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Kinoplakat: O Brother, where art Thou? – Eine Mississippi-Odyssee

Clooney und Turturro verirren sich in
einer Sammlung literarischer Verweise

Titel O Brother, where art Thou? – Eine Mississippi-Odyssee
(O Brother, where art Thou?)
Drehbuch Ethan Coen & Joel Coen
nach Motiven der "Odyssee" von Homer
Regie Joel Coen + Ethan Coen, UK, Frankreich, USA 2000
Darsteller

George Clooney, John Turturro, Tim Blake Nelson, John Goodman, Holly Hunter, Chris Thomas King, Charles Durning, Del Pentecost, Michael Badalucco, J.R. Horne, Brian Reddy, Wayne Duvall, Ed Gale, Ray McKinnon, Daniel von Bargen u.a.

Genre Komödie
Filmlänge 106 Minuten
Deutschlandstart
19. Oktober 2000
Inhalt

Mississippi, 1936: Im tiefen Süden der USA fliehen drei Kettensträflinge durch ein Maisfeld in Mississippi: Everett Ulysses McGill, der selbstbewusste Anführer, Delmar, der freundliche Einfaltspinsel sowie der zeitweilig hitzköpfige Pete. Auf ihrer Flucht in die Freiheit erlebt die schräge Dreierbande das größte Abenteuer ihres Lebens.

Da ist ein hinterhältiger Bauer, der das Trio an die Polizei verrät. Da gibt es verführerische Sirenen, die am Flussufer lauern. Einen einäugigen Bibelverkäufer, dem man besser nicht trauen sollte. Eine nächtliche Ku-Klux-Klan-Parade sowie einen Gouverneur, der verzweifelt Wahlen gewinnen will.

Zum Glück hat sich die Schallplatte, die unsere Helden unterwegs aufgenommen haben, längst zu einem Überraschungshit entwickelt …

Was zu sagen wäre

Natürlich ist es ein Lied, dass den drei Galgenvögel ihre Hälse rettet. Lieder beherrschen diesen Film, ohne dass er ein Musical wäre. Die Musik trägt wesentliche Teile der Handlung und vermittelt die wichtigsten Musikstile im ländlichen Süden der USA in den 1930er Jahren wie Blues, Bluegrass und anderer früher Country-Musik, genannt Old-Time Music. Es wird viel gesungen auf dem Soundtrack. Und als die drei Ausbrecher, auf der Suche nach dem schnellen Dollar, erfahren, dass sie nur „in eine Dose singen müssen“ und dafür jeder 10 Dollar bekomme, tun sie das eben. Das der Song dann ein Riesen-Hit wird, kriegen sie erstmal gar nicht mit, sorgt am Ende aber für das Happy End dieses merkwürdigen Films.

Die Vorlage dieser Odyssee durch das ländliche Mississippi stammt vom irrfahrenden Odysseus. Aus Homers klassischen 12.200 Hexameterversen haben die Coen-Brüder 106 Kinominuten geschaffen, die anstrengend sind. Viel passieren tut nicht. Wenn man Historiker ist oder gut belesen in der klassischen Literatur, hat man Freude daran, die Elemente zu identifizieren, die es aus der Odyssee in die US-Südstaaten gebracht haben wie der einäugige Zyklop, hier ein Bibelverkäufer mit krimineller Attitüde, die Sirenen, hier drei badende Frauen, die sich den dreckverkrusteten Männern an den Hals werfen, und der Odysseus jagende Poseidon tritt in Form eines Sheriffs mit Höllenhund an seiner Seite auf – das Lexikon des Internationalen Films sieht folglich einen „im positiven Sinne postmodernen Film, der seine Chiffren und Zeichen geschickt zu setzen versteht“. Der Großteil im Kinosaal begnügt sich mit einem amüsanten Auftritt von George Clooney, der sich fröhlich die Haare einölt und sich zum klug daher redenden Deppen stilisiert (Der Sturm – 2000; Three Kings – 1999; Der schmale Grat – 1998; Out of Sight – 1998; Projekt: Peacemaker – 1997; Batman & Robin – 1997; Tage wie dieser … – 1996; From Dusk Till Dawn – 1996).

Angeblich stehen als Ziel 1,2 Millionen Dollar im Raum, die binnen vier tagen gehoben werden müssen, bevor das Land, wo diese Beute vergraben ist, von einem Staudammprojekt überflutet wird. Das jedenfalls hat Clooney-Ulysses seiner Chan-Gang erzählt, an die er im Gefängnis gekettet ist, und die er ja irgendwie zur Flucht überreden musste. Es offenbarte erst im letzten Drittel, dass das nicht stimmt, aber es war von Beginn an eher ausgeschlossen, dass dieses unterbelichtete Trio am Ende jeder mit unglaublichen 400.000 Dollar in die Freiheit spaziert. Dieser MacGuffin ist also ein schwacher dafür, dass wir an Handlung wenig erleben. Das eigentliche Ziel von Ulysses ist es, die Neuvermählung seiner Ex-Frau Penny ("Penny wie "Penelope", Odysseus Frau) zu verhindern und sie samt der sieben gemeinsamen Töchter zurückzugewinnen; allerdings ist schimpfende und opportunistische Penny – Holly Hunter in einer Gastrolle (Lebe lieber ungewöhnlich – 1997; Familienfeste und andere Schwierigkeiten – 1995; Copykill – 1995; Die Firma – 1993; Das Piano – 1993; Always – Der Feuerengel von Montana – 1989; Broadcast News – 1987; Arizona Junior – 1987; Blood Simple – Eine mörderische Nacht – 1984) – in keiner Sekunde eine überzeugende Frau, die jemand zurückgewinnen will. So geht es halt weiter, immer weiter und erstaunlicherweise ist die Polizei nicht in der Lage, die Männer, die auf ihrem Weg eine Bank überfallen und Autos klauen, aufzuspüren.

Aber fotografiert ist das alles wieder superb, Coens Hauskameramann Roger Deakins führt wieder die Kamera (Hurricane – 1999; Überall, nur nicht hier – 1999; Ausnahmezustand – 1998; The Big Lebowski – 1998; Kundun – 1997; Mut zur Wahrheit – 1996; Fargo: Blutiger Schnee – 1996; Dead Man Walking – 1995; Die Verurteilten – 1994; Hudsucker – Der große Sprung – 1994; Barton Fink – 1991). So ist das bei den Coens ja oft (s.u.): Sie suchen sich ein Genre, schreiben eine dazu passende Geschichte und bauen dann zumindest visuell den ultimativen Vertreter dieses Genres. Zu gucken gibt es viel in diesem Film, zu erleben wenig.

Der Titel ("O Bruder, wo bist du?") ist in Früh-Neuenglisch, wie es zu Zeiten Shakespeares gesprochen wurde, und eine Reverenz an Preston Sturges Filmklassiker "Sullivans Reisen" aus dem Jahr 1941. In dieser Komödie will ein Regisseur unter demselben Titel einen Film über die Große Depression drehen und wandert dafür ebenfalls durch Amerika. Das muss man nicht wissen, um den Film zu verstehen; wenn man es aber weiß, macht das den Film auch nicht besser.

Wertung: 5 von 11 D-Mark
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