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Plakatmotiv: Taxi Driver (1976)

Manchmal braucht die Zivilisation einen
von ihr Ausgestoßenen, um aufzuräumen

Titel Taxi Driver
(Taxi Driver)
Drehbuch Paul Schrader
Regie Martin Scorsese, USA 1976
Darsteller

Robert De Niro, Cybill Shepherd, Jodie Foster, Harvey Keitel, Albert Brooks, Leonard Harris, Peter Boyle, Harry Northup, Norman Matlock, Steven Prince, Martin Scorsese, Diahnne Abbott u.a.

Genre Drama
Filmlänge 114 Minuten
Deutschlandstart
7. Oktober 1976
Inhalt

Nacht für Nacht erlebt der New Yorker Taxifahrer und Vietnamveteran Travis Bickle den Moloch Großstadt von seiner negativen Seite. Zu seinen Kunden gehören Kriminelle, Prostituierte und Drogenhändler, während ringsherum in den Straßenschluchten Verfall und Zerstörung unkontrolliert wuchern.

Plakatmotiv: Taxi Driver (1976)Als Betsy ihn zurückweist – blond, selbstbewusst, Karriere orientiert – keimt in Travis der Wunsch nach einem komplexen Befreiungsschlag. An einer zwölfjährigen Prostituierten, die der Taxifahrer aus ihrem Elend zu befreien gedenkt, entzündet sich der entscheidende Funke …

Was zu sagen wäre

Schluss mit den kernigen Helden. Clint Eastwood hat ausgedient. Travis Bickle, der Taxifahrer, wäre womöglich eines der ersten Opfer eines Coogan oder eines Harry Callahan, jenen Cops, die nur mit diesem verkniffenen Make-my-Day-Gesicht Clint Eastwoods zu denken sind – oder dem coolen von Steve „Bullitt“ McQueen. Mit solchen Klassikern des City-Crime-Movie hat Martin Scorseses Held nichts gemein.

Er ist einsam. Er kann nicht schlafen und fährt deshalb nachts Taxi. Da erlebt er im Rückspiegel allen Schmutz der großen Stadt: Ausbeuter, Sadisten, Dealer, Betrüger, gehörnte Ehemänner. Jede Nacht endet damit, dass er den Rücksitz seines Taxis säubert, „manchmal auch von Blut“. Die Tage verbringt er in Pornokinos, wo er ähnliche Figuren erlebt, wie auf seinem Rücksitz. Travis Bickle ist der große Einsame des zeitgenössischen Kinos. Früher waren die cool und wurden von John Wayne, Robert Michum oder Clint Eastwood gespielt, die vor Rückprojektionen von Städten oder der Prairie fuhren oder ritten. Martin Scorsese schickt seinen Titelhelden mitten in den Moloch, bleibt mit seiner Kamera immer nah dran am Schmutz der Straße, über welchen Bickle sinniert, dass er den Regen liebe, der den Schmutz des Lebens in den Rinnstein spüle.

Travis Bickle ist der Anti-Held, der Gegenentwurf zum guten amerikanischen Familienvater, der sich im Büro für Frau und die zwei Kinder krumm legt, wie sich das auch Betsy, die Karriere orientierte Wahlkampfhelferin von ihrem späteren Mann mal vorstellt. Bickle hat das nicht geschafft. Und Robert De Niro, der in Scorseses Hexenkessel (1973) schon schillerte, bevor ihn dann Francis Ford Coppola vor zwei Jahren als jungen Vito Corleone ins Rampenlicht geschossen hat, spielt diesen Taxifahrer als einen, der dabei ist, seine letzten Träume zu beerdigen und zu einem zweiten Wizard zu werden, seinem Kollegen aus der Taxi-Zunft, der den Job seit gefühlt 100 Jahren macht und alles über alles weiß.

Zurück aus dem Krieg in Vietnam hat er auf das Leben à la Betsy keinen Zugriff mehr gefunden, aber Nacht für Nacht den Eindruck, er müsse gegen die Verkommenheit der Welt vorgehen. Jemand solle mal anfangen, New York von all dem Dreck und Abschaum zu befreien. Plakatmotiv: Taxi Driver (1976)Also kauft er Waffen, unter anderem eine 44er Magnum, ein kleiner Gruß an den großen Richter und Henker Harry Callahan. Allerdings ist der Umgang mit dieser Waffe hier blutiger. Wo bei Eastwood die Gegner sich krümmen und umfallen, wird ihnen unter Scorseses Regie die halbe Hand und das Gesicht weggeschossen – die 44er ist eine blutige Angelegenheit.

Es ist dieser kühle Realismus der Straße, der den Film bemerkenswert macht. Da ist nichts Schönes. Da ist keine Filmstudio-Deko. Scorsese folgt den Frauen und Männern der französischen Nouvelle Vague und dreht on location; das hat auch seinem Hexenkessel diese Wucht verliehen. Draußen ist der Schmutz allemal realistischer, als wenn der Set Designer verknülltes Papier in der Studiodeko drapiert.

In einer Nebenhandlung taucht ein Senator auf, der um das Präsidentenamt kämpft. Der hält ertüchtigende Reden ans Volk, während seine Assistenten immer die neuesten Umfragen parat haben. Der Senator verspricht, die Gesellschaft vom Kopf wieder auf die Füße zu stellen. Und Betsy, seine Wahlkampfhelferin, hängt an des Senators Lippen. Da streift Scorsese die Welt der Naiven und Sedierten mit ihren Vorstadt-Häuschen und den Träumen vom perfekten Leben, wie es Hollywood seit 80 Jahren als Idyll verkauft. Während Travis auf seinem quitschenden Federbett liegt und wartet, dass es 18 Uhr wird und er in sein Taxi steigen kann.

Dieser Mann hat mit dem amerikanischen Traum nichts zu tun. Prompt wird er zum gefeierten Helden dieser Naiven und Sedierten. Endlich greift einer durch, – und die 12-jährige Iris aus den Fängen ihres brutalen Zuhälters befreit und dadurch zurück in die elterlichen Arme in Pittsburgh und in die Schule gebracht zu haben, ist ja auch eine Leistung in diesen düsteren Zeiten, in denen New York zu den Städten mit der höchsten Kriminalitätsrate gehört.

Martin Scorseses Studie eines einsamen Mannes ist auch Portrait einer Gesellschaft, die an ihren zivilisierten Mitteln erstickt. Manchmal braucht es einen Taxifahrer mit 44er Magnum, der die verschlungenen Pfade des Gesetzes … abkürzt.

Ein kalter Film. Auf unangenehme Weise realistisch.

Wertung: 8 von 9 D-Mark
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