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Plakatmotiv: Der unglaubliche Hulk (2008)

Ordentliche Umsetzung eines Comics
inklusive aller logischen Fragwürdigkeiten

Titel Der unglaubliche Hulk
(The Incredible Hulk)
Drehbuch Zak Penn
nach Motiven aus den Marvel-Comics von Stan Lee und Jack Kirby
Regie Louis Leterrier, USA 2008
Darsteller

Edward Norton, Liv Tyler, Tim Roth, William Hurt, Tim Blake Nelson, Ty Burrell, Christina Cabot, Peter Mensah, Lou Ferrigno, Paul Soles, Débora Nascimento, Greg Bryk, Chris Owens, Al Vrkljan, Adrian Hein u.a.

Genre Comic-Verfilmung
Filmlänge 112 Minuten
Deutschlandstart
10. Juli 2008
Inhalt

Der Wissenschaftler Bruce Banner hat in einer Favela in Rio de Janeiro unbeobachteten Untrerschlupf gefunden. Er hat eine harte zeit hinter sich: In Versuchsreihen mit Gammastrahlen war er mit einer zu hohen Dosis bestrahlt worden, worauf hin er sich verwandelte – in einen groben grünen marodierenden riesen, genannt: der Hulk. Dabei wurden auch seine Kollegin Betty Ross und ihr Vater, General Thaddeus „Thunderbolt“ Ross, verletzt. In den folgenden Monaten wurde er von Ross gejagt. Immer wieder verwandelte Banner sich in das grüne Ungeheuer – immer, wenn sein Blutdruck zu hoch steigt; wenn er wütend wird.

In der Favela hat Banner mittels autogenem Training gelernt, sein temperament im Zaum zu halten. Über eine verschlüsselte Internetleitung hat er Kontakt zu einem Mr. Blue irgendwo in den USA bekommen, der ihm vielleicht bei seinem Hulk-Problem helfen kann. Seinen Lebensunterhalt verdient er in einer Fabrik für Getränkeabfüllung. Dort verliert er bei einem zwischenfall etwas Blut, von dem einige Tropfen in eine Flasche geraten, die abgefüllt und in die USA geliefert wird. Dort wird der Inhalt von einem Rentner getrunken, der aufgrund der Verstrahlung zusammenbricht. Auf so eine Meldung hat General Ross gewartet. Er stellt eine Spezialeinheit zusammen, die Banner in Brasilien aufspürt. Der kann im letzten Moment entkommen.

Ross hat unter seinen Männern Emil Blonsky, der sich beeindruckt zeigt von grünen Monstrum, das ihm in Brasilien entkommen konnte und Ross wittert seine zweite Chance. Die Gammastrahlentests, bei denen Banner verunstaltet wurde, waren die eine Neuauflage eines geheimen Forschungsprogrammes aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, bei dem mittels biotechnischer Verbesserung eine Art „Supersoldat" erschaffen werden sollte. Da Banner nicht wollte, dass Ross seine Forschungen nutzt, um daraus eine Waffe zu entwickeln, war er geflohen. Ross verfügt jedoch noch über eine Probe des von ihm entwickelten Serums, und Blonsky erklärt sich bereit, sich damit behandeln zu lassen.

Bruce hat Betty Ross wieder getroffen, seine Kollegin im Labor, mit der ihn mehr als bloße Kollegialität verband. Mit ihrer Hilfe kommt er an eine Kopie der Unterlagen des damaligen Gamma-Experiments. Mit diesen Unterlagen und mit Betty schlägt er sich nach New York durch – zu Mr. Blue. DVD-Cover (US): The Incredible Hulk (2008) Aber Bettys Vater, General Ross ist ihm auf den Fersen. Und er hat ein neues Ungeheier geschaffen: Abomination tobt durch Manhattan …

Was zu sagen wäre

Die Rocinha-Favela in Brasilien: Die Kamera fliegt über einzelne Hütten, geht dann höher, erfasst mehr Hütten und fliegt weiter und höher und die Welt dieser Favela kennt keine Grenzen. Als die Kamera den höchsten Punkt der Favela überfliegt, eröffnen sich auf der anderen Seite des Hangs unzählige weitere Hütten. Es ist ein Effekt wie im ersten Star Wars-Film, als dieser Sternenzerstörer in der ersten Einstellung kein Ende nehmen wollte. Es eröffnet sich eine unüberschaubare Gegend von verwinkelten Gassen, aufeinander gestapelten Hütten, manche aus Stein, viele auch nur aus Blech – ein ganzer Kontinent für die Ausgestoßenen. Einer von ihnen ist ein Amerikaner, Bruce Banner, ein Wissenschaftler, der nach einem missratenen Experiment im Labor zu einem riesigen grünen Wesen mutiert, wenn sein Blutdruck in die Höhe schnellt, die Wut sich Bahn bricht. Der Mann, den wir kennenlernen, ist ein besonnener, zurückhaltender, der unbedingt alleine sein will. Er besucht ein Anti-Agressionstraining, seit 154 Tagen gab es keinen Vorfall mehr. Durch Szenen während des Titelvorspanns wissen wir, dass es im Rahmen einer Versuchsreihe mit Gammastrahlen einen Unfall gab, durch den sich Bruce Banner in ein instinktgesteuertes grünes Wesen mit übermenschlichen Kräften verwandelt und das Versuchslabor verwüstet. Dabei werden auch seine Freundin und Kollegin Betty Ross und ihr Vater, General Thaddeus "Thunderbolt" Ross, verletzt.

Nach dem durchwachsenen BoxOffice des Hulk-Films von Ang Lee aus dem Jahr 2003, stellt das MARVEL-Studio seine Fortsetzungspläne auf Null und startet neu durch. Die Film-Unit des Verlags ist ausgebaut worden. Marvel-Präsident Kevin Feige hat als Stoßrichtung ausgegeben, dass sämtliche Filme, die künftig von den Marvel Studios produziert werden, ähnlich den Comicvorlagen in einem zusammenhängenden Universum spielen sollen, was Crossover und Auftritte derselben Figuren in unterschiedlichen Filmen ermöglichen soll (hier taucht am Ende für einige Sekunden Tony Stark auf, der gerade erst zum Iron Man wurde). Feige gab dieser Erzähltechnik den Namen "Marvel Cinematic Universe". Videocover (US): The Incredible Hulk (2008) "Der unglaubliche Hulk", in den USA am 8. Juni 2008 gestartet, markiert gemeinsam mit Iron Man, der in USA am 30. April des Jahres gestartet war, den ersten Schritt in diese "Phase 1" genannte Richtung, zu der die ersten beiden Iron-Man-Filme (2008/2010) gehören, Captain America (2011), der erste Thor-Film (2011) und als Höhepunkt das Zusammenspiel aller genannten Helden in The Avengers (2012). Mit Iron Man 3 startete "Phase 2".

Louis Leterrier kommt schneller zur Sache als damals Ang Lee, nach 25 Minuten hat der Titelheld seine erste Jagdszene bereits abgeschlossen. Lee hatte in seinem Hulk-Film noch 40 Minuten gebraucht, um den Titelhelden überhaupt zum ersten Mal auftreten zu lassen und dann auch nur wenige Sekunden im Dunkeln. Im neuen Hulk-Film gibt die Dynamik dieser bizarren Figur das Tempo vor, der Zwiespalt Mensch/Monster steht im Fokus. Die gestraffte Handlung tut dem Film gut. Das grüne Monstrum ist Comic und nicht psychologisch unterfütterte Kunst. Auch der Dynamik einer Comicfigur aber sind Grenzen gesetzt, die Louis Leterrier geflissentlich übersieht.

Der Transporter-Regisseur bleibt seiner Liebe für Comic-Dramaturgie treu: In der Flaschenfabrik zum Beispiel verliert Banner Blut. In Panik unterzieht er das Fließband mit den Flaschen einer genauen Inspektion – er weiß ja, was sein Blut anrichten, dass er über sein Blut auffliegen kann. Er findet ein paar Tropfen auf dem Band, übersieht aber die rote Soße an der Flaschenöffnung? Klassischer Comic-Zufall. In Virginia ist Banner bei einem alten Freund untergekommen, dessen Pizzeria er früher offenbar häufig mit Betty besucht hat. Der läuft er hier wieder über den Weg. Okay, das kann passieren. Aber Bruce verschwindet durch die Hintertür und wird – erkennbar – viel später in strömendem Regen irgendwo anders in der Stadt von ihr wieder eingesammelt. Wie hat sie ihn gefunden? Bisschen dick aufgetragener Zufall.

  1. Bettys Verlobter hat General Ross verraten, dass seine Verlobte und Banner wieder Kontakt haben. Warum er das tut, ist nicht ganz klar (die Verratszene wird auch gar nicht erst gezeigt); das könnte ich mit einer Eifersucht des Liebhabers erklären, aber für eine solche gibt es keinen Anlass. Auf der DVD/Blu-ray gibt es unter den Deleted Scenes eine, die ein Gespräch Banners mit dem Verlobten zeigt. Das macht die Motivation deutlich, aber die fehlt eben im Film. Typischer Fall von Ist-egal-fällt-nicht-auf-Schlamperei.
  2. Auf dem Campus stellen Soldaten den flüchtenden Banner in einem rundum mit Glas überdachten Gang. Sie schießen Tränengaspatronen, die effektvoll durch die Glasfensterfront in den Gang hinein splittern und dann in vollem Flug von der Glasscheibe auf der anderen Seite des Ganges … abprallen (und also ihr Gas in dem engen Gang verteilen können)? Bei der Wucht, mit der die Granaten in den Gang splittern, müssten sie eigentlich durch die Fensterfront auf der anderen Seite wieder raus splittern.

Diese Unachtsamkeiten fallen störend auf, weil Leterrier immer schon den nächsten Punch sucht. Er weiß die ausgreifende Favela zu Beginn effektvoll in Szene zu setzen, er beherrscht das Timing und unterschiedliche Einstellungen bei hektischen Verfolgungen und er weiß, wie eine Explosion in einem Film dieser Art auszusehen hat. Wie seine Handlung in die jeweilige Action zu münden hat, interessiert ihn weniger – deshalb splittert Fensterglas nur, wenn es dramaturgisch splittern soll.

Derart auf Effekt getrimmt erzählt er auch die Liebesgeschichte von Bruce und Betty. Und dass er sich überhaupt die Zeit dafür nimmt, wird den MARVEL-Studios geschuldet sein, die ja (s.o.) mit diesen Figuren noch einiges vor haben und also eine gewisse Tiefe brauchen, die in kommenden Filmen ausbaubar sein kann oder aus der geschöpft werden kann.

Bruce Banner und Betty Ross waren ursprünglich, als sie in den 60er Jahren für die Comicreihe erfunden wurden, ein der Zeit gemäßes schüchternes, vorsichtig tastendes Love Interest-Paar. Damals geriet Bruce in die Wolke einer Gammastrahlen-Explosion – und mutierte und wurde in der Folge von General Ross, dem Vater der geliebten Betty, als Gefahr für die nationale Sicherheit erkannt und gejagt. Videocover (US): The Incredible Hulk (2008) Im vorliegenden Film ist General Ross der verantwortliche Offizier für die Experimente, die Bruce Banner in das grüne Monster verwandeln. Ross wollte ein wissenschaftliches Programm wiederbeleben, aus dem Supersoldaten hervorgehen sollten; die Gamma-Strahlung aus den frühen Comics rührt nicht mehr aus atomaren Experimenten, sondern aus gentechnischen Versuchen mit Blutkörperchen – was eine Brücke bauen soll hin zu dem Supersoldaten Captain America, der während des Zweiten Weltkrieges entwickelt worden war und auch zum MARVEL-Kosmos gehört. Betty Ross wurde also körperliches Opfer der Experimente ihres Vaters, die in Ohnmacht nicht erlebte, was mit ihrem Freund Bruce tatsächlich passiert ist, der aus ihrer Wahrnehmung danach für Jahre einfach verschwand.

Ein zentrales Thema dieses Hulk-Films, auf dessen Höhepunkt zwei furchtbare Kreaturen in den Neon beleuchteten Straßen des nächtlichen New Yorks aufeinander einprügeln, ist die Liebesgeschichte, ist, wie Betty ihren Bruce wiederfindet und zum ersten Mal sieht, was durch die Versuche ihres Vaters aus Bruce geworden ist. Es sind die schönsten Szenen des Films, jedenfalls für Menschen, die die einfache Sprache der Comics der komplizierten des realen Lebens vorziehen. Als sich Betty und Bruce nach vielen Jahren – er auf der Flucht, sie an der Uni – endlich wieder in den Armen halten, regnet es in Strömen. Die Szene Küsse im Regen lernen Filmstudenten für Situationen, in denen sich zwei Verzweifelte aneinander klammern. Dieses Motiv gipfelt in einer Szene, in der Hulk, King Kong gleich, Betty im tiefen Wald vor den Unbilden eines Gewitters schützt. Beider Flucht gelingt mit den rudimentären Mitteln des American Way of Life: PickUp-Truck und Motelzimmer, die man ohne Kreditkarte zahlen kann. Dazu hat die smarte Wissenschaftlerin Dr. Betty Ross ihr vernünftiges Universitäts-Leben und ihren Geliebten für das Abenteuer aufgegeben. Von solchen Frauen träumen Jungs vor ihren Comic-Heften. Im Cinemascope-Kino sorgen solche Frauen in solchen plakativen Szenen für romantische Gefühle im Kinosessel – weil Romantik im Kino all das beinhaltet, was sogenannte Romantik im richtigen Leben vermissen lässt. Die Geschichte von Betty und Bruce wird mit grobem, aber wirksamem Strich gemalt, aber als dann der für eine Hulk-Verfilmung nötige Action-Schluss eingeleitet wird, ist es doch schade. dass wir den beiden nicht noch ein bisschen zuschauen können, wie sie versuchen miteinander klarzukommen, wenn bei ihm der Blutdruck in die Höhe schießt, weil sie ihn küsst.

Es ist (noch) nicht alles grün, was Hulk ist. Aber unterm Strich ist "Der unglaubliche Hulk" eine unterhaltsame Comic-Verfilmung – und hat in Edward Norton einen hochkarätigen Titelhelden gewonnen (Königreich der Himmel – 2005; The Italian Job – Jagd auf Millionen – 2003; Roter Drache – 2002; Glauben ist alles! – 2000; Fight Club – 1999; American History X – 1998; Larry Flynt – Die nackte Wahrheit – 1996; Alle sagen: I love you – 1996; Zwielicht – 1996).

<Nachtrag 2010>Edward Norton hatte keine Lust auf weitere Hulk-Filme und stieg aus dem gerade gestarteten Projekt gleich wieder aus.</Nachtrag 2010>

Wertung: 4 von 7 €uro
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