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Plakatmotiv: Get Out
Großer Schrecken mit
einfachsten Mitteln
Titel Get Out
(Get Out)
Drehbuch Jordan Peele
Regie Jordan Peele, USA 2017
Darsteller Daniel Kaluuya, Allison Williams, Catherine Keener, Bradley Whitford, Caleb Landry Jones, Marcus Henderson, Betty Gabriel, Lakeith Stanfield, Stephen Root, LilRel Howery, Ashley LeConte Campbell, John Wilmot, Caren L. Larkey, Julie Ann Doan, Rutherford Cravens u.a.
Genre Horror, Komödie
Filmlänge 104 Minuten
Deutschlandstart
4. Mai 2017
Website uphe.com/movies/get-out
Inhalt

Ein Landhaus im Grünen, ein Wochenende bei den Schwiegereltern in spe, der Empfang ist herzlich – vielleicht eine Spur zu herzlich. Schnell muss Chris Washington feststellen, dass mit der Familie seiner Freundin Rose Armitage etwas nicht stimmt.

Bizarre Zwischenfälle auf dem Anwesen ihrer Eltern Dean und Missy verwandeln den vermeintlich entspannten Antrittsbesuch unversehens in einen ausgewachsenen Albtraum für den Familien-Neuling …

Was zu sagen wäre
Horrorkino. Menschen in den Fängen eines Monsters. Dieses Monster heißt Michael Myers, Freddy Kruger, Jason Voorhees oder ist ein Zombie, ein Vampir – oder gerne auch mal ein Außerirdischer. Im Genre des gering budgetierten Horrorfilms haben wir eigentlich alles gesehen und langweilen uns entsprechend schnell. Willkommen in einer neuen Horrorwelt.

Ein Schwarzer spaziert durch ein bürgerliches Viertel und sucht die Straße, in der seine Freundin wohnt; auffällig unauffällig umkreist ihn ein Porsche 924, dessen Fahrer – maskiert mit einem Motorradhelm – ihn schließlich verschleppt. Schnitt. Vorspanntitel. Damit ist die Gewohnte Welt des Helden in diesem Drama hinreichend erklärt (für die Zwecke dieses Films), denn dass es um Schwarz gegen Weiß, dass es um US-amerikanischen Rassismus geht, das machen nicht nur Filmplakat und erste Rezensionen klar; das macht auch dieser Einstieg sehr elegant brutal klar.

Dabei wirkt das – obacht: gefährliche Begrifflichkeiten – gemischt-rassige Liebespaar sehr vertraut miteinander, verliebt, realistisch dargestellt. Allison Williams ist großartig, wie sie mit kleinen Gesten, mit einem Augen-Blick viele Sätze erspart. Sie war bisher mit TV-Soaps und Comedy („Girls“) beschäftigt. Das sollte sich ändern. Ihr Gesicht dominiert auch die große Leinwand. Die Kamera hält sich zurück, beobachtet das Geschehen vom Stativ oder vom Dolly aus. Die Musik auf der Tonspur ist zurückhaltend.

Und dann kommt die Begrüßung durch die Schwiegereltern. Künftige oder potenzielle Schwiegereltern waren bislang eher in Komödien für den Schrecken zuständig. Bei Jordan Peele sind sie es im Horrorfilm.

Plakatmotiv (US): Get OutPeele zeigt die Begrüßung in der Totalen, ganz so, als gebe es bei dieser dann ja doch ungewöhnlichen Begrüßung gar nichts zu sehen – ganz so, als sei es selbstverständlich, dass arrivierte Weiße einen schwarzen Schwiegersohn in die Arme schließen. Aber während wir – die Regisseur Peele als Horrorfilmprofis überwinden muss – noch an diesem Bild arbeiten, zieht die Kamera unmerklich auf, plötzlich kommt rechts in den Anschnitt die Schulter des Gärtners. Diese und zwei weitere kleine Szenen machen uns deutlich, dass wir Popcorn, Nachos und Cola vielleicht doch mal besser aus der Hand legen. Da dräut von irgendwo irgendwas – die Angestellten sind wunderbar gruselig inszeniert. Nach einer viertel Stunde jedenfalls bin ich tief drin in einem (unheimlichen) Kosmos.

Als die Freundlichkeit beginnt, ihre hässliche Fratze zu zeigen, sitzt Katherine Keener, die Mutter, da und wenn sie nun „Glaube mir, hör auf mich, vertraue miiiir“ singen würde, würde ich mich nicht wundern – ein Monster mit undurchschaubarem, sanftem Lächeln, wie die Python Kaa aus dem Dschungelbuch. Was folgt ist die übliche Reaktion im Kinosessel: Kenne ich schon, Ich lasse mich gruseln, weiß aber eigentlich, wo der Hase lang läuft – solche Sachen halt.

Wie schön, dass das Kino mich immer noch überraschen kann. Wie großartig Jordan Peele mich in den Sessel nagelt, der ein Novize ist im Kinogeschäft. Er hat Zeichentrickfiguren synchronisiert („Störche – Abenteuer im Anflug“ – 2016) und Nebennebenrollen besetzt in irgendwelchen Filmproduktionen. Mit „Get Out“ durfte er zeigen, was ihn bewegt – und während ich im Kinosessel alles hervorkrame, was ich ich über Hypnose weiß, ist Peele längst zwei Stufen weiter. Dieser Film ist keine einfache Thriller-Nummer nach Schema F; der Film zeigt eine eigene Handschrift mit all den Schwächen, die solche Filme auch haben – die aber bezaubernderweise nicht stören.

Peele hat einen neuen Schrecken ausgemacht: Als Chris aus der Betäubung erwacht, sitzt er gefesselt in einem mit braunem Leder ausstaffierten Spielzimmer (in dem Backgammon-, Schach- und Dame-Schachteln stehen) und einem Hirsch an der Wand – Chris ist Spielzeug und Trophäe in einem. „Nowadays, black people are the new cool people.“ Es ist chique geworden für die weiße Oberschicht, es ist en vogue, ein Schwarzer zu sein.

Im Oscarrennen 2018 muss der Film, muss mindestens Betty Gabriel ein Wort mitreden … sie ist als Köchin/Haushälterin fantastisch, wenn sie auf Chris’ reagiert, der sagt, er fühle sich allein unter Weißen unwohl. Und das nicht nur, weil wir Zuschauer uns längst ebenso unwohl fühlen und gar nicht wissen, wohin mit unsererem schlechten Gewissen.

Wertung: 7 von 8 €uro
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