Im Zentrum des Films stehen Ausschnitte aus Pina Bauschs Tanztheater-Stücken „Le sacre du printemps“, „Café Müller“ (ein Café in Solingen, in dessen Nähe Pina Bausch aufwuchs), „Kontakthof“ und „Vollmond“. Diese werden durch Interviewstatements und weitere Tanz-Choreografien ergänzt, die an Schauplätzen in Wuppertal und Umgebung gefilmt wurden …
Ins Ballett würde ich sonst nur gehen, weil ich die Frau, die mich da mit hinnehmen möchte, toll finde. Ansonsten aber kann ich mit Ballett nichts anfangen.
Oder: Ich konnte mit Ballett nichts anfangen. Bis zu diesem Film. Wim Wenders verneigt sich vor der 2009 verstorbenen Choreografin Pina Bausch; ein Mann, der in bewegten Bildern denkt, dessen Beruf die Arbeit mit der Filmkamera ist, widmet sich dem Medium Tanz – das aus nichts anderem, als Bewegung besteht. Und, sozusagen, um es sich ein bisschen schwerer zu machen, filmt Wenders das Ganze auch noch in 3D … in echtem 3D. Geile Bilder hat er da erschaffen!
Wenders liebt die Bewegung. Er respektiert den Tanz. Aber er fordert auch das Bild (Buena Vista Social Club – 1999; Am Ende der Gewalt – 1997; „Der Himmel über Berlin“ – 1987; „Paris, Texas“ – 1984; Der amerikanische Freund – 1977; Alice in den Städten – 1974). Er braucht einen bildhaften Grund, um den Tanz zu filmen und der Grund lautet nicht "Na ja, die Bewegungen der Tänzer fließen doch schön". Also inszeniert der Filmmann die Hommage an die Ballettkönigin. Und hier beginnt der Spaß für uns Zuschauer. Nichts wirkt ballettschwer, niemand bierernst, keiner macht den Sterbenden Schwan. Im Gegenteil. Die Tänzerinnen und Tänzer versprüchen Lebensfreude in drei Dimensionen, vermitteln den Eindruck, als hätten sie einfach gerade Lust gehabt, draußen zu spielen und Klötzchen zu bauen. Oder Stuhl-Burgen. Da baut dann einer Stühle übereinander, gleichzeitig kriecht eine Tänzerin in wehendem Gewand durch die Stühle durch – durch das Kleid der Tänzerin bekommt das Ganze etwas Fließendes, Elegantes, gemischt mit (auweia) Cirque-de-Soleil-Artistik. Ich spüre den unbedingten Willen zu tanzen.
Wir erleben Menschen, die in andere hineinspüren wollen. „Ich sah Pina oft Café Müller tanzen. Ich wollte spüren, was in ihr vorging“, sagt eine Tänzerin. "Sie bewegte sich, wie mit einem Loch im Bauch. Als käme sie aus dem Reich der Toten." Diesem Erspüren schauen wir zu und bald ist es egal, ob man spürt, was in Pina Bausch vorgegangen sein mag oder ob man im Rausch der fließenden Bewegung, die abwechselnd auf der Bühne und in realer Landschaft stattfindet, eigenem Spüren nachhängt – hypnotisches 3D.
Wenders holt den Tanz auf die große Leinwand und er riskiert, dass aus den eleganten, gesichtslosen Tänzern – ganz dahinten auf der Bühne – große nahaufgenommene Menschen mit komischen Bewegungen werden … sie werden verletzlich … werden Tänzer … Arbeiter … werden … Mensch. Daraus wird ein Fest fürs Auge, ein großes Festival, eine Liebeseklärung an seine Titelheldin.
Zwei schöne Beobachtungen am Rande: Der Tanz auf Zehenspitzen – das Ballett schlechthin also, das als Ausdruck höchster Bewegungsleichtigkeit gilt – der federleichte Tanz findet in der Kulisse einer stillgelegten Schwermetall-Fabrik statt, ein Spitzentanz für Heavy Metal. Und natürlich darf in einem Film aus Wuppertal dessen Wahrzeichen nicht fehlen. Eine der optisch schönsten Nummern spielt rund um die – auch schwebende – Schwebebahn.
Der ganze Film ist eine einzige Leichtigkeit des Seins.