Buchcover: Die 27ste Stadt
Es muss nun auch nicht jeder
Franzen veröffentlicht werden
Titel Die 27ste Stadt
(The Twenty-Seventh City)
Autor Jonathan Franzen, USA 1988
aus dem Amerikanischen von Heinz Müller
Verlag Rowohlt
Ausgabe Gebunden, 670 Seiten
Genre Drama
Website macmillan.com/jonathanfranzen
Inhalt

St. Louis, die einst blühende Stadt im Mittelwesten Amerikas, bekommt einen neuen Polizeichef. Es ist S. Jammu, eine Frau aus Indien: zart, jung, sympathisch, das ganze Gegenteil von dem, was man erwarten würde.

Doch kaum hat sie ihr Amt angetreten, greift Gewalt um sich. Eine Bombe explodiert. Auch Martin Probst, Erbauer des städtischen Wahrzeichens „The Arch”, und seine Frau Barbara – das Vorzeige-Ehepaar, von vielen um sein Glück beneidet – erleben Gefahr, süße Verlockung und Angst.

S. Jammu steht schnell an der Spitze einer von ihr initierten Bewegung, die Stadt St. Louis und die County St. Louis zu einer Gemeinde zu machen, frei von Gewalt, Elend und Schmutz. Dabei schreckt sie vor Intrigen, Gewalt und Mord nicht zurück.

Bald schon finden sich noble Familien in Auflösung, Ehen in Scheidung und Farbige ausgebürgert wieder …

Was zu sagen wäre
Die 27ste Stadt

Die Korrekturen hat mir gut gefallen. Der vorliegende Roman wurde von Rowohlt flugs ins Programm gehoben, nachdem sich die Korrekturen so gut verkaufte. Der vorliegende ist Franzens erster Roman. Und was soll ich sagen? Nur, weil Franzen mit seinem dritten Buch einen Volltreffer gelandet hat, muss nun auch nicht jede Wort-Diarrhöe veröffentlicht werden.

Auf dem Schutzumschlag wird die FAZ mit den Worten zitiert: „Atemlos ist das zu lesen, fesselnder zuweilen als Die Korrekturen. Ein Roman von epischer Wucht.” Das ist falsch. Nichts in diesem Buch erlaubt die Bezeichnung „epische Wucht”. Nichts ist da „atemlos zu lesen”. Als habe Franzen einfach mal ins Blaue alles aufgeschrieben, was er immer schon mal loswerden wollte, und der Verlag dann vergessen, nach dem „Korrekturen”-Erfolg erst zu checken, warum er das Geschriebene damals abgelehnt hatte. Es kleckert sich Geschichtchen an Andeutung, Rätselhaftes an Geheimnisvolles. Und also lese ich tapfer, um am Ende mit der großen Auflösung (für schrecklich zähe 650 Seiten) belohnt zu werden, die mich … verstehen lässt. Aber es macht blubb und das Buch ist zu Ende.

Meine Schwester legte das Buch entnervt weg – etwa 200 Seiten vor dem Ende. Sie wisse nicht, was Franzen eigentlich wolle. Kann ich verstehen. Franzen betreibt eine Art impressionistischer Schreibe. Wenig ist griffig, vieles unzusammenhängend. Statt von einer durchsichtigen Scheibe ist von der „Opazität des Badezimmerfensters” die Rede, Menschen sind nicht überflüssig, sie sind in „ihrer Obsoleszenz …”, Scheinwerfer ziehen Schatten hinter sich her (eigentlich schieben – wenn schon – Schatten Scheinwerfer vor sich her) – furchtbar.

Nur ab und zu kristallisiert sich der rote Faden heraus, in dem es um Korruption geht – natürlich, es ist ja das Drama um eine Stadtentwicklung – und um eine Polizeichefin, die ausgesprochen unlautere Methoden hat, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Aber es entwickelt sich so ausgesprochen zäh; und vor allem nirgendwo hin. Der Romantitel erschließt sich lediglich aus dem Klappentext, dem ich, nach Ende der Lektüre ratlos Halt suchend, entnehme, dass St Louis „nach Jahrzehnten des wirtschaftlichen Abstiegs und der Abwanderung der Eliten nicht mehr Platz eins, sondern nur noch auf Platz 27” steht. Eine Stadt in den achtziger Jahren „im Verfall. Im Niedergang der Stadt St. Louis, der prophezeit worden war, einmal zur bedeutensten Metropole der USA zu werden, erkannte Jonathan Franzen das Los der weißen amerikanischen Mittelschicht”. Aha, Danke Rowohlt-Verlag, für diese Interpretation.

Halte ich zugute, dass der Roman genau genommen 16 Jahre alt ist – aus einer Zeit, als Computer noch keine PCs waren – bleibt trotzdem die Erkenntnis: Der Niedergang der Stadt St. Louis wäre in einem Zeitungsfeature besser aufgehoben gewesen, den Niedergang der weißen amerikanischen Mittelschicht habe ich woanders schon besser geschrieben gelesen. Franzen verliert sich in seinem Roman in kleinteiligem Bla-Bla. Anstatt den Leser an die Hand zu nehmen, wirft er ihm seine Impressionen hin und erwartet, dass er sich alles selbst erarbeitet. Aus eben diesem Grunde lese ich seit Schulzeiten keine Klassiker oder guten Bücher. Weil ich im Deutschunterricht gelernt habe, dass „Klassiker” und „gute Bücher” keine Geschichte erzählen, sondern Vexiertexte sind, die es Zeit raubend zu entschlüsseln gilt. Vielleicht liegt dahinter die „epische Wucht”, die die FAZ entdeckt haben will. In meiner Lese-Alltags-Realität bleibt dafür kein Platz.

Beispiel: Es gibt zwei Explosionen. An denen kann man den Impressionismus Franzens ganz schön erklären. Es macht nicht laut KRA-WUMM, es steigt kein Feuerball von irgendwelchen Ausmaßen in den Himmel. Es wird jeweils beschrieben aus der Sicht eines … Betroffenen; und der hört weniger, der wird naturgemäß mehr durchgeschüttelt. Das wird dann beschrieben. Und ich muss es mir mühsam zusammen reimen.