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Plakatmotiv: Jäger des verlorenen Schatzes (1981)

Das moderne Abenteuer hat
einen Namen und eine Peitsche

Titel Jäger des verlorenen Schatzes
(Raiders of the Lost Arch)
Drehbuch George Lucas & Philip Kaufman
Regie Steven Spielberg, USA 1981
Darsteller

Harrison Ford, Karen Allen, Paul Freeman, Ronald Lacey, John Rhys-Davies, Alfred Molina, Denholm Elliott, Wolf Kahler, Anthony Higgins, Vic Tablian, Don Fellows, William Hootkins, Bill Reimbold, Fred Sorenson, Patrick Durkin u.a.

Genre Abenteuer, Action
Filmlänge 115 Minuten
Deutschlandstart
29. Oktober 1981
Inhalt

1936 wird der Archäologe Dr. Henry "Indiana" Jones vom amerikanischen Geheimdienst damit beauftragt, nach der sagenumwobenen Bundeslade zu suchen. Nach vertraulichen Informationen sind auch die Nazis auf der Suche nach der Bundeslade, um mit deren übernatürlichen Kräften eine Armee von Supersoldaten zu erschaffen. Dr. Jones soll das verhindern und die Bundeslade in Sicherheit bringen, bevor die Nazis sie erreichen.

Mit der Hilfe seiner Ex-Freundin Marion und einem ägyptischen Verbündeten gelangt Indy nach Kairo. Dort muss er feststellen, das auch die Nazis, angeführt von dem skrupellosen Toht, schon kurz vor der Entdeckung des gesuchten Objekts stehen.

Als dann auch noch Marion entführt wird, bleibt Indy keine Wahl: Er schleicht sich in das Lager der Feinde ein und versucht, mit der Bundeslade und Marion in einem Streich zu entkommen …

Was zu sagen wäre

Das hat schon 1941 – wo bitte geht's nach Hollywood deutlich gemacht: Steven Spielberg will großes Spektakelkino inszenieren. Das hat er mit "1941" getan. Aber er hatte keine Figur, der der Zuschauer gerne folgen wollte. Es gab Dan Aykroyd, John Belushi, Ned Beatty, Treat Williams und und und. Aber es gab keine Figur, mit der sich der Zuschauer identifizieren konnte. So gab es eine große Materialschlacht, jede Menge Spektakel, haufenweise Film-im-Film-Zitate. Aber es gab keinen Film.

Zurück auf Anfang. Spielberg ging mit seinem Studenten-Buddy George Lucas, dessen Star Wars gerade durch die Decke geschossen war, auf Strandurlaub (s.u.) und konzipierte die Filmfigur, mit der sich ein Kinogänger, eine Kinogängerin gerne identifiziert. Dass sie mit Harrison Ford besetzt wurde, ist einer der vielen Hinweise, dass sowohl Spielberg als auch Lucas mit "Raiders …" kompromisslos auf Sieg inszenieren wollten. Worum geht's in diesem Film? Was will er uns sagen? Was möchten wir dem zahlenden Zuschauer mitgeben? Das sind so Fragen, die sich bitte die New-Hollywood-Kollegen Martin Scorsese, Francis Coppola oder Ridley Scott stellen sollten. Für George Lucas, der sich als verkannter Film-Auteur sieht, dessen Visionen über Maschinen, die wichtige Funktionen im Alltag der Menschheit übernommen haben in einem Popcorn-Universum namens Star Wars vaporisiert worden sind, und für Spielberg, der seit seinen ersten filmischen Gehversuchen bestrebt ist, dem verdorbenen Ruf des kommerziellen Kinos neues Leben einzuhauchen, geht es aktuell darum, die Bude zu rocken.

Plakatmotiv: Jäger des verlorenen Schatzes (1981)Geld für jede Extratour der beiden "Wunderkinder" ist vorhanden. Egal wie viel. Worum also geht es in diesem Film, der Anleihen auch am französischen Abenteuer in Rio (1964) nimmt? Ein Abenteurer, den das Drehbuch als "Archäologe" einführt, jagt und findet die Bundeslade. Und Nazis versuchen, sie ihm abzujagen. Interessiert das den Arbeitnehmer, der um seinen Job bangt? Behandelt das entscheidende Fragen des täglichen Zusammenlebens der Völker. Nein. Die Nazis sind keine Politischen Rechtsausleger aus den 30er und 40er Jahren. Die Nazis in diesem Film sind Nazis, weil Nazis die bösesten Figuren sind, die das Hollywoodkino kennt. Das ist Kassenkalkulation. Nicht Politik. Das unterscheidet "Raiders of the Lost Arch" von Kommerzklamotten wie Flammendes Inferno oder Airport, die immer eine sozialkritische Linie hatten, letztlich aber einfach nur auf die Freitagabend-Jungs zielten, die vor dem Aufriss noch einen Warmmacher brauchten – aber das wollte man eben nicht sagen.

An "Raiders" ist alles auf Kino kalkuliert. Das wahre Leben neben und nach dem Kino spielt keine Rolle. Dass Marion Ravenwood mitten in der Wüste plötzlich ein weißes Brautkleid anziehen muss – wenn man diese Szene hinterfragt, bekommt man vor lauter Blödsinn-Antworten Kopfschmerzen – liegt einzig daran, dass sie dann im weiteren Verlauf aussieht wie eine Princess in Distress, die der Held retten kann.

Alles kalkuliert? Los geht's mit einem klassischen James-Bond-Opener; das funktioniert seit 20 Jahren: Der Held erledigt einen Job, der mit dem Thema des restlichen Films nichts zu tun hat, aber schon mal die wichtigen Charaktere einführt. Da erfahren wir nebenher, dass der Held, den sein Feind mit „Doctor Jones“ angesprochen hat, eine große Aversion gegen Schlangen hat. Logisch, dass er in eine Situation geraten wird, in der mehr Schlangen sind, als man zählen kann. Harrison Ford spielt Doctor Jones? Der sympathische Hallodri Han Solo aus Star Wars? Produzent George Lucas mochte nicht gerne mit Schauspielern arbeiten, mit denen er bei einem früheren Projekt gearbeitet hat. Jetzt passte das: Harrison Ford mögen die Kinogänger. Damit kann man das durchkalkulierte Projekt besser vermarkten.

Wenn wir am Anfang erleben, wie die zierliche Marion Ravenwood einen wuchtigen Tibeter unter den Tisch trinkt, ist das keine Szene, die einfach irgendwie funny ist. Ihre Alkohol-Resilienz spielt später eine Rolle. Dass die Bundeslade das Objekt der Begierde ist, die in Ägypten verbuddelt ist, und nicht irgendein Goldschatz, der irgendwo verbuddelt ist, liegt daran, dass sich bei biblischer Legende und ägyptischer Kulisse zwischen Pyramiden und Osiris jeder Zuschauer gleich zwischen Casablanca und Flug des Phoenix heimisch fühlt – egal, wo er wohnt; das Genannte kennt er aus den Abenteuerfilmen seiner Kindheit. Der Zuschauer soll nicht suchen müssen. Er soll finden … sich zurecht finden. Auf den ersten Blick.

Der Rest ist gelerntes Handwerk. Steven Spielberg hat in früheren Filmen schon zeigen können, dass er visuell erzählen kann. 1941 war, was halsbrecherische Wahnwitz-Action betrifft, schon eine ziemliche Achterbahnfahrt. Im Raiders-Opener mutet er dem Archäologen mehr zu als E.R. Burroughs seinem Tarzan in 20 Abenteuern. Die Figur des Abenteurers, der im Alltag ein Archäologielehrer im Tweed-Sakko ist, ist der Normalo, den Spielberg auch in vorherigen Filmen schon gefeiert hat. Dass er dennoch mehr Abenteurer ist, merkt man spätestens, wenn er auf dem Grabungsgelände bei Kairo eine neue Grabkammer entdeckt und das weder ihm, noch Marion noch sonst irgend jemandem auch nur ein müdes "Oha" entlocken könnte, die neue bestens erhaltene Grabkammer diese Entdeckung aber nicht unzerstört übersteht. Die Story folgt dann ziemlich exakt dem Handbuch, das spätestens George Lucas für Star Wars wieder ausgegraben hat, für dessen Aufbau er sich auf William Shakespeares und anderer Dramaturgen Drei-Akter-Struktur beruft.

Um zu bekommen, was er dringend benötigt, muss der Held Umwege gehen und Gefahren bestehen, die mit dem eigentlichen Objekt der Begierde noch gar nichts zu tun haben. Indiana Jones muss erst einmal nach Tibet und eine abgelegte Geliebte besänftigen – was in Spielbergs und Lucas' Kinokosmos schon ein Abenteuer für sich ist. Dann muss ein Wise Old Man eine wichtige Inschrift übersetzen, während vergiftete Datteln drohen, dem Abenteurer ein vorzeitiges Ende zu setzen. Dann wird Marion entführt und in einer irren Korbjagd verfolgt und zum Höhepunkt des Films gibt es Turnübungen auf rasenden Lkw neben tiefer Schlucht. Es ist keine böse Absicht, wenn man verrät, dass der eigentliche Höhepunkt – das Geheimnis der Bundeslade – ein besserer MacGuffin ist, irgendwie schon notwendig, aber nicht weiter von Bedeutung. Alle in diesem Film jagen die Bundeslade, aber sie spielt eine untergeordnete Rolle. Sie ist nötig für die Geschichte. Nicht für die Action, um die es ja aber eigentlich geht. Eben: kalkuliert!

Wertung: 8 von 9 D-Mark
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