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Plakatmotiv: Schatten der Vergangenheit (1991)
Ein eleganter, altmodischer Thriller,
der uns ans Gute im Kino glauben lässt
Titel Schatten der Vergangenheit
(Dead again)
Drehbuch Scott Frank
Regie Kenneth Branagh, USA 1991
Darsteller Kenneth Branagh, Andy Garcia, Emma Thompson, Derek Jacobi, Wayne Knight, Hanna Schygulla, Robin Williams, Lois Hall, Richard Easton, Jo Anderson, Patrick Montes, Raymond Cruz, Patrick Doyle, Erik Kilpatrick, Gordana Rashovich, Obba Babatundé u.a.
Genre Crime, Drama
Filmlänge 107 Minuten
Deutschlandstart
20. Februar 1992
Inhalt

Grace leidet unter Amnesie und unter wiederkehrenden Albträumen, in denen eine Frau ermordet wird. Sie befindet sich unter der Obhut einer kirchlichen Einrichtung. Der Ermittler Mike Church wird gebeten, Grace in ein Krankenhaus zu bringen. Schockiert über die dort herrschenden Zustände nimmt er Grace zu sich.

Ein Freund von Church schreibt über Grace einen Artikel in der Zeitung. Daraufhin melden sich einige Menschen, die behaupten, Grace zu kennen. Grace unterzieht sich bei Franklyn Madson einer Hypnose-Therapie. Nach der ersten Sitzung kann sie wieder sprechen. Es stellt sich heraus, dass sie die in den Albträumen gesehene Frau Margaret Strauss war und in den 1940er Jahren ermordet wurde. Grace könnte ihre Reinkarnation sein …

Was zu sagen wäre

Der gute alte Thriller hat ein Problem, das sich ganz gut an diesem Adjektiv „alt“ erklären lässt. Er ist aus der Mode gekommen. Ende der 80er Jahre ist das Kinopublikum von TerminatorenSternenkriegern oder ballernden Cops im Schießer-Feinripp-Unterhemd an ein Erzähltempo herangeführt, das der Thriller qua Definition nicht bieten kann. Und dann kann man sagen: Ja gut! Dann eben keine Thriller mehr, wenn die dem Kinopublikum nicht mehr vermittelbar sind. So ist das halt. Zeiten ändern sich. Thriller aber waren das Genre, über das der britische Regisseur Alfred Hitchcock die im Kino immer noch aktuelle Bildsprache entscheidend geprägt hat.

Plakatmotiv (US): Dead again – Schatten der Vergangenheit (1991)Kenneth Branagh, britischer Schauspieler, Autor und vor allem Shakespeare-Bewunderer („Heinrich V.“ – 1989), hat nun also trotzdem einen klassischen Thriller gedreht. Klar: Gewohnheitsmäßig interpretiert er Shakespeare, warum soll er dann nicht in der Lage sein, den viel jüngeren Hitchcock zu interpretieren? Branagh hat genau hingeschaut. Seine Schauplätze erinnern an die phallischen Türme aus Hitchcocks Vertigo, sein Personal setzt sich aus Hitchcocks Rebecca zusammen. Diese Bilder sollen dem Zuschauer im Kinosessel verdeutlichen: Wir begeben uns ins Reich des Vergangenen. Darauf muss sich der Zuschauer einlassen.

Im Kern ist Branaghs Thriller eine epochale Liebesgeschichte, eine, die die Ungerechtigkeiten der Zeitläufte überwindet, um vierzig Jahre später doch noch zu ihrem Happy End zu gelangen. Und dafür nimmt die Geschichte manche Wendung in Kauf, die es so nur im Thriller gibt. Aber eben Anfang der 90er Jahre erst entstaubt werden müssten, um  wieder zu funktionieren.

Ins Zentrum dieses Films spielt sich schnell Derek Jacobi („Heinrich V.“ – 1989; Die Schrecken der Medusa – 1978; „Ich, Claudius, Kaiser & Gott“ – TV, 1976), wie Branagh ein Shakespeare-Exeget, der hier einen Hypnotiseur spielt, der gleichzeitig mit Antiquitäten handelt, was er während seiner Hypnosen weidelich nutzt, um über seine Klienten antike Möbelstücke in fernen Herrenhäusern aufzuspüren. Jacobis Figur ist die interessanteste. Mit ihr wird die Mord-Geschichte voran getrieben, während Emma Thompson und Kenneth Branagh damit beschäftigt sind, ihre Liebesgeschichte vor der Kamera zu erzählen (die sich auch dahinter gerade entwickelt). Wenn Derek Jacobi ins Spiel kommt, geht der Thriller voran, weil wir Einzelheiten erfahren, die uns um das wahrlich entzückende Paar Branagh/Thompson bangen lassen, das sich augenscheinlich irgendwie so ziemlich gegenseitig ermordet zu haben scheint.

Branagh macht filmtechnisch alles richtig. Wenn wir uns auf sein 50er-Jahre Paralleluniversum einlassen – also: auf die damalige Sichtweise der Kinozuschauer – dann sehen wir einen eleganten Thriller mit schönen Bildern, guten Schauspielern und einem angemessen verknoteten Plot. Aber eben nur dann.

Nur der gute alte Thriller erlaubt im Kino noch Erklärungen, die was mit Seelenwanderung und buddhistischem Kharma zu tun haben. Im Stirb Langsam-, Star Wars-, oder Terminator-Zeitalter muss das X, das wir uns im Kino bereitwillig für ein U vormachen lassen, schon sehr viel Special-Effect-geladener sein, um uns umzuwerfen.

Umso schöner, dass uns Kenneth Branagh unabhängig von solchen kommerziellen Überlegungen einen eleganten, auf wunderbare Weise altmodischen Thriller beschert, der uns an das Gute im Kino glauben lässt.

Wertung: 7 von 10 D-Mark
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