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Plakatmotiv: Trautmann (2018)

Eine spannende Lebensgeschichte
auf TV-Niveau herunter gesüßt

Titel Trautmann
Drehbuch Marcus H. Rosenmüller + Nicholas J. Schofield
Regie Marcus H. Rosenmüller, Deutschland, UK 2018
Darsteller

David Kross, Freya Mavor, John Henshaw, Harry Melling, Michael Socha, Dave Johns, Barbara Young, Chloe Harris, Mikey Collins, Gary Lewis, Dervla Kirwan, Angus Barnett, Max Befort, Achim Bogdahn, Butz Ulrich Buse u.a.

Genre Biografie, Drama
Filmlänge 120 Minuten
Deutschlandstart
14. März 2019
Inhalt

Mit 17 Jahren wird Bernd Trautmann in die Wehrmacht eingezogen und gerät als Soldat gegen Ende des Zweiten Weltkriegs in Kriegsgefangenschaft in der Nähe von Manchester.

Die deutschen Soldaten veranstalten während ihrer Gefangenschaft Fußballspiele und bei einem dieser Spiele ist auch Jack Friar, Trainer des kleinen Vereins St. Helens, anwesend, der sofort Trautmanns großes Talent als Torwart erkennt. Friar engagiert den deutschen Soldaten als Torhüter für St. Helens, doch dort bleibt er nicht lange, auch wenn er sich in Margaret, die Tochter seines neuen Trainers, verliebt hat: Schon bald verpflichtet der äußerst erfolgreiche Club Manchester City Trautmann als Keeper, was von den Fans allerdings mit Entrüstung aufgenommen wird, schließlich gehört Trautmann zu den ehemaligen Feinden.

Erst während des legendären FA-Cup-Finales von 1956 gelingt es dem deutschen Torwart, die Herzen der Fans zu erobern …

Was zu sagen wäre

An den Tränen der Hinterbliebenen kommst Du nicht vorbei“, mahnt den deutschen Tormann und ehemaligen Fallschirmjäger Trautmann dessen Noch-Trainer – eigentlich, um ihm zu erklären, warum es ihm nicht wohl wäre, würde der Deutsche seine Tochter ausführen; denn sie würde die Anfeindungen erdulden müssen, die er in Manchester wird erdulden müssen. Aber da ist die Liebe zu dem jungen Mann bei Tochter Margaret längst gefestigt. Ein Szene weiter haben die beiden ihre Hochzeitsnacht hinter sich und ziehen ins eigenständige Leben – er als Torwart bei Manchester City, sie als seine Ehefrau und Stützte gegen die Anfeindungen der Fans, die den Nazi nicht im Tor ihres Vereins haben wollen.

In dieser Szene, dem Gespräch des späteren Schwiegervaters mit dem Deutschen, fokussiert sich das Drama, das Marcus H. Rosenmüller in zwei Stunden ausbreitet und dabei eine Geschichte erzählt, von der man mal Bruchstücke gehört oder gelesen hat – der Torwart, der ein Spiel mit gebrochenem Genick zu Ende spielte – der man aber als Durchschnittsbüger eher weniger Interesse hinterherschickte. Schon das ist ein Verdienst des Films, denn die Geschichte vom Hitlerjungen der zu einem englischen Fußballidol wird, ist es wert erzählt zu werden.

Alles darum herum allerdings ist eher frei interpretierte Erzählung. Die zentrale Liebesgeschichte, die so rein und unschuldig beginnt, gab es so nicht. Als Trautmann Margaret kennenlernte, hatte er bereits eine kleine Tochter mit seiner ersten Verlobten. Die Ehe mit Margaret hielt auch nicht, wie es der Film andeutet, bis zu Margarets Tod 1980. Statt dessen ließen sie sich Mitte der 1960er Jahre scheiden und Trautman heiratete 1970 noch einmal. Auch die Liste der Interessenten, die den Torwart von St.Helens Town weglocken wollten, war durchaus umfangreicher, als es der Film behauptet, in dem lediglich mal der Trainer von Manchester City am Spielfeldrand steht, der Trautmann prompt in sein Team holt.

Die Verkürzung auf einen schnellen Wechsel von St. Helens Town nach Manchester stört nicht, weil sie keine Charaktereigenschaft erzählt. Die privaten Details allerdings sind passend hingeschnitzt, dass es in die ARD am Freitagabend, 20.15 Uhr passt – kein Wunder: Co-produziert hat den Film unter anderem die ARD-Tochter Degeto. Also ist die Filmehe glücklich und einzig und baut die Produktion ein erfundenes Kriegserlebnis ein, das mit einen privaten Schicksalsschlag korrespondiert. Während Trautmann nach seinem Genickbruch im Krankenhaus liegt, läuft sein Sohn John vors Auto und stirbt. Daraufhin macht Trautmann sich Vorwürfe, weil er Schuld aus dem Krieg trage, als er es versäumte, einen Vorgesetzten daran zu hindern, einen kleinen Jungen zu erschießen, der sich von diesem seinen Fußball zurückholen wollte. Eine solche Geschichte hat es nicht gegeben. Auch war Trautmann kein harmlos verwirrter Jugendlicher, der sich, wie im Film, eher zufällig zum Krieg meldete.

Tatsächlich meldete sich Trautrmann mit 17 freiwillig zur Luftwaffe, wurde Fallschirmjäger, kämpfte in Russland, der Ukraine und Frankreich. Er war, anders als der Film insinuiert, ein glühender Nazi, auch noch in den ersten Monaten der Gefangenschaft. Dass Juden massenhaft ermordet wurden, erfuhr der Träger des Eisernen Kreuzes anders als viele seiner Landsleute und Kameraden nicht erst bei Kriegsende, sondern sah es an der Ostfront mit eigenen Augen, sah, wie SS-Angehörige jüdische Zivilisten in vorbereitete Gräben trieben und systematisch erschossen. Darüber sprach er erst in seinen letzten Lebensjahren.

Diese Verschiebungen der Wahrnehmung, der Historie, machen den Film als solchen nicht schlecht. Bei dem hätte ich mir an manchen Stellen gewünscht, dass die Streicher ihre Violinen liegen und die Regie stattdessen einfach die dazugehörigen Szenen für sich hätte wirken lassen. Der Film ist ein schönes Stück über Mut, Schuld, Sühne, über Völkerverständigung in schwierigen Zeiten und über englische Fußballer, die ein besonderes Verständnis für Fair Play zeigen und in der mannschaftskabine zur Halbzeit eine Zigarette rauchen. Dass aber Rosenmüller seine Version der Trautmann-Biografie auf die holzschnittartigen Komponenten Ball, Jungen und Große Liebe zuspitzt, wird dem Leben des Portraitierten nicht gerecht, wird dem erwachsenen zuschauer nic ht gerecht, und dem Kino auch nicht.

In eine wahre Begebenheit, die viel Staunenswertes und Dramatisches bereit hält, wurde ein Liter Schmalz zu viel gegossen. Das schadet dem Gesamteindruck. Aber nicht der Geschichte über einen Mann, dessen Ecken und Kanten zwar längst nicht so abgeschliffen waren, wie es der Film behauptet, der aber mit Dickkopf und echtem Drang zur Wiedergutmachunmg mehr für die englisch-deutsche Annäherung und Freundschaft getan hat, als alle sonstigen diplomatischen Bemühungen seitens Bonn bzw. Berlin.

Wertung: 4 von 8 €uro
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