, seine Schuld fürs Vaterland getilgt sieht und mit ein paar Getreuen gen Heimat reitet. Dort gerät er mitten hinein in französisch-britische Intrigenspiele. Ein machtgeiler Löwenherzbruder, John, besteigt den Thron und schickt seinen neuen Schatzmeister, Sir Godfrey, los, die adligen Landbesitzer des Nordens zu noch höheren Steuerleistungen zu bewegen.

Einer dieser Landbesitzer ist Sir Walter Loxley, dessen Sohn Robert bei den Kreuzzügen ums Leben kam. Weil er keinen weiteren Erben vorweisen kann, droht ihm und der – nun verwitweten – Schwiegertochter Marion Loxley der Verlust der Ländereien. Überbracht hat die Nachricht vom Tode Roberts Robin Longstride. Walter verfällt auf die Idee, diesen als seinen Sohn auszugeben. Marion ist wenig begeistert – zu Beginn; sie lernt aber schnell, dass dieser Robin mehr kann, als nur gut kämpfen. Er ist auch ein verständiger, fürsorglicher Begleiter.

Für aufkeimende Gefühle indes ist gar keine Zeit. Sir Godfrey nämlich, der neue Schatzmeister, ist heimlicher Verbündeter des französischen Königs. Und der will nicht weniger, als das britische Eiland seinem Reich einverleiben …

Was zu sagen wäre

Fairerweise hätte der Film "Robin Hood – The Becoming of a Legend" heißen müssen. Der Titel "Robin Hood" ist über die Kino-Jahrzehnte so sehr mit der grüngewandeter Edel Recke im Wald raubt Reiche beschenkt Arme ärgert Sheriff von Nottingham und freit Maid Marion-Story verwoben, dass ein Film, der eine andere Geschichte erzählt, es ohne Vorrede schwer hat, die Erwartungen des Kinogängers zu erfüllen.

Der Unsinn mit der historischen Wahrheit

Das wird nicht dadurch entschärft, dass Sir Ridley Scott zum Filmstart allerorten behauptet, er erzähle nun erstmals die wahre Geschichte des Mannes mit dem Flitzebogen; wo doch gleichzeitig Historiker und Wissenschaftler höchst unterschiedliche Interpretationen des Mythos parat haben – von „den gab es gar nicht“ über „der hat vor allem für sich und seine Mörderbande geraubt“ bis zu auch bei Shakespeare-Biografen beliebten Multiple-Persönlichkeit-Theorie à la „da wurden verschiedene halbwahre Legenden über die Jahrhunderte von Minnesängern zu einer Person gemendelt“.

Hat es eigentlich mal einen Kinozuschauer interessiert, ob es diesen Robin Hood tatsächlich gegeben hat? Ridley Scotts Ich erzähle die wahre Geschichte ist die clevere Nebelkerze eines im Werbeclip groß gewordenen Filmemachers, der begründen muss, warum nun schon wieder ein Robin-Hood-Film kommt. Schon wieder? Plakatmotiv: Robin Hood (2010) So viele gibt es gar nicht. Aber seit Errol Flynn den grünen Bogenschützen 1938 gespielt hat, nach Robert Fairbanks' Version aus dem Stummfilmjahr 1922, gilt diese Version als der Goldstandard im Robin-Hood-Gewerbe. Wer danach Robin Hood verfilmte, und der erste war dann das Walt-Disney-Studio 1971, musste sich an Flynns Robin Hood messen lassen, musste sich zu diesem verhalten; ignorieren durfte er ihn nicht – weil alle andere sowieso die Vergleiche zogen.

Es gab dann 1976 Sean Connery als Sir Robin, der eine zynische Was später geschah-Geschichte erzählt mit Audrey Hepburn als Lady Marian. Und es gab Kevin Costner, der den Robin 1991 als breitbeinig grinsenden Cowboy in englischen Wäldern spielte, an der Seite einer für damalige Zeiten emanzipierten Lady Marian und einem Mauren, der den Engländern Manieren, Kaiserschnitt und das Fernglas brachte. Das war jeweils zeitgemäß, mal flower-power-ironisch, mal 80er Anything Goes-Style. Und jetzt schreiben wir halt das Jahr 2010, in dem der Stoff nochmal zeitgemäß aktualisiert wurde. Ob das historisch real ist, ist völlig Wurst, lässt aber die Feuilletons bei Historikern anklingeln und Texte darüber verfassen, wo Sir Ridley gepanscht und wo er womöglich richtig gelegen haben könnte. Dadurch werden mehr Texte über den Start dieses Films geschrieben, als wenn's einfach nur Ein neuer Robin Hood wäre. Um den Film als solchen geht es dann in der öffentlichen Wahrnehmung gar nicht mehr. Wie gesagt: Ridley Scott hat das Filme machen in der Werbebranche gelernt (s.u.).

Alte Helden in neuem Gewand

Die vielen Nebelkerzen verstellen den Blick auf ein spannendes, unterhaltsames, auch mitreißendes Action-Abenteuer. Da ist es geradezu anheimelnd, wenn sich im großen Schlachtgetümmel, bei dem der ausgelaugte Kreuzzügler König Richard noch rasch ein französisches Schloss plündern muss, um seine Männer bei Laune zu halten, die ersten Recken um Robin scharen, die wir aus früheren Verfilmungen kennen. Da ist es gleichzeitig spannend, zu erleben, wie das Leben solcher Kämpfer Ende des 12. Jahrhunderts wohl tatsächlich ausgesehen haben mag – sicher nicht wie das der Strumpfhosenhelden um den einst so unterhaltsamen Errol Flynn. Was die Alltagsbeschreibung solcher Männer im Krieg angeht, wirkt Scotts "Robin Hood" 20 Jahre nach Kevin Reynolds' Kriegsheimkehrer-Epos nochmal überzeugender.

Und Russell Crowe ist in dieser Fassung auch der absolut überzeugende Stratege (State of Play – 2009; Lebenszeichen – 2000; Insider – 1999; L.A. Confidential – 1997). Einerseits wirkt er auf seinem Schimmel unter Scotts Regie wie ein Zwillingsbruder des Gladiator (2000). Andererseits unterstreicht Crowe, dass er all die Anzugträger-Rollen lassen sollte. Als Heerführer unter Ridley Scotts Regie ist er einfach unübertroffen. Eine stille Autorität, ruhig im Ton, klar in der Sache und ohne jeden Zweifel führt er seine Männer, die manchmal nur ein paar verschreckte Jungs im Wald sind, die sich als eine Art Vorläufer der Revolutionäre aus dem Jahr 1938 erweisen. Unter Scotts vermeintlich historical correct version leben im Wald all die Kinder, die den Vater in den Kreuzzügen und die Mütter an Plünderer und Brandschatzer verloren haben. Ob das stimmt? Egal. Es ist ein sehr nachvollziehbarer Ansatz – denn dass Männer in den Schlachten starben und Frauen bei den Überfällen, ist in historischen Aufzeichnungen belegt.

Männerfreunde, Lagerfeuer und ein optimistischer Grundton

Trotz der brutalen Brandschatz- und Mordszenen schafft diese Robin-Hood-Version einen optimistischen, hellen Grundton zu halten. Dafür sorgen Robins Männerfreunde, die auch in dieser Robin-Version nicht fehlen dürfen – Little John, Bruder Tuck und Will Scarlett. Robins Nemesis, der Sheriff von Nottingham hingegen hat zusammengefasst zehn Minuten auf der Leinwand und spielt auch da eine untergeordnete Rolle.

Der böse King John sieht aus, wie ein Klon von Joaquin Phoenix als Commodus – King John ist zwar ebenso verschlagen, wie der Römer, sein Darsteller Oscar Isaac bleibt im Vergleich zu Phoenix aber blass.

Eine neue Farbe bringt Kate Blanchett ins Bild (Der seltsame Fall des Benjamin Button – 2008; Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels – 2008; Elizabeth – Das goldene Königreich – 2007; Aviator – 2004; Der Herr der Ringe – Die Rückkehr des Königs – 2003; Der Herr der Ringe – Die zwei Türme – 2002; Heaven – 2002; Schiffsmeldungen – 2001; Der Herr der Ringe – Die Gefährten – 2001; Banditen! – 2001; The Gift – 2000; Der talentierte Mr. Ripley – 1999; Elizabeth – 1998), deren Marion Loxley noch wehrhafter und emanzipierter ist, als ihre direkte Vorgängerin Mary Elizabeth Mastrantonio in Robin Hood – König der Diebe von 1991. Mittlerweile stellt sich – Stichwort: Ich erzähle die historisch korrekte Geschichte – die Frage, wie viel political correctness Historienfilme eigentlich vertragen. Nichts gegen selbständige Heldinnen, aber wird da nicht fleißig die Geschichte geklittert? Vor allem, wenn Lady Marion sich am Ende auch noch ins Kampfgetümmel wirft.

Unter derm Rubrum der historical correctness ebenfalls rätselhaft sind die Landungsboote, mit denen die Franzosen die englische Küste erstürmen wollen. Die sehen aus, wie die US-Boote am Omaha Beach bei der Invasion in Frankreich gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, nur aus Holz. Gab es die? Sahen die so aus? In Robin Hoods Tagen! An diesen Stellen lenkt jenes Marketing-Geklingel, dass die Leute noch einmal in einen Robin-Hood-Film locken sollen, nur ab. Braucht an dieser Stelle eigentlich keiner. Aber da ist die Eintrittskarte ja schon bezahlt.

Ridley Scott hat genug Erfahrung, um zu wissen, wie man der Öffentlichkeit einen teuren Film als unbedingt sehenswert verkauft. Er hat aber auch Erfahrung darin, große Gefühle auf der Leinwand zu erzeugen. Das sollte ich bei allem Kerzennebel zur Seite blasen nicht vergessen zu erwähnen: Sein "Robin Hood" ist ein kraftvoller Film, der Spaß macht, der die unabdingbaren Elemente der Robin-Hood-Legende neu sortiert, der mit starken Schauspielern emotionale Momente schafft. Und der ein zeitgenössisch adäquates großes Abenteuer ausbreitet.

Wertung: 6 von 7 €uro
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