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Plakatmotiv: Blood Simple – Eine mörderische Nacht (1984

Groteske Krimi-Komödie
der echte Menschen fehlen

Titel Blood Simple – Eine mörderische Nacht
(Blood Simple)
Drehbuch Joel Coen & Ethan Coen
Regie Ethan Coen + Joel Coen, USA 1984
Darsteller

John Getz, Frances McDormand, Dan Hedaya, M. Emmet Walsh, Samm-Art Williams, Deborah Neumann, Raquel Gavia, Van Brooks, Señor Marco, William Creamer, Loren Bivens, Bob McAdams, Shannon Sedwick, Nancy Finger, William Preston Robertson u.a.

Genre Krimi
Filmlänge 99 Minuten
Deutschlandstart
26. September 1985
Inhalt

Die Ehe mit dem reichen Barbesitzer Marty ist für die attraktive Abby eine Qual. Der misstrauische Kerl vertraut seiner Frau nicht, weswegen er den zwielichtigen Privatdetektiv Visser engagiert hat.

Der liefert anschauliche Beweise: Ausgerechnet einer von Martys Angestellten, der Barkeeper Ray, treibt es mit der Frau seines Chefs. Natürlich kann und will Marty das nicht auf sich sitzen lassen. Für 10.000 Dollar heuert er den Detektiv ein weiteres Mal an. Diesmal soll Visser statt mit einer Kamera mit einem Revolver bewaffnet in Rays Appartement einbrechen und das Pärchen im Schlaf ermorden.

Doch Visser, der sich irrtümlich für einen Vollprofi hält, hat eigene Pläne, entwendet stattdessen Abbys Revolver und trifft sich mit Marty in dessen Büro. Dort gibt er ihm als Beweis für den angeblich ausgeführten Mord ein gefälschtes Foto und erschießt Marty, nachdem dieser das versprochene Geld aus dem Tresor genommen und, ohne Vissers Wissen, das Foto in den Tresor gelegt hat. Visser vergisst danach jedoch sein Feuerzeug am Tatort.

Ray, den Marty natürlich sofort an die Luft gesetzt hatte, nachdem er die Fotos gesehen und noch bevor er den Mordauftrag erteilte, kommt wenige Minuten nach dem tödlichen Schuss in die Bar – eigentlich will er die Kasse ausräumen, findet aber Martys Leiche und Abbys Revolver. Messerscharf schließt er daraus, dass seine Geliebte die Mörderin ist; hatte sie nicht sowas mit dem Satz „Ich glaube, wenn ich ihn noch einmal sehen muss, erschieße ich ihn“ angedeutet? Er will die Leiche verschwinden lassen, um seine Freundin zu schützen, und packt den Körper in sein Auto. Auf der Fahrt in die Umgebung merkt er, dass Marty noch lebt, schwer verletzt ist, aber eben nicht tot. Daraufhin vergräbt Ray den Verwundeten bei lebendigem Leibe auf einem Feld und kehrt zu Abby zurück. Er erzählt ihr, was passiert ist, lässt aber die Hälfte weg, weil er glaubt, sie wisse natürlich, wovon er redet; sie aber ist einfach nur verwirrt, sagt, sie wisse gar nicht, wovon er redet. Enttäuscht verlässt er sie.

Visser, der Privatdetektiv und wahre Killer, hat am Tatort offenbar sein Feuerzeug liegen lassen, kehrt also nochmal zurück, entdeckt, dass alle Spuren beseitigt wurden, findet aber sein Feuerzeug nicht. Plötzlich erscheint auch Abby. Visser versteckt sich und beobachtet, wie auch sie den Tatort untersucht, unternimmt jedoch nichts.

Meurice, ein weiterer Angestellter der Bar, hat eine Nachricht von Marty auf seinem Anrufbeantworter, in der er Ray beschuldigt, das Geld geklaut zu haben. Diesen Anruf hatte Marty noch vor seinem Tod geführt, um das Verschwinden des Geldes zu erklären. Meurice fährt daraufhin zu Ray und konfrontiert ihn damit. Ray reagiert aufgrund des Mordes in der vorherigen Nacht kaum und Meurice fährt wieder weg. Später treffen sich Ray und Abby nochmals. Als er ihr erzählt, dass er Marty lebendig begraben hat, flüchtet sie zu Meurice. Der glaubt durch die Nachricht auf dem Anrufbeantworter, dass Marty noch lebt und überzeugt sie ebenfalls davon.

Ray kehrt nochmals an den Tatort zurück und findet dort das vermeintliche Leichenfoto im Tresor. Er schließt daraus, dass jemand seinen und Abbys Tod vorgetäuscht hat, dass Marty offenbar dafür Geld gezahlt hat, dass derjenige wahrscheinlich Marty erschossen hat und jetzt jeden zu töten versuchen wird, der von diesem Mord weiß …

Was zu sagen wäre

Die Dummheit stirbt nie, heißt es. In diesem Film tut sie es ausgiebig. Ein Ehemann, der für einen Doppelmord 10.000 Dollar für angemessen hält. Ein Detektiv, der mehr Spuren hinterlässt als beseitigt. Und Ray, ein Mörder wider Willen, dem kein besseres Versteck für eine Leiche einfällt, als etwa einen halben Meter tief unter einem Acker, der nicht nur über kurz oder lang umgegraben werden dürfte, sondern auf dem zwei schreiend auffällige Reifenspuren im weichen Boden direkt zur Grabstelle führen. Eine Geschichte über lauter dumme Ideen, falsche Entscheidungen und fehlende Worte.

Ich sitze im Kinosessel und möchte schreien und Ray schütteln, als er Abby zwar erzählt, er habe sich um alles gekümmert, sie müsse sich keine Sorgen mehr machen, aber mit keinem Wort erwähnt, worum es geht. Sollte ich nicht annehmen dürfen, wenn ich mit meiner Freundin spreche, die ich für eine Mörderin halte, dass ich den Mord, den Toten erwähne? Nein, bei den Coen-Brüdern offenbar nicht. Sie brauchen natürlich das aus diesem Bruchstückgefasel entstehende Missverständnis, sonst würde ihr Film nicht funktionieren. So aber ruiniert die Szene das gute Bild dieses Krimis. Ich höre auf, mit Ray, Abby – und auch mit Marty – zu fiebern, weil die Coens deren Persönlichkeit gegen eine Funktion ausgetauscht haben. Die Figuren sind nicht in erster Linie da, um ein Schicksal zu haben, sie müssen nur jeweils an der richtigen Stelle das Falsche machen.

Schon die ersten zehn Minuten des Films funktionieren auf diese Weise. Auf nächtlicher Landstraße fahren Ray und Abby. Während die Kamera, auf dem Rücksitz postiert, sie nur schemenhaft wahrnimmt, unterhalten sie sich über Marty. Es kristallisiert sich heraus, dass Abby Marty verlassen hat, dass Marty wohl ein Dreckskerl sein muss – „Zum ersten Hochzeitstag hat er mir eine Pistole geschenkt. Ich habe Angst, wenn ich ihn nochmal sehe, erschieße ich ihn!“ –, dass Ray offenbar in Abby verliebt ist. Sie fahren an einem Motel vorbei, Schnitt, sie haben heißen Sex. Danach sehen wir erstmals Rays Gesicht. Die Regie braucht die Figuren als Funktion, ihre Gesichter sind einigermaßen uninteressant – bis auf das von Abby. Frances McDormand sehen wir jetzt oft in Großaufnahme, damit wir ihre großen Augen, den leicht geöffneten Mund wahrnehmen; wir sollen verstehen, warum Ray sie gut findet, nicht, was hinter dem Gesicht für ein Mensch steckt. Abby als unschuldige Femme Fatale.

Genug gemotzt: Ist der Krimi halt durchkonstruiert. Blende ich das aus, akzeptiere die Funktionen antstatt echter Menschen, erlebe ich einen bösen, zynischen Krimi, der zwangsläufig auf eine blutige Angelegenheit zusteuert. Dan Hedaya gibt Marty als fulminant schmierigen Machtmensch. John Getz' Ray ist der geborene Dummbeutel, der schon mit seinem Job als Barkeeper seine Fähigkeiten offenbar zur Gänze ausreizt. M. Emmet Walsh (Blade Runner – 1982) schließlich ist als schwabbeliger Schnüffler, der sich irritierenderweise für einen Vollprofi hält, eine wunderbar schwitzende Comicfigur. Die Typen sind super. Die Bilder aufregend. Kameramann Barry Sonnenfeld inszeniert mit strahlendem Gegenlicht und Schemen in der Nacht einen vibrierenden Realismus, der in den Kinosaal überspringt.

Und die Coen-Brüder erzählen mit ruhiger Hand und ohne Mätzchen. Minutenlang gibt es, nachdem Marty erschossen ist, weder Dialog noch Musik, nur die Geschichte in all ihrer Unausweichlichkeit. Dass der Geschichte echte Menschen fehlen, ist da nachgerade sehr schade. Aber mit echten Menschen hätte sie ja auch nicht funktioniert.

Wertung: 6 von 9 D-Mark
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