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Plakatmotiv: A Star is born (1976)

Die Dominanz Barbra Streisands
steht dem Filmdrama im Weg

Titel A Star is born
(A Star is born)
Drehbuch John Gregory Dunne + Joan Didion + Frank Pierson
nach einer Geschichte von William A. Wellman + Robert Carson
Regie Frank Pierson, USA 1976
Darsteller

Barbra Streisand, Kris Kristofferson, Gary Busey, Oliver Clark, Venetta Fields, Clydie King, Marta Heflin, M.G. Kelly, Sally Kirkland, Joanne Linville, Uncle Rudy, Paul Mazursky, Stephen Bruton, Sammy Lee Creason, Cleve Dupin u.a.

Genre Drama, Musik
Filmlänge 139 Minuten
Deutschlandstart
17. Februar 1978
Inhalt

Der berühmte Rock’n’Roll-Star John Norman Howard ist dabei, seine Karriere durch Drogen, Alkohol und ausschweifendes Liebesleben zu zerstören. In einer Bar begegnet er der unbekannten Sängerin Esther Hoffman, verliebt sich in sie, erkennt ihr Talent und fördert sie.

John will Esther nun auch zu einer eigenen Karriere als Sängerin verhelfen. Zu diesem Zweck bedrängt er sie hart, bei einem seiner eigenen Konzerte auf die Bühne zu gehen. Dieses Gastspiel wird für Esther der erste Schritt zum Erfolg: Das Publikum ist begeistert, sie wird von der Musikindustrie entdeckt, nimmt eine eigene Schallplatte auf und beginnt eine steile Karriere. Zwischenzeitlich haben John und Esther auch geheiratet.

Johns Karriere stagniert; seine neue Schallplatte verkauft sich schlecht. Während Esther auf Tour ist, vereinsamt er und fähfrt schließlich mit seinem Ferrari in den Freitod. Ihren nächsten Auftritt eröffnet Esther mit dem von ihm hinterlassenen Song „Look at me now“ …

Was zu sagen wäre

Gut gemeint ist das Gegenteil von Gut gemacht. Dabei will ich mal voraussetzen, dass die Produzenten es gut gemeint haben, als sie den Judy-Garland-Klassiker Ein neuer Stern am Himmel aus dem Jahr 1954, der schon eine Neuauflage von Ein Stern geht auf (1937) war, ins aktuelle Musikgeschehen verlegt haben.

Frank Pierson inszeniert seinen Film wie ein Musical, dem zwar die Begleitmusik fehlt, in dem die Figuren aber (wie im Musical) als reine Funktionsfiguren vor der Kamera agieren – die Holde, der Prinz, der Schurke, der Geizhals. Kris Kristofferson (Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia – 1974; Pat Garrett jagt Billy the Kid – 1973) ist der Drogen umnebelte Rockstar, dem sein Assistent vor dem Auftritt eine Prise Koks reicht, der auf der Bühne zwei tiefe Schlucke Whiskey nimmt, mit aufgerauter Stimme seine Songs grölt bis er den Text vergisst, und der mit offenem Hemd Motorrad fährt. Barbra Streisand (So wie wir waren – 1973; Is' was, Doc? – 1972; "Funny Girl" – 1968) ist die bodenständige Überlebenspraktikerin, die sich mit dem kritisch begleiteten Einsingen von Werbejingles durchschlägt, eine große Stimme für Jazzstandarts, Soul, Pop und Disco hat, das Herz am rechten Fleck trägt – und mit dem großen Rockstar schon deshalb zunächst nichts zu tun haben will.

Und als sie dann doch mit ihm zu tun hat, nachdem sie bei einer intimen Klimperei am Flügel erkennt, dass hinter dem exaltierten Sauf- und Raufbold ein feinfühliger Poet steckt, ergeht der Film sich in Werbeplakat-Romantik. Barbra Streisand fungiert am Filmset nicht nur als Schauspielerin; sie ist auch für die Konzeption der Musikeinlagen verantwortlich und steht als Executive Producer im Abspann. Executive Producer sind im allgemeinen die Abgesandten der Studiobosse, die vor Ort darauf achten, dass die Kosten nicht aus dem Ruder laufen und die Inszenierung den Vorstellungen der Geldgeber nicht zuwiderlaufen. Das heißt: Die Executive Producer Barbra Streisand hat einen gewissen Einfluss auf die Arbeit des Regisseurs, dessen Status als Director eine Frage der Vertragsformulierung ist – wie weit reichen seine Befugnisse? Hat er den Final Cut oder dürfen hinterher die Produzenten das gedrehte Material zusammensetzen, wie es ihnen beliebt?

Frau Streisand hat ihren Einfluss als Exec womöglich übertrieben. Ihr Werdegang, ihr Erfolg geben ihr Recht, wenn sie sich selbst vertraut, auf ihr Bauchgefühl hört – und sich deshalb etwa zeitlebens geweigert hat, der Showbiz-Regel nachzugeben und sich ihre sehr große Nase begradigen zu lassen; sie befürchtete nicht nur, das könne ihre Stimme beeinflussen, sie wollte sich auch nicht für ein von Marketingleuten ausgedachtes Ideal verbiegen. Aber das funktioniert für die Musikbranche, wo die Sängerin allein auf der Bühne Glaubwürdigkeit in eigenen Songs ausstrahlt oder eben nur ein Popsternchen ist. Das Medium Film ist auf Teamwork angewiesen, darauf, dass Schauspieler sich einer Rolle, einer Gescichte unterordnen, sonst verfällt der Film zur Personalityshow. Wie in diesem Fall.

Kristofferson, selbst ein erfolgreicher Countrysänger, wird hier zum weinerlichen Stichwortgeber der Streisand degradiert, muss jammern, dass er als Star dauernd in Flugzeugen sitze, in denen er nicht sitzen wolle, in Hotels schlafe, „ohne zu wissen, in welcher Stadt ich bin“ – aber er darf keinen einzigen Beleg dafür liefern, dass er zurecht ein großer Star ist. Ein paar Zeilen eines Songs darf er auf der Bühne performen, da wirkt er wie eine Art Wiedergänger des Doors-Sängers Jim Morrison, aber das war es dann auch schon. Frau Streisand hingegen singt und singt und performed und singt noch mehr. Zweifelsohne kann sie das wie wenige andere. Aber dann ist der Film, in dem sie das hier tut, eben doch kein Musical und bräuchte glaubhaftere Figuren. So aber, wie Kris Kristofferson als Schablone eines Rockstars inszeniert wird, wird die Liebesgeschichte der beiden in erstarrter Werbeclipästhetik gezeigt: auf dem Rücken eines Pferdes vor untergehender Sonne, im Matsch turtelnd, am Strand knutschend, vor dem offenen Kamin. Ein irgendwie geartetes realistisches Leben realer Menschen zeigt der Film nicht.

Es scheint eher ein Zufall zu sein, dass dem Film eine sehr tiefsinnige Szene gelingt: Da macht eine Fotografin Aufnahmen von Esther für ihr neues Album. Die Fotografin dirigiert die Sängerin, drängt sie in dramatische, träumerische oder zielstrebige Posen. Dann kommt John dazwischen und teilt ihr mit, dass er ihre erste Tournee nun doch nicht begleiten werde. Das macht Esther traurig – und plötzlich bekommt die Fotografin, ganz ohne dirigieren zu müssen, die schönsten, stimmungsvollsten Aufnahmen. Da ist die zur Künstlichkeit erstarrte Pose der Popwelt plötzlich zurück in der Natürlichkeit, im echten Gefühl. Wenn der zweieinhalbstündige Film nur mehr von diesem echten Gefühl hätte.

Wertung: 2 von 9 D-Mark
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