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Kinoplakat: Mach‘s noch einmal, Sam

Woody Allens zeitlos
großartige
Komödie

Titel Mach‘s noch einmal, Sam
(Play It Again, Sam)
Drehbuch Woody Allen
nach seinem eigenen, gleichnamigen Theaterstück
Regie Herbert Ross, USA 1972
Darsteller

Woody Allen, Diane Keaton, Tony Roberts, Jerry Lacy, Susan Anspach, Jennifer Salt, Joy Bang, Viva, Susanne Zenor, Diana Davila, Mari Fletcher, Michael Greene, Markland u.a.

Genre Drama, Komödie
Filmlänge 85 Minuten
Deutschlandstart
19. April 1973
Website woodyallen.com
Inhalt

Allan Felix hat Probleme: Nachdem der Filmkritiker von seiner Frau verlassen wird, weil sie von ihm gelangweilt ist und ihr Leben radikal verändern will, bekommt sein ohnehin schwaches Selbstbewusstsein einen schweren Schlag versetzt. Seine beiden Freunde, das Pärchen Linda und Dick, machen sich auf die Suche nach einer neuen Frau für Allan.

Das entwickelt sich allerdings zu einem Fass ohne Boden. Sobald Allan mit einer attraktiven Frau zusammentrifft, spielt er den coolen Macker – für etwa 20 Sekunden, bis er ein Glas fallen lässt, stolpert oder einfach nur Unsinn redet. Das mag ein wenig mit Humphrey Bogart zu tun haben, seinem Idol auf der Leinwand – der so wunderbar klug das verworrene Liebesdreieck im Film Casablanca auflöst. Und Allans Idol auch im Leben.

Bogart gibt Allan Ratschläge. Bogart versucht, ihm seine Komplexe zu nehmen und aus ihm einen coolen, Zigarette drehenden, echten Mann zu machen.

Bogarts Ratschläge gelingen dermaßen gut, dass Allan seine größe Angst überwindet und seinem besten Freund Dick dessen Frau Linda ausspannt …

Was zu sagen wäre

Als wir Allan Felix kennenlernen, sitzt er im Kino. Felix ist Autor für ein Filmmagazin. Und Filmfan. Daran ist gerade nach zwei wechselvollen Jahren seine Ehe in die Brüche gegangen. „Ich will nach Europa. Ich will das Leben genießen. Mit Dir kann man ja nur ins Kino gehen.“ Allan sitzt im Kino und guckt dem Mann zu, mit dessen großformatigen Filmplakaten er seine Wohnung, insbesondere sein Schlafzimmer tapeziert hat: Humphrey Bogart. Casablanca ist sein liebster Film. Die Schlussszene, in der sich Bogart und Bergmann am Flughafen trennen („Im tiefsten Inneren wissen wir beide, dass Du zu Victor gehörst. Du bist es, die ihm die Kraft zu seiner Arbeit gibt. (…) Uns bleibt immer Paris.“), bestaunt er immer noch mit offenem Mund. Auch gerade wieder ist er so in diesen Film versunken, dass er nach dem Abspann in Bogarts breitschultrigem Wiegeschritt aus dem Kino stolpert. Wo er im Tageslicht außerhalb des magischen Kinokreises feststellt, dass er der Kinorealität einfach nicht gerecht wird. Und wie sehr er, es ist Sommer, seinen Psychiater vermisst: „Aber was würde es schon ändern, wenn er da wäre? Der macht doch aus allem, was ich ihm sage, ein sexuelles Problem. Es kann überhaupt kein sexuelles Problem sein. Wir hatten ja gar nichts miteinander. Höchstens mal ein bisschen vorne an. Und dabei hat sie dann noch fern gesehen. Und andere Sender eingestellt.

Herbert Ross verfilmt ein Bühnenstück von Woody Allan mit Woody Allan in der Hauptrolle. Der deutsche Filmtitel läuft ins Leere, weil nicht nur niemand im Film Sam heißt, sondern auch der Originaltitel ein wörtliches Zitat aus jenem Film Casablanca ist, um den sich hier auf der Metaebene alles drehen wird. „Play It again, Sam“, sagt Ilsa zum Barpianisten Sam in "Rick's Café Americain“ in Casablanca und meint damit das Lied "As Time goes by", das ihre einstige Liebesgeschichte mit Rick in Paris begleitete, die so plötzlich endete. Im Deutschen sagt sie an der Stelle „Spiel es noch einmal, Sam. Spiel As Time goes by.Spiel es noch einmal, Sam war dem deutschen Verleih wohl zu unverständlich. Rick, den Humphrey Bogart in Casablanca spielt, hat nie Probleme, Frauen von sich zu überzeugen. Sie himmeln ihn an. Nur Ilsa nicht, die nach den dramatischen Tagen von Paris heute mit einem deutschen Widerstandkämpfer verheiratet ist und Rick erkennen muss Im tiefsten Inneren … siehe oben.

Allan Felix himmeln die Frauen nicht an. Im Gegenteil, wenn er versucht, wie soll man sagen, Kontakt aufzunehmen, scheitert er an seiner grotesk explodierenden Unsicherheit. Einmal zerlegt er seine halbe Wohnung, als er einer potenziellen Partnerin zeigen will, wie cool und intellektuell er ist. Bei einem Anbahnungsversuch im Museum of Modern Art, vor einem Bild von Jackson Pollock, trifft er auf die eine Frau, die noch nihilistischer ist, als er selbst: „(Das Bild) bestätigt die Negativität des Universums. Die erschreckende Sinnlosigkeit menschlicher Existenz. Endloses Nichts. Die Ausweglosigkeit des Menschen, der gezwungen ist, im Käfig gottloser Ewigkeit zu vegetieren. Eine kleine, zitternde Flamme im Chaos einer sturmdurchtobten Leere.“ Dabei übersieht Allan die einzige Frau, die sich wirklich für ihn interessiert. Linda, die Frau seines besten Freundes Dick („Ein Mann investiert etwas und geht damit baden.“), einem geschäftstüchtigen Börsenmenschen, der unablässig telefoniert und einer anonymen Assistentin dauernd die Telefonnummern durchtelefoniert, unter denen er aktuell erreichbar ist, und darüber die Bedürfnisse seiner Ehefrau übersieht.

Linda hat sich in ihrem Gefühl, allein gelassen zu werden, in Allan verliebt, mit dem sie einige Gemeinsamkeiten hat, etwa den Hang zu Psychiatern und zu Psychopharmaka: „Ach, die (Aspirin) habe ich ja alle geschluckt. Wie wär's mit Tavan?“, fragt Allan also Linda und die sagt „Ja, das ist auch gut. Das hat mir mein Psychiater mal gegen Migräne verschrieben.“ „Ich hatte früher auch Migräne, aber die hat mein Psychiater geheilt. Jetzt kriege ich nur noch nervösen Ausschlag.“ „Nein, ich krieg sie immer noch, besonders schlimm, wenn ich mich aufrege.“ „Mir kann, glaube ich, nur ein Chirurg helfen mit einer Gehirnoperation. Möchtest Du das Tavan mit 'ner Fresca?“ „Ja, falls Du dann Apfelsaft hast.“ „Apfelsaft mit Tavan schmeckt zusammen fantastisch.“ „Hast Du schon mal Liebstöckel mit Tomatensaft geschluckt?“ „Nein, ich persönlich nicht, aber ein anderer Patient hat mir erzählt, das wäre einfach um-wer-fend!

Nach sehr schönen, zur Fremdscham einladenden Szenen, in denen der einsame Filmessayist versucht, unbekannte Frauen auf sich aufmerksam zu machen – „Na, wie ist es: tanzen Sie gerne?“, fragt er eine Frau auf der Tanzfläche und die antwortet „Hau ab, Du Knilch!“ – muss der verhinderte Filmheld im Hauptteil eine Entscheidung fällen, die eines Humphrey Bogart würdig ist: Entscheidet er sich für die Liebe und gegen seinen besten Freund? Oder für seinen besten Freund und gegen die Liebe? Es ist das ganz große Gefühlskino, dass Woody Allen in seinem Stück auffächert, gespickt mit seinen Pointen und sarkastischen One-Linern („In Oklahoma wurde schon wieder eine Frau vergewaltigt.“ „Ich war seit Jahren nicht mehr in Oklahoma!“), die schon Woody, der Unglücksrabe (1969) und Bananas (1971) unverwechselbar komisch gemacht haben. Sein Allan Felix weiß selbst nicht, was er von sich halten soll. Eben noch der nervöse Zappelphilipp im Angesicht einer schönen Frau, im nächsten Moment der große Macker, der nur zufällig im Körper eines kleinen, dürren Männchens mit schütterem roten Haar steckt.

Und deshalb der Traum vom Kino. Wie einfach dort doch alles funktioniert. Selbst, wenn es kein Happy End gibt, geht der Held am Ende als moralischer Sieger vom Platz, siehe Casablanca. Allan Felix hält Zwiesprache mit seinem Idol Bogart, den Jerry Lacy mit Hut und Trenchcoat bemerkenswert nahe am Original interpretiert. Bogart versucht, dem unbeholfenen Felix Männlichkeit anzutrainieren – „Küss' sie jetzt!“ – was immer wieder erfrischend schief geht, weil die Männlichkeit, die das Kino in den 40er und 50er Jahren wie selbstverständlich gefeiert hat, längst als reines Kintopp entlarvt ist, das von der Emanzipationsbewegung zur Seite geschoben wird. Damals ist die Kinoindustrie groß geworden, hat ihre Legenden begründet. Und heute landen die Männer mit den Vorbildern, die dieses Kino bietet, bei Frauen keinen Stich mehr – es sei denn, Du bist Pilotensonnenbrillentragender Motorrad-Rocker, greifst Dir einfach das blonde Mädchen und fährst mit ihr in den Sonnenuntergang. Natürlich fällt Allan Felix an entscheidender Stelle solchen Klischeefiguren des Kinos zum Opfer.

In Woody Allens Welt ist das Kino eine Droge. Und wie jede Droge täuscht sie ihrem Konsumenten ein schönes Leben voller Genuss vor. Bis der Mensch sich im Leben ohne Droge nicht mehr zurecht findet. Das zauberhafte an Woody Allens Kino ist, dass die Droge Kino am Ende doch für die ultimative Heldenpose des geprügelten Allan Felix in der Realität sorgt: „Das ist aus Casablanca. Ich habe mein Lebtag drauf gewartet, es zu sagen.“ So werden Felix und Bogey Teil einer wunderbaren Freundschaft – und brauchen einander nicht mehr. Bogart kehrt in seinen Himmel zurück und Allan Felix, der gebeutelte Filmfan, kann doch bleiben wie er ist. Selbst in diesem großartigen, saukomischen Wunderfilm ist die Botschaft die gute alte Bleib Du selbst und auf dem Teppich-Moral. Vom Vorspann bis dahin vergehen 80 Minuten mit herrlichen Dialogen und jeder Menge Wahrheit über die menschlichen Schwächen, die offenbar in jedem Zeitalter, in jeder Generation dieselben sind.

Der Film entstand nach einem Theaterstück von Woody Allen und deutet erstmals an, dass in Woody Allen mehr steckt, als der begnadete Witze-Erzähler. Neben den gut gesetzten Gags erzählt das Stück eine sehr zu Herzen gehende Geschichte von der Emanzipation eines Mannes von seiner Traumwelt.

Wertung: 8 von 8 D-Mark
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