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Kinoplakat: Tisch und Bett

Verspielte Fortsetzung einer
kompliziert gewordenen Liebe

Titel Tisch und Bett
(Domicile conjugal)
Drehbuch François Truffaut + Claude de Givray + Bernard Revon
Regie François Truffaut, Frankreich 1970
Darsteller

Jean-Pierre Léaud, Claude Jade, Hiroko Berghauer, Barbara Laage, Danièle Girard, Daniel Ceccaldi, Claire Duhamel, Daniel Boulanger, Silvana Blasi, Pierre Maguelon, Jacques Jouanneau, Claude Véga, Jacques Rispal, Jacques Robiolles, Pierre Fabre u.a.

Genre Komödie, Drama, Romanze
Filmlänge 90 Minuten
Deutschlandstart
25. Dezember 1971
Inhalt

Antoine Doinel und Christine Darbon haben geheiratet und mit dem Eheleben zu kämpfen. Das Paar lebt in einem großen Mietshaus mit Hinterhof. Christine erteilt unbegabten Kindern im Wohnzimmer Geigenunterricht, während Antoine im Hof Blumen färbt, die der Händler vorne gewinnbringend verkauft. Das Leben geht so seinen Gang, reicht das Geld nicht, lässt man sich von Christines so angenehm entspannten Eltern zum Abendessen einladen. Ihr Sexleben hat mit Erotik eher weniger zu tun. Eher toben sich da zwei Kinder beim Doktorspielen aus – übder ihrer Hälfte des Ehebetts hängt ein Portrait des kernigenn Rudolf Nurejev.

Trotzdem kommt irgendwann ein Kind, das Antoine kurzerhand Alphonse taufen lässt, obwohl Christine strikt gegen diesen Namen war. Auch anderswo schleichen sich Gewohnheiten, Alltäglichkeiten, Nicklichkeiten in den einst so ungezwuingenen Lebensablauf ein. Mit Kind spätestens werden Frauen erwachsen – Männer offenbar eher kindischer.

Dann ergattert Antoine – durch einen zufälligen Toilettengang – einen Job bei einemm amerikanischen Konzern. Er muss Miniaturboote durch einen Miniaturmodellhafen lenken, wenn Investoren zu Gast sind. Einmal kommen Japaner. Unter ihnen ist Kyoko, eine attraktive junge Frau in schmuckem Kimono, die sich Antoine unverhohlen an den Hals schmeißt …

Was zu sagen wäre

Die Fortsetzung des François-Truffaut-Hits Geraubte Küsse aus dem Jahr 1968. Und was für eine: Wieder irrlichtert Antoine durch sein Leben, das für ihn irgendwie zwei Nummern zu groß scheint. Christine wird Mutter und erwachsen, er eher nicht. Wieder erzählt Truffaut federleicht und beschwingt, reiht Anekdote an Anekdote, die der Geschichte nicht auf die Sprünge hilft, dem Film aber unvergleichlichen Flair verleiht – ein Nachbar, der seit 25 Jahren die Wohnung nicht verlassen hat aus Protest, dass General Pétain nicht im Parthenon beigesetzt wurde; einer, den alle für einen verkappten „Würger“ halten, der sich als gefeierter Varietée-Star des Fernsehens entpuppt; ein Schnorrer, der sich dauernd („Schulde ich Dir nicht 50 Franc? Dann gib mir noch mal 50, dann kriegst Du beim nächsten mal 100 von mir.“) Geld leiht; eine Nachbarin mit ausgeprägter Libido; ein Sänger, der jedesmal auf seine Frau („Ich komme gleich!“) warten muss und ihren Pelz die Treppe runter wirft, usw. Truffaut verbreitet dabei eine Leichtigkeit, die der des Vorgängerfilms nur in soweit nachsteht, weil die Ehe im Gegensatz zum romantischen verliebt Sein eben auch die Grautöne kennt.

Von Beginn an fröhnt Truffaut seiner Leidenschaft für schöne Frauenbeine. Minutenlang folgt er Christine auf deren Einkaufsweg durchs Viertel, lässt sie mehrfach korrigieren, sie sei Madame (also verheiratet), aber die Kamera bleibt stoisch auf ihren Waden. Bis sie an der Wohnungstür zur beneidenswert schönen Altbauwohnung ankommt. Frauen bleiben in Truffauts Filmen die heimlichen Herrscher. Hier ist es nicht die dominante Entscheiderin wie in Schießen Sie auf den Pianisten (1960). Dafür ist Christine zu sanft. Statt dessen greift Truffaut auf ein Motiv zurück, das er in Geraubte Küsse schon angewandt hat; schon damals ließ sich Antoine kurzfristig mit einer Frau ein, die einen halben Kopf größer ist als er.

Seine Protagonisten lässt Truffaut reihenweise Liebeserklärungen wie diese sagen: „Wenn ich mit jemandem Selbstmord begehen wollte, dann würde ich es am liebsten mit Dir tun.“ Den schönsten Dialog aber inszeniert er über Bande. nach einem großen Krach unterhalten sich beide nicht miteinander, sondern jeweils mit Nachbarn; im Zusammenschnitt sieht das dann aus, als würden sie so sehr aufeinander eingehen, wie im direkten Gespräch schon seit Monaten nicht mehr – und sie feststellenn, dass sich beide nie miteinander gelangweilt haben. Was für eine Liebesgeschichte – sehr pragmatisch.

Bemerkenswert ist eine an sich nebensächliche Szene. Antoine ist aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen und Christine will ihm ein Bild mitgeben, das schließlich ihm gehöre. Der lehnt das ab, nein nein, es gehört Dir. „Nein, Dir. Nimm es!“, „Aber ich habe es Dir geschenkt. Also häng es bitte wieder hin!“ Diesen Dialog gibt es nahezu wortgleich in Truffauts Dreiecksbeziehungsthriller Die süße Haut (1964).

Wertung: 7 von 8 D-Mark
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