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Plakatmotiv: Der blaue Engel (1930)
Erst Hauptdarsteller Emil Jannings
macht aus dem Film ein Drama
Titel Der blaue Engel
Drehbuch Carl Zuckmayer + Karl Vollmöller + Robert Liebmann
nach dem Roman „Professor Unrat“ von Heinrich Mann
Regie Josef von Sternberg, Deutschland 1930
Darsteller Emil Jannings, Marlene Dietrich, Kurt Gerron, Rosa Valetti, Hans Albers, Reinhold Bernt, Eduard von Winterstein, Hans Roth, Rolf Müller, Roland Varno, Carl Balhaus, Robert Klein-Lörk, Károly Huszár, Wilhelm Diegelmann, Gerhard Bienert u.a.
Genre Drama
Filmlänge 106 Minuten
Deutschlandstart
1. April 1930
Inhalt

Immanuel Rath ist Gymnasialprofessor in einer deutschen Kleinstadt – ein pedantischer und verschrobener Mann, den seine Schüler heimlich auslachen. Eines Tages entdeckt er während des Unterrichts bei einem seiner Schüler eine Fotokarte einer Tingeltangel-Sängerin, die in dem Hafen-Variété „Der blaue Engel“ ein Gastspiel gibt. Rath wittert sofort Unzucht und macht sich – aus rein pädagogischen Gründen, wie er sich selbst einzureden versucht – auf den Weg, um das verrufene Lokal in Augenschein zu nehmen.

Plakatmotiv: Der blaue Engel (1930)Lola Lola – so der Künstlername der Sängerin – ist mit Umziehen beschäftigt, als der Lehrer sie zur Rede stellt. Rath kann – zu seinem eigenen Erstaunen – die Augen nicht von der lasziven, aber gewöhnlichen Schönheit abwenden. Ein Dessous, das der völlig verwirrte Professor zu Hause in seiner Manteltasche findet, gibt ihm einen Grund, Lola wieder aufzusuchen. Er verfolgt eine ihrer Gesangsnummern, verbringt die Nacht mit ihr – und ist ihrem dubiosen Charme so sehr verfallen, dass er den Dienst quittiert, um sie zu heiraten.

Die Sängerin scheint ihrerseits vor allem an Raths Geld interessiert zu sein. Nachdem sein kleines Vermögen aufgebraucht ist, geht es mit der ohnehin merkwürdigen Verbindung bergab. Rath verkommt zusehends …

Was zu sagen wäre

Ich habe die Obrigkeit nicht zu fürchten!“ sagt der Professor, der nur das Beste im Sinn hat und Spott erntet. Emil Jannings liefert ein erschütterndes Portrait eines Mannes, der Niemandem Böses will und von allen bestraft wird, weil er einer Frau verfällt, die mit Reizen nicht geizt.

Es ist die alte Geschichte: Ein Mensch, eingehegt in gesellschaftliche Zwänge, erliegt einer Versuchung, die süße Freuden verheißt, wenn er diese gesellschaftlichen Zwänge nur endlich mal sprengt. Was bleibt übrig: Am Ende ist der ehemals angesehene Professor der Dumme August, der sich rohe Eier auf dem Kopf zerschlagen lassen muss.

Das eigentliche Drama erzählt schon Heinrich Mann in seinem Gesellschaftsroman; Josef von Sternberg und – vor allem – Emil Jannings bleibt das Verdienst, dieser Geschichte einer gesellschaftlichen Höllenfahrt durch den Dämon namens Frau, ein Gesicht gegeben zu haben. In der jungen Marlene Dietrich findet von Sternberg die kongeniale Besetzung der TingelTangel-Lola, die den Mann der Geisteswissenschaften um den Verstand bringt, nur weil sie ohne Rock vor ihm steht. Und an dieser Stelle fehlt dem Film Entscheidendes.

Wir lernen den Professor als einsamen Mann kennen, der in einer Pension wohnt, bewirtet von einer kühlen Herbergsmutter. Als der Kanarienvogel in seinem Zimmer tot am Boden liegt und Immanuel Rath ratlos trauert, schmeißt sie den toten Vogel mit der Bemerkung in den Ofen, „Gesungen hat er ja schon lange nicht mehr“. Das mag ein sarkastischer Verweis auf spätere Momente sein, wenn Rath der Sängerin Lola verfällt, die halt nicht nur ohne Rock vor ihm steht sondern auch noch singen wird, sie sei „Von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“.

Der Professor aber, der eigentlich „Doktor“ ist, von seinen Schülern aber „Professor“ gerufen wird, ist in keinerlei Gesellschaft eingebunden. Wir sehen ihn allein in seiner Pension, wir sehen ihn im Klasasenzimmer, in dem sich seine Schüler heimlich über ihn lustig machen. Des Professors gesellschaftlichen Absturz aber muss Emil Jannings ganz alleine stemmen; dass er ins gehobene Establishment seiner Stadt eingebunden ist, müssen wir uns denken.

Josef von Sternberg überlässt zuviel Mutmaßung über die psychologische Getriebenheiten dieser Geschichte seinen Zuschauern, ohne diesen Belege zu liefern – wäre da nicht Emil Jannings. Wenn der TingelTangel am Ende zurück in Raths Heimatstadt gastiert und Rath sich als alberner Clown maskieren lassen und auch noch auf die Bühne gehen muss, sehen wir jeder Faser dieses Mannes seine gesellschaftliche Degradierung an, sehen, was in ihm vorgeht. Emil Jannings ist großartig.

Wertung: 4 von 6 D-Mark
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