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Plakatmotiv: Road to Perdition (2002)

Tom Hanks beeindruckt in der
Vaterwerdung eines Killers

Titel Road to Perdition
(Road to Perdition)
Drehbuch Richard Piers Rayner
nach der Graphic Novel von Max Allan Collins
Regie Sam Mendes, USA 2002
Darsteller

Tom Hanks, Paul Newman, Jude Law, Jennifer Jason Leigh, Stanley Tucci, Daniel Craig, Tyler Hoechlin, Liam Aiken, Ciarán Hinds, Dylan Baker, David Darlow, Doug Spinuzza, Rob Maxey, Nicolas Cade, James Currie u.a.

Genre Drama, Crime
Filmlänge 117 Minuten
Deutschlandstart
5. September 2002
Inhalt

Amerika, im Winter 1931: Michael Sullivan ist Teil einer Bande aus dem ländlichen Illinois, die im weiteren Umfeld von Al Capone ihr Unwesen treibt. Sein betagter Boss, John Rooney, für den Sullivan als "Vollstrecker" arbeitet, ist sein Ersatzvater geworden. Nach außen hin ist Sullivan gediegen und loyal, und er arbeitet wohlüberlegt und verlässlich. Seine Frau und seine Söhne wissen nichts von seiner oft todbringenden Arbeit.

Als jedoch Rooneys unbeherrschter Sohn Connor im Affekt einen Menschen tötet, wird Sullivans ältester Sohn Michael Zeuge. Die Rooneys nehmen Sullivan das Versprechen ab, dass sein Sohn schweigen wird. Doch wieder ist es Connor, der in seiner Eifersucht auf Sullivan und durch unüberlegte Aktionen eine Eskalation herbeiführt, sodass Sullivans Frau und versehentlich sein jüngerer Sohn getötet werden.

Michael schwört nun blutige Rache und startet einen Feldzug gegen die Rooneys, wobei ihm Sohn Michael nicht mehr von der Seite weicht. Doch seine Gegner sind nicht nur die Rooneys, sondern auch der Auftragsmörder Harlen Maguire, der ihn unerbittlich verfolgt …

Was zu sagen wäre

"Familie": ursprünglich ein Hort der Sicherheit und Klarheit. Es gibt das Oberhaupt. Es gibt die Erben und die potenziellen Nachfolger. Es gibt die Geschäfte, die den Laden zusammenhalten. Alles verbunden durch die unbedingte Loyalität aller zu allen untereinander. Die Familie ist ein zentrales Element im amerikanischen Kino, in dem sie nicht mehr nur Blutsverwandtschaft beschreibt, sondern immer wieder auch synonym für Gruppierungen aller – meist aber krimineller – Art genommen wird, manchmal auch als gesamtgesellschaftlicher Oberbegriff. Francis Ford Coppola Der Pate war 1972 ein Familienfilm, ein Gesellschaftsportrait sowie eine Zustandsbeschreibung der USA insgesamt.

"Road to Perdition" ist ein Familienfilm, der ein Gangsterfilm ist, der ein Gesellschaftsportrait ist. Sam Mendes, der Brite, der von der Shakespearebühne kam und schon mit American Beauty (1999) die amerikanische Gesellschaft im US-Kino durchleuchtet hat, leuchtet die dunklen Ecken dieser Gesellschaft aus. Meistens ist es Nacht in diesem Film. Meistens regnet es in Strömen. Nur ganz zu Anfang und im Finale, die beide direkt zusammenhängen, weil die Geschichte in einer Rückblende erzählt wird, sehen wir eine Szenerie im gleißenden Sonnenschein an romantischem Strand. Wenn die Höllenfahrt beendet ist. Oder wird es doch eine Himmelfahrt?

Auch Mobster haben Familie. neben der beruflichen Familia auch die eigene mit Ehefrau, Mutter uns Kindern. Im Kino spielen die selten eine Rolle, wenn, dann eine am Rande. Hier steht sie im Mittelpunkt. Es ist die Familie von Michael Sullivan, "Vollstrecker" in den Diensten des alternden Kapos John Rooney, der Michael in jungen Jahren an Kindes statt aufgezogen hat, weil Michael keine eigene Familie mehr hatte. Plakatmotiv: Road to Perdition (2002) Die familiären Strukturen verweben sich. John Rooney ist für Michaels Söhne so eine Art Großvaterersatz. Michael verehrt den alten Rooney. Rooneys tatsächlicher Sohn Connor ist ihm wie ein Bruder. Umgekehrt gilt das nicht. Connor, mit dem Goldenen Löffel im Mund geboren, hält nichts von autoritären Familienstrukturen, will sein eigenes Geschäft, betrügt den Vater, hintergeht Michael. Die Geschäfte und damit die Basis des familiär organisierten Zusammenhalts, geraten in Gefahr.

Ebenso wie Michaels Familie in Gefahr gerät, weil der ältere Sohn hinter den Broterwerb seines Vaters gekommen ist. Bald darauf sind Ehefrau und jüngerer Sohn tot und Michael Sr. mit Michael Jr. auf der Flucht. Es ist jetzt Vater Michaels Pflicht, seine (Rest)Familie vor der Familia zu beschützen. Das kann er am besten, wenn er die Geschäfte der Mobster stört, also dessen Gelder raubt. er will die Loyalitäten des Clans brechen, während er gleichzeitig auf die Loyalität seiner Familie – seines Sohnes und einer entfernten Schwägerin – angewiesen ist.

Tom Hanks spielt den Familienvater und Mobster. Das ist eine zunächst seltsame Besetzungsidee, weil Hanks mit seinen bisherigen Filmen nicht für harte Killerrollen steht (Cast Away – Verschollen – 2000; The Green Mile – 1999; e-m@il für Dich – 1998; Der Soldat James Ryan – 1998; That Thing You Do! – 1996; Apollo 13 – 1995; Forrest Gump – 1994; Philadelphia – 1993; Schlaflos in Seattle – 1993; Eine Klasse für sich – 1992; Fegefeuer der Eitelkeiten – 1990; Joe gegen den Vulkan – 1990; Scott & Huutsch – 1989; Meine teuflischen Nachbarn – 1989; "Punchline – Der Knalleffekt" – 1988; big – 1988; Schlappe Bullen beißen nicht – 1987; Nothing in Common – 1986; Geschenkt ist noch zu teuer – 1986; Alles hört auf mein Kommando – 1985; Der Verrückte mit dem Geigenkasten – 1985; Bachelor Party – 1984; Splash – Jungfrau am Haken – 1984). Sein Mike Sullivan, Beruf "Vollstrecker" ist ein schweigsamer Typ, der die Familie mit knappen Sätzen am Frühstückstisch zusammenhält. Seinem Boss gegenüber ist er loyal. Für den Zuschauer im Kinosessel ist er überhaupt nicht der negative Typ. Jede seiner Handlungen erscheint uns nachvollziehbar, zumal er in keiner Szene als gedankenloser Killer auftritt – selbst in denen nicht, in denen er einen Unbewaffneten erschießt. Die Umstände dieser Zeit, sie waren wohl so, dass manch einer nur so überleben konnte.

Es überwiegen ohnehin die Szenen, in denen sich Vater und Sohn näher kommen – wir erleben sechs Wochen in diesem Winter 1931: Die Vaterwerdung eines Killers auf dem Weg in die Hölle. Die titelgebende "Road to Perdition" ist doppeldeutig: Vater uns Sohn befinden sich auf dem Weg zu einer Schwägerin, die in Perdition (Illinois) lebt; im Wortsinn bedeutet "Perdition" etwa "Verdammnis", "Verderben", im übertragenen Sinne bedeutet es in diesem Film "Hölle". Darüber reden Ziehvater und Ziehsohn immer wieder: „Auf eine gute Zeit im Himmel. Zumindest die eine Stunde lang, bis der Teufel merkt, dass er tot ist.“ Später sagt Rooney: „Das ist ein Leben, das wir gewählt haben; das Leben, das wir geführt haben, und nur eines ist sicher: Keiner von uns kommt in den Himmel.

Tom Hanks füllt die Szenen gut aus. Der Pragmatismus eines Mannes, dem das Töten zum Job gehört, die Melancholie in den Augen, weil er von jetzt auf gleich alles hinter sich lassen muss, wohl wissend, dass das für ihn nur auf eine Art enden wird. Und die Angst des Vaters, der seinen Sohn beschützen muss, davor, seinen Ziehvater töten zu müssen. Plakatmotiv: Road to Perdition (2002) Den spielt Paul Newman, einer der Helden des alten Kinos (Message in a Bottle – 1999; Im Zwielicht – 1998; Nobody's Fool – 1994; Die Farbe des Geldes – 1986; Die Sensationsreporterin – 1981; Schlappschuss – 1977; Unter Wasser stirbt man nicht – 1975; Flammendes Inferno – 1974; Der Clou – 1973; Der Mackintosh Mann – 1973; Sie möchten Giganten sein – 1971; Butch Cassidy und Sundance Kid – 1969; Der Etappenheld – 1968; Der Unbeugsame – 1967; Man nannte ihn Hombre – 1967; Der zerrissene Vorhang – 1966; Ein Fall für Harper – 1966; Immer mit einem anderen – 1964; Der Wildeste unter Tausend – 1963; Haie der Großstadt – 1961; Exodus – 1960: Die Katze auf dem heißen Blechdach – 1958; Der lange heiße Sommer – 1958). Newman war als Nebendarsteller für einen Oscar nominiert. Das darf man aber respektvoll als höfliche Verneigung vor dem großen alten Mann betrachten. Seine Rolle ist zu klein, um im Film nachhaltig Spuren zu hinterlassen. Die Rolle des John Rooney war Paul Newmans letzter Leinwandauftritt.

Mit dem Oscar ausgezeichnet hingegen wurde Kameramann Conrad L. Hall, der in seiner Karriere viele Filme mit Paul Newman fotografiert hat (American Beauty – 1999; Zivilprozess – 1998; Jennifer 8 – 1992; Das Gesetz der Macht – 1991; Tequila Sunrise – 1988; Der Marathon-Mann – 1976; Butch Cassidy & The Sundance Kid – 1969; Der Unbeugsame – 1967; Die gefürchteten Vier – 1966; Ein Fall für Harper – 1966; Morituri – 1965). Halls Bilder in "Road to Perdition" sind Aquarelle des Niedergangs, in Dunkelheit gehüllte Sturzfluten, aus denen sich dunkel Männer schälen, funzelig beleuchtete Geschäftszimmer, in denen Geschäfte und Tod verhandelt werden. Bei manchen dieser Bilder möchte man den Film anhalten und einfach nur gucken. Auch für Hall war es der letzte Film; den Oscar für seine Leistung nahm postum schon sein Sohn Conrad W. Hall entgegen.

Der Film ist ein Abgesang auf die Werte der Familie. Freundschaft und Vertrauen sind Illusion, wenn das Geschäft in Gefahr gerät. Wer versagt, wird bestraft. Aus dieser Perspektive ist "Road to Perdition" ein enger Verwandter von Clint Eastwoods Erbarmungslos.

Wertung: 4 von 6 €uro
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