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Kinoplakat: Mad Max: Fury Road

Zärtlichkeit
auf Adrenalin

Titel Mad Max: Fury Road
(Mad Max: Fury Road)
Drehbuch George Miller + Brendan McCarthy + Nick Lathouris
Regie George Miller, Australien, USA 2015
Darsteller

Tom Hardy, Charlize Theron, Nicholas Hoult, Hugh Keays-Byrne, Josh Helman, Nathan Jones, Zoë Kravitz, Rosie Huntington-Whiteley, Riley Keough, Abbey Lee, Courtney Eaton, John Howard, Richard Carter, Iota, Angus Sampson u.a.

Genre Action, Abenteuer
Filmlänge 120 Minuten
Deutschlandstart
14. Mai 2015
Inhalt

Max ist Einzelgänger geblieben. Ihn treiben die Gesichter der vielen Toten, die er nicht hat verhindern können – allen voran das seiner kleinen Tochter. Sein Leben ist Kampf, buchstäblich, täglich; sein Instinkt, sagt er, sei es einzig zu überleben. Das ist in dem postapokalyptischen Ödland nicht das Schlechteste, was ein Mann haben kann. Max ist gerade von von einer Kampfeinheit der War Boys gefangen genommen, der Armee des Tyrannen Immortan Joe. Max dient nun als Blutreservoir für den Warboy Nux.

Zu Immortan Joes Gefolge gehört auch Imperator Furiosa, die einen von Joes Kampftrucks steuert. Sie entschließt sich zu fliehen und fünf jungen Frauen zur Freiheit zu verhelfen, die der Herrscher missbraucht, um Kinder zu zeugen. Gemeinsam versuchen sie Furiosas ursprüngliche Heimat, das Grüne Land, zu erreichen.

Kinoplakat: Mad Max: Fury RoadMax gelingt es, aus seiner Bluttransfusionskerkerhaft zu entfliehen und schließt sich mit dem an ihn geketteten Nux der Gruppe der Frauen an. Von allen Möglichkeiten, nicht überrolt und ausgeblutet zu werden, war diese die einzig realistische. Nun sitzt er am Steuer eines gigantischen Trucks neben Furiosa und fünf schlanken jungen Mädchen – eine schöner als die andere und eine auch noch hochschwanger – und wird von einer qualmenden, staubenden Horde wilder Halbmenschen und Krieger in kraftstrotzenden Boliden gejagt.

Nächster Halt: Das Grüne Land … wenn es das denn überhaupt gibt …

Was zu sagen wäre

Das sind diese Filme, bei denen man sich unweigerlich fragt, was die Kreativen beim Ideenfindungsprozess wohl geraucht haben mögen. Es muss gutes Kraut gewesen sein, wenn am Ende ein lyrisches Action-Ballett auf der Leinwand erstrahlt wie es dieser vierte Mad-Max-Film ist.

Dieser Film huldigt dem Grundprinzip des Kinos, in dem alles in Bewegung ist, ununterbrochen; er hat überhaupt nur vier Pausen zwischen den High-Speed-Tracks – zu Beginn, vor dem Abspann und in der Mitte zweimal, damit der Zuschauer durchschnaufen und sich sammeln kann. Im Kinosessel werden da wehmütige Erinnerungen wach an frühe Teenagernachmittage im Vorstadtkino mit Filmen wie „Frankensteins Todesrennen“ (1975), „Cannonball“ (1976) oder „Deathsport – Giganten mt stählernen Fäusten“ (1978), in denen David Carradine, bevor er Jahrzehnte später als Quentin Tarantinos Bill (2003) nochmal durchstartete, unter anderem auf „Destructocycles“ zur Legende wurde. Bewegung, Action, knarzige One-Liner, die als Scharnier für eine belanglose Rahmenhandlung dienen.

George Miller, der Erfinder des Max-Universums, hatte offenbar noch eine Rechnung offen mit diesem Gas gebenden Endzeit-Warrior; irgendwas muss ihm gefehlt haben, seine Max-Saga ist ja nie wirklich zu Ende erzählt worden. Der erste Film von 1979(!!) wurde mit all seiner uninszenierten Leere Teil des internationalen Kino-Kanons mit einem unbekannten Mel Gibson, der, etwas pummelig noch, den Tod von Best Buddy, von (fast) Frau und (ganz) Kind rächen wollte und gar nicht so mad war, der zweite, 1981, eine klassische Fortsetzung mit Killer-Bumerangs, Armbrüsten und einer Ölraffiniere; schon damals steuerte Max einen großen Truck durch die Wüste mit Benzin im Container, das an einen fernen Ort gebracht werden muss. Die Vehikel jagten durch die Endzeit, sprangen, kletterten und prügelten Menschen in Hochgeschwindigkeit auf rostigem Blech. Der dritte schließlich, 1985, wurde dieser Film, in dem Tina Turner eine irre Frisur hat und We don't need no other Hero sang. Max selbst verschwand aus der Erinnerung.

Teil IV hatte George Miller schon 1999 angedacht, aber immer wurde nichts daraus. Irgendwann sprang Mel Gibson, der Original-Max, ab, neue Autoren kamen, das Projekt drehte sich im Kreis. Es dauerte bis 2011, bis endlich Dreharbeiten aufgenommen wurden. Zwischenzeitlich hatten die Jungs der Fast and Furious-Serie das Steuer übernommen und die Oktanzahl nach oben geschraubt.

Vielleicht ist es ganz gut, dass es so lange gedauert hat, dass „Mad Max IV“ so vielen anderen Actionern in dieser Zet den Vortritt lassen musste. Denn jetzt läuft dieser Schlussakkord vielen anderen Produkten seines Genres den Rang ab – in einem Tempo, dass erst an der Green Screen zerschellt; manche SFX-Szenen sind den einen Schritt zu weit gegangen, reißen mich aus der Handlung und werfen mich zurück in die gepolsterte Realität des Kinosessels. Viel geredet wird nicht, Tom Hardys kerniger Max Rockatansky grunzt die Hälfte seiner Dialoge nur, sagt aber dennoch Sätze wie „Hoffnung ist ein Fehler“, während er die dann doch weich gewordene Imperator Furiosa von sich schiebt und an all die ausgemergelten, dürstenden Gestalten denkt, denen er in dieser Welt begegnet, die von einer irrigen Hoffnung in ihrem elenden Sklavenleben gefesselt werden. Dabei sucht auch Furiosa nur die endgültige „Erlösung“ in dem Chaos um sie herum.

Kinoplakat (US): Mad Max: Fury Road

Was den Film so angenehm erdet, sind seine Schurken. Die Bösen in diesem Film sind wirklich einfach nur böse. Grausam und Böse. Sie halten sich junge Mädchen, um ihr degeneriertes Erbgut möglichst hochklassig zu veredeln und klemmen fette Frauen an Melkmaschinen, um die „Produktionen“ der jungen Mädchen zu füttern. Grausam, böse, widerlich. Auch diese tumben Brutalos wirken wie ein Relikt aus den späten 70er. Miller nutzt sie, um die Sehnsucht seiner Protagonisten zu unterstreichen, die umso größer wirkt, je brutaler die Schurken. In „Fury Road“ ist es ein halbverfaulter Warlord, der junge (und ausgesucht hübsche) Mädchen schwängert – unter ihnen Rosie Huntington-Whiteley, die schon in Transformers 3 eher unter optischen als unter schauspielerischen Gesichtspunkten besetzt worden war. 

„Fury Road“ hätte leicht ein Fall für den #Aufschrei werden können. Da staksen unvermittelt fünf Model-Mädels durch die Wüste im dünnen, weißen Linnen, die sich in ihrer ersten Szene ausgiebig mit Wasser aus hart ejakulierendem Schlauch benetzen (weißer Stoff, Wasser, durchsichtig …). Aber es gibt keinen #Aufschrei.

Die Mädels dienen George Miller für die bessere Sache, die Erkenntnis nämlich, dass männliche Verhaltensmuster primitiv sind, geeignet gerade eben zum Kampf, während es die Frauen zu schützen gilt, weil sie das Erbe in sich tragen, mit ihrer Brut die Welt gestalten, in welcher die Kerle nur … zu Gast sind. Geführt und beschützt werden diese Prinzessinnen von einer einarmigen, mit Wagenschmiere geschminkten Kriegerin, der Charlize Theron allerlei männliche Attribute und eindrucksvolle Statur gibt (A Million Ways to Die in the West – 2014; Snow White and the Huntsman – 2012; Prometheus – 2012; Young Adult – 2011; Hancock  – 2008; Im Tal von Elah – 2007; The Italian Job – Jagd auf Millionen – 2003; Im Bann des Jade Skorpions – 2001; 15 Minuten Ruhm – 2001; Die Legende von Bagger Vance – 2000; The Yards – 2000; Wild Christmas – 2000; Gottes Werk & Teufels Beitrag – 1999; Mein großer Freund Joe – 1998; Im Auftrag des Teufels – 1997; That Thing You Do! – 1996; 2 Tage in L.A. – 1996). Theron hat mit kahl geschorenem Kopf als Furiosa offensichtlich viel Spaß an ihrer Action-Rolle.

Diese moralisch-philosophische Komponente, die allein kaum juveniles Kinopublikum an die Kasse locken würde, ummantelt Miller mit einem modernen Retro-Design. Die Trucks, die hier gegeneinander antreten, sind hochgezüchtete Monster, auf die immer noch eine Auto-Karosserie geflanscht ist, dazu Schießstände, Räumschaufeln, Flammenwerfer und … Stacheln; und mittendrin ein Truck mit Lautsprecherboxen-Türmen, vor denen einen Heavy-Metal-Gitarist auf Flammen schleudernder E-Gitarre zum Kampf aufspielt - albern, aber ein Riesenspaß und – natürlich, möchte ich hinzufügen –  sitzen auf demselben Truck auch ein paar Trommler, die den Rhythmus der Schlacht vorgeben.
 
Die diffizilen Angriffsvorrichtungen, die zu einem schwebenden Stangenballett mutieren, die komplexen, vielseitigen, abwechslungsreichen Klamotten der einzelnen Figuren zeugen von gutem Stoff in der Pfeife und einer hemmungslosen Lust am visuellen Erzählen, dem das Wortlastige eher lästig ist – let‘s get moving.
 
Die Besetzung ist bemerkenswert. Neben Charlize Theron als Furiosa trägt Tom Hardy („Kind 44“ – 2015; Das gibt Ärger – 2012; Dame, König, As, Spion – 2011; Inception – 2010; Sucker Punch – 2008) nach The Dark Knight rises schon wieder einen Maulkorb, redet dafür aber noch weniger und ist vor allem körperlich präsent.
 
Als wir Max wiedersehen, badet er in seinem Schuldkomplex und sühnt mit Blut – als lebender Blutspender für einen der War Boys – die gentechnisch mutierten Bleichgesichter brauchen regelmäßig frisches Blut, um zu überleben. Auf dem Höhepunkt der Action erleben wir, wie Freund und Feind die Extraportion Benzin in ihre Motoren blasen, um die entscheidenden paar Kilometer mehr pro Stunde aus dem Motor zu holen. Eine sehr schöne, bildhafte Umschreibung für das gerne formulierte (und daher so abgegriffen wirkende) Benzin im Blut; dieser Film hat das.
 
„Fury Road“ ist die romantische Idee einer Welt, in der ein Mann tut, was ein Mann tun muss, die Frau das Saatgut bewahrt und den Boden bestellt und beide wissen, dass sie besser die Finger von einander lassen.
Wertung: 7 von 8 €uro
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