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Plakatmotiv: Gamera gegen Jiggar (1970)
Ein goldener Markstein in meiner
japanischen Monsterbiographie
Titel Gamera gegen Jiggar – Frankensteins Dämon bedroht die Welt
(Gamera tai Daimaju Jaiga)
Drehbuch Niisan Takahashi
Regie Noriaki Yuasa, Japan 1970
Darsteller Tsutomu Takakuwa, Kelly Varis, Katherine Murphy, Kon Ohmura, Junko Yashiro, Franz Gruber, Ryô Hayami, Akira Natsuki, Corinne Orr u.a.
Genre Monsterfilm
Filmlänge 83 Minuten
Deutschlandstart
21. April 1972
Inhalt

Als zur Expo 1970 eine antike Statue an den Ort der Weltausstellung gebracht wird, erwacht ein altes gigantisches Wesen und folgt der Statue nach Japan. Dort trifft es auf die Riesenschildkröte Gamera.

Bei einer ersten Konfrontation injeziert das bösartige Monster Jiggar seinem Kontrahenten Gamera seinen Nachwuchs, welcher parasitengleich in der Riesenschildkröte heranwächst. Ein Forschungsteam dringt mit einem Fahrzeug in Gamera ein, um die Parasiten zu töten, bevor diese aus ihrem Wirt herausbrechen …

Was zu sagen wäre

Kinder denken meist viel logischer als Erwachsene!“ Die Gamerafilme entwickeln sich zu einer Art Enid Blyton aus Fernost: Fünf Freunde kämpfen gegen Jiggar – wobei es streng genommen nur vier sind, drei Kinder und ein Monster. Archäologen rufen angesichts des Ungeheuers die Armee, Kinder verstehen die Kreatur („Gamera setzt sich für den Frieden ein!“). Militär und Wissenschaft sind staunende Zuhörer, wenn die Kinder ihnen dann klar machen, womit genau die Welt es hier zu tun bekommt. „Dr. Williams hat es doch eben selbst gesagt“, referiert Hiroshi vor der honorigen Wissenschaft-Militär-Mannschaft: „In dieser Statue steckt ein besonderes Gift. Und dieses Gift lässt alle ganz schlimm krank werden. Alle Menschen. Dann ist doch wohl logisch, dass das Gift der Statue bei Jiggar genauso funktioniert. Ist doch klar! Der Teufelsflüsterer ist sein Fluch. Durch ihn können wir ihn sicher los werden!“ „Du bist ja ein ganz Schlauer.

Man versteht die Intention dieser Kinoserie besser, wenn man den Titelsong, gesungen von euphorischen Kindern, übersetzt:

Gamera, Gamera!
Du bist großartig. Du bist großartig. Du bist Gamera.
Sonntag. Montag. Dienstag. Mittwoch. Donnerstag. Freitag.
Ein großes Monster steht im Weg.
Ein tief gekühltes Monster.

Komme, was da wolle. Es hüpft, es springt. Lauf. Lauf. Lauf.
Gamera,
Wir wissen Du hast einen Düsenantrieb.
Du bist großartig. Du bist großartig. Du bist Gamera.
Sonntag. Montag. Dienstag. Mittwoch. Donnerstag. Freitag.
Ein großes Monster steht im Weg.
Es springt, es hüpft. Lauf, lauf, lauf!
Gamera, wir wissen, Du hast einen Düsenantrieb.
Du bist großartig, Gamera.
Du bist großartig, Gamera.
Du bist großartig, Gamera!

Plakatmotiv (Jap.): Gamera gegen Jiggar (1970)Gamera etabliert sich hier endgültig als Beschützer der Menschheit – und riskiert dafür ein schweres Schicksal. Im Vergleich zu Godzilla ist Gameras Motivation viel klarer, kindgerechter. Wenn Jiggar ihn beim zweiten Kampf entscheidend verwundet, bekommt Gamera einen opernhaften Abgang: er stolpert einmal quer durch die Modellkulisse, um schließlich am Strand zu sterben.

Grundsätzlich muss Gamera mehr einstecken als Godzilla: Von Barugon wird er vereist, von Viras aufgespießt, von Gaos zerschnitten, Jiggar jagt ihm Pfeile in Arme und Beine, sodass er sich nicht mehr in seinen schützenden Panzer zurückziehen und wegfliegen kann; er liegt hilflos zappelnd auf dem Rücken. Unter größten Mühen gelingt es ihm, sich zu befreien. Man kann das als Metpaher auf Japans Schicksal  nach Hiroshima/Nagasaki sehen: Wir sind auch wieder aufgestanden. Das würde sich ins Mythen-Konstrukt des Films fügen: Jiggar kommt vom Kontinent Mu, von den „westlichen Inseln“ (um nicht Osterinseln zu sagen), während Gamera aus einem arktischen Kontinent kommt, der früher von Riesenschildkröten bevölkert war. Also: Der Kampf zweier asiatischer Mythen gegeneinander!

In Ausstattung und Tricktechnik bleibt „Gamera tai Daimaju Jaiga“ seinen Vorgängern treu: Auch dieser Film ist eine Billigproduktion, in der mehr Spielzeug zu sehen ist als echtes Gerät. Auch wiederkäut man wieder Aufnahmen aus früheren Gamerafilmen, hier Bilder ängstlicher Menschen im Luftschutzkeller. Die Monsterkämpfe sind wenig spektakulär inszeniert. Aber Gameras Opfer in diesem Fim ist eine der großen Szenen der einschlägigen Filmgeschichte: In einer Verbeugung vor Richard Fleischers Science-Fiction-Film Die phantastische Reise (1966) reisen zwei Kinder mit einem Mini-U-Boot ins Innere Gameras, der sterbend am Strand liegt, infiziert mit einem Ei Jiggars, aus dem ein Baby-Jiggar schlüpft. Die Jungs machen den Baby-Jiggar unschädlich und retten damit Gamera das Leben. Die Wunden, die Jiggar Gamera im ersten Kampf schlägt, bei dem er ihm die Möglichkeit nimmt, Arme und Beine einzuziehen, nehmen Bezug auf den ersten Teil. Damals freuten sich die Wissenschaftler, dass sie die Schildkröte auf dem Rücken hatten, wo sie sie wehrlos wähnten. Damals zog sie Arme und Beine ein und flog davon. Diese Möglichkeit, das weiß zumindest der Gamera-Fan, hat Jiggar ihr nun genommen. Die Kröte liegt hilflos auf dem Rücken und kann Arme und Beine nicht mehr einziehen, also nicht abheben. Aber – siehe oben – sie schafft es dann ja doch!

Bei diesem Film ist ein Blick auf den Filmstart in Japan interessant: Er startete dort am 21. März 1970, sieben Tage nach Eröffnung der Weltausstellung in Osaka, auf deren Gelände große Teile des Films spielen. In manchen Szenen wirkt „Gamera tai Daimaju Jaiga“ wie ein Werbefilm für die Expo 70: „In den einzelnen Themenpavillons können wir die Fortschritte der Menschheit nachvollziehen“, doziert da etwa der Experte für prähistorische Kunst, Kaisuke. „Im Sonnentower wird einem wird einem auf verständliche Art und Weise durch bewegliche Modelle erklärt, wie die Evolution der Menschheit verlaufen ist. Dazu gehören auch die Relikte der vorangegangenen Kulturen. Früher haben die Menschen eben mehr an Mysterien geglaubt, weißt Du.“ „Dann hoffe ich, dass die Menschen nicht nur kommen, um die Zukunft zu sehen.“, freut sich Hiroshi. „Nein. Viele Menschen kommen auch wegen der alten Kulturen.“ Auch die Monster dürfen sich auf dem Expogelände prügeln.

<Nachtrag 2014>Es ist der letzte große Film der Serie, der sowohl in den USA als auch in Deutschland im Kino gelaufen ist. Die nachfolgenden Filme haben nicht mehr dieses Produktionsniveau, nicht mehr dieses Budget in der Produktion der Special Effects, der Außenaufnahmen.

Durch die Kinderperspektive war die Gamera-Serie die sehr viel gefälligere Monsterserie, während Godzilla schwerblütig und bedeutsam durch die Handlung stapft. Aus heutiger Sicht aber sind die speziell die alten gamerafilm schwer vermittelbar – weder Kindern, noch gar Erwachsenen. Man muss erstens Teenager sein, um nachvollziehen zu können, dass die Erwachsenen in den Filmen – also die Elterngeneration – phlegmatische Gehorcher sind, und man muss akzeptieren, dass sich die Special Effects seit 1970 sehr viel weiter entwickelt haben (man muss also viel Toleranz in Vorleistung bringen). Nur aus der Teenager-Perspektive kann man nachvollziehen, was da passiert! Aber genau wegen seiner kindlichen Dramen hat mich Gamera in der 11-Uhr-Matinée am Sonntag im Weißhauskino in Köln-Sülz geflasht, während in den Godzillafilmen die spannenderen Monster, aber todernst, aufmarschierten.

Deswegen spielt dieser spezielle Film in meinem Japanische-Monster-Universum eine hervorgehobene Rolle: Weil es hier die Kinder (die in meinem damaligen Alter sind) sind, die durch eigenes Handeln Gamera und damit die Welt retten. In anderen Gamerafilmen gab es schwer zu verstehende telepathische Verbindungen zwischen Junge und Monster.</Nachtrag 2014>

Und die Moral von der Geschicht: „Endlich konnte die Expo 70 eröffnet werden. Wir hatten eine Lektion erteilt bekommen, was passieren kann, wenn man zu viel auf einmal wissen will. Und das man als Erwachsener vor allem niemals die Kreativität und das Wissen der Kinder unterschätzen sollte – genauso wenig wie Toleranz und Loyalität.

Wertung: 6 von 8 D-Mark
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