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Plakatmotiv: Leben und Sterben in L.A. (1985)

Blutige Eiswürfel-Herzen
im staubigen Golden State

Titel Leben und Sterben in L.A.
(To Live and Die in L.A.)
Drehbuch William Friedkin & Gerald Petievich
nach einem Roman von Gerald Petievich
Regie William Friedkin, USA 1985
Darsteller

William Petersen, Willem Dafoe, John Pankow, Debra Feuer, John Turturro, Darlanne Fluegel, Dean Stockwell, Steve James, Robert Downey Sr., Michael Greene, Christopher Allport, Jack Hoar, Valentin de Vargas, Dwier Brown, Michael Chong u.a.

Genre Drama, Crime
Filmlänge 116 Minuten
Deutschlandstart
6. März 1986
Inhalt

Richard Chance, Special Agent, stationiert in Los Angeles, will den Mord an seinem langjährigen Partner rächen. Sein Freund war Eric Masters in die Falle gegangen, einem angesehen Künstler – und Geldfälscher.

Um Masters aber zu fassen, muss Chance Wege abseits der Legalität gehen. Er fängt einen Schwarzgeld-Boten ab, von dem er fette Beute erhofft. Mit diesem Geld – nach dem im Ernst niemand fahnden werde, weil dessen Diebstahl niemand anzeigen könne – will er mit Masters ins Geschäft kommen.

Der Überfall auf den Geldboten geht schief: Er wird von wild herumballernden Dritten, mit denen keiner gerechnet hatte, erschossen. Chance und sein neuer Partner Vukovich hatten übersehen, dass der Geldbote ein Undercover-Agent war, dass beide in eine verdeckte Operation geplatzt sind.

Chances Plan zerfällt in seine Einzelteile, aber Aussteigen ist nicht drin: Chance brennt auf Rache für seinen ermordeten Partner …

Was zu sagen wäre

Leben in L.A. heißt Leben in einer staubigen Brache, die von Industriebauten, feurigen Schloten und stumpf glänzenden Rohren beherrscht wird. Die Innenstadt mit den gläsernen Türmen am Horizont ist vage Idee, der Glamour Hollywoods ein anderer Planet. Unter William Friedkins Regie (Cruising – 1980; Atemlos vor Angst – 1977; Der Exorzist – 1973; French Connection – 1971) bleiben von der Glitzermetropole im sonnigen Kalifornien nur die schmutzigen Ecken. Unwirtlich. Verdorrt. Das Setting spiegelt die Seele der Protagonisten. Wer der agiert, wird auf seinen Wert taxiert. Wer nicht liefert, oder unvollkommen liefert, wird weggeschmissen.

Dieser Ort ist bevölkert mit Typen, die im Halbschatten Scheine gegen Drogen tauschen, schmierigen Anwälten, die das Recht nach Größe des Geldbeutels auslegen und Cops, die von den Gangstern, die sie jagen, nur durch ihre Marke zu unterscheiden sind. Die Hauptfigur trägt, Nomen est Omen, den Namen Chance. Plakatmotiv: Leben und Sterben in L.A. (1985) Er ist ein lauter Typ, der seine Chancen nutzt und abweichende Meinungen oder ein Nein nicht akzeptiert. Seine Informantin Ruth behandelt er als seinen persönlichen Besitz, die jederzeit verfügbar zu sein hat, wenn sie nicht zurück ins Gefängnis will; Kredit gewährt er nicht. William Petersen spielt ihn als breitbeinigen, empathielosen Macho, den man bewundern und dann die Fresse polieren möchte. Es ist nach einem Barmann in Der Einzelgänger (1981) erst seine zweite Rolle in einem Kinofilm, Friedkin hat ihn auf einer Bühne in Toronto gefunden, wo er in "A Streetcar named Desire" spielte. Der Schurke in diesem Stück ist auf den ersten Blick das genaue Gegenteil: ein sensibler Künstler, der Gemälde, die ihm misslungen sind, verbrennt, der seiner Freundin zuhört, wenn die einen schlechten Traum hatte. Neben seinem augenscheinlich einträglichen Beruf – er lebt in einer mondänen Villa über der Stadt – geht er seiner wahren Kunst nach, der Geldfälscherei. Und hier kennt der sensible, kulturell interessierte Mann, keine Gnade. Wer ihm zu nahe kommt, den tötet er ohne mit der Wimper zu zucken. Willem Dafoe, auch ein Schauspieler, dessen Karriere noch jung ist (Straßen in Flammen – 1984; Begierde – 1983; Heaven's Gate – 1980) spielt ihn beängstigend mit beinahe dämonischen Zügen.

Zwischen diesen beiden Polen, hier der breitbeinige, aufbrausende Cop, da der feinsinnige, kaltblütige Gangster, gruppieren Friedkin und sein Co-Autor Gerald Petievich, der auch die Romanvorlage geschrieben hat, lauter weitere Typen, denen menschliche Wärme fremd ist: eine eben noch loyal scheinende Geliebte, die kaum, dass ihr Typ tot ist, kalt dessen Wertsachen schultert und in seinem Ferrari der Sonne entgegenfährt; ein Anwalt, der kühl seine Hilfe anbietet für genau die Summe, die der Hilfesuchende unterschlagen hat; FBI-Beamte, die keine Gefangenen machen. Lediglich Ruth, die Informantin, ruft Mitleid hervor, wie sie versucht, in dem kriminellen Strom wenigstens den ein oder anderen Strohhalm für sich zu sichern. Aber auch sie spielt, wo sie kann, die Männer gegeneinander aus.

Friedkin hat das Kunststück geschafft, einen fröstelnden Film in staubiger Hitze zu drehen. Robby Müller, der niederländische Kameramann, dessen Kunst sich Wim Wenders immer wieder sichert (Paris, Texas – 1984), hat ihm den Look zu seinem Drehbuch serviert: „Er besitzt das Auge des Fremden auf die USA“, sagt Friedkin über Müller, „vor allem auf die West Coast. Er fotografiert nicht das Klischee, sondern sieht all die kleinen Details, die das US-Kino üblicherweise übersieht, und ich wollte etwas machen, das ganz anders ist als The French Connection, den wir hauptsächlich an grauen Tagen mit der Handkamera gedreht haben“. Tatsächlich ist "To live and Die in L.A." vor allem visuell die Antithese zu "The French Connection", mit dem ihn sonst viel verbindet; Videocover: Leben und Sterben in L.A. (1985) bis hin zu einer Autojagd zwischen rangierenden LKW, durch Abwasserkanäle bis auf einen Highway gegen die Fahrtrichtung.

Solche Szenen kommen bei Friedkin aus dem Nichts. Eben war noch alles im Fluss, im nächsten Moment läuft die Sache aus dem Ruder. Ohne, das ein Score wummert, gar androht. Die Kamera ist nahe beim Auto – oder im Auto – und zwingt uns im Kinosessel die reale Perspektive der Verfolgten auf, ohne, dass uns Musik ablenken könnte. Wir erleben den puren Straßensound quietschender Reifen, hupender Fahrer, scheppernden Blechs. Die Musik setzt an anderen Stellen ein.

Im vergangenen Jahr hat Friedkin das Video zu Laura Brannigans Hit "Self Control" gedreht. Die Arbeit hat ihn augenscheinlich so inspiriert, dass Teile seines aktuellen Films ebenfalls wirken wie ein Musikvideo. Unterlegt mit einem hämmernden Soundtrack von Wang Chung sind mehrmals rhythmisch geschnittene Sequenzen, die für sich stehen, die Handlung selbst nicht voranbringen. Ähnlich wie die grelle Typo des Filmtitels, die 1:1 vom Plakat in den Film übernommen wurde, setzt auch der Soundtrack Akzente. Er begleitet nicht, er kündigt nicht an. Er kommentiert und betont bestimmte Situationen.

Typo und Soundtrack verleihen dem Film den Touch einer Graphic Novel, in deren Mittepunkt zwei moralisch uneindeutige Männer stehen, die sich in einer unfreundlichen Welt belauern, in der Alle ihren Schnitt machen wollen. "To live and Die in L.A." ist ein pessimistischer Film, der keine Versprechen auf Erlösung anbietet; in dem malerisch die Sonne aufgeht, in deren Untergang aber niemand mehr reitet.

Wertung: 9 von 9 D-Mark
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